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      Einunddreißigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Noch niemals hatte Graf Albrecht so lange Zeit auf seiner Burg still gelegen wie in diesem Winter, der mit einer ungewöhnlichen Beständigkeit tief in das Jahr hinein dauerte und die Geduld des kampfbegierigen Mannes auf eine harte Probe stellte. Dagegen war Oda dem Himmel für alle den Schnee, mit dem er nicht aufhörte das Land zu überschütten, um so dankbarer, weil er ihr damit half, den Gatten an ihrer Seite festzuhalten, was ihre noch so schmeichelnden Bitten allein vielleicht nicht vermocht hätten. Sie wußte wohl, wenn der Frühling ins Land kam und sein warmer Sonnenschein die jetzt verschneiten und gefrorenen Wege erst auftaute und dann die grundlos gewordenen wieder trocknete, so zog Albrecht den Harnisch an und ritt hinaus zu Kampf und Fehde, wonach er sich sehnte und wovon er trotz Odas Angst und Abwehr doch immer wieder zu sprechen anfing. Alle Lust und Wonne, alle das müßige Glück an der Seite der geliebten Frau konnte doch die nach kühnem Wagen dürstende Seele des hochstrebenden Mannes nicht ausfüllten; immer stärker regte sich wieder in ihm der Drang nach Kriegstaten und der ihm angeborene Trieb, seine Macht zu brauchen und zu mehren.

      Noch war Odas Erbe, die Grafschaft Falkenstein, nicht in Albrechts Besitz, sondern in dem des Bischofs von Halberstadt, und der lange Winter kam dem letzteren sehr zu statten, die darüber schwebenden Verhandlungen mit seiner meisterhaften Geschicklichkeit ins Endlose auszuspinnen. Diese Verhandlungen führte übrigens nicht Albrecht selber, sondern in seinem Namen der Graf Burchard von Mansfeld, der sich zum Vermittler angeboten hatte und auch der rechte Mann dazu war. Graf Albrecht aber verlor wie über den Winter so auch über diesen Federkrieg die Geduld und erklärte seinem Freunde Burchard, wenn er im Frühjahr nicht damit zu Rande wäre, das Schwert zu ziehen und die Sache auf kürzerem Wege zum Austrag bringen zu wollen.

      Als nun der Frühling nahte und der Bischof, der trotz seiner heimlichen Kriegsbereitschaft einen ehrlichen Waffengang vermeiden zu wollen schien, die Grafschaft noch immer besetzt hielt, fing Albrecht an zu rüsten, um den Gegner mit Gewalt darauf zu vertreiben. Oda tat, was sie konnte, ihn davon zurückzuhalten und ihm vorzustellen, daß er für ihrer beider Glück und Zufriedenheit mächtig genug wäre und sich ihres Erbes wegen nicht in Gefahr begeben sollte. Ihre Bitten fanden aber kein Gehör; die Rüstungen nahmen ihren, allerdings auffallend langsamen Fortgang.

      Graf Albrecht sah voraus, daß die Erstürmung des Falkensteins der Anfang eines Entscheidungskampfes zwischen ihm und dem Bischof sein würde, der nur mit dem Untergange des einen oder des andern von ihnen enden konnte, und in den er nicht wieder mit so überstürzter Hast eintreten wollte wie in die Fehde mit der Stadt Quedlinburg. Deshalb betrieb er die Vorbereitungen dazu mit großer Sorgfalt, die aber doch nicht der eigentliche Grund war, daß er damit nicht recht von der Stelle kam.

      Als hätte er im Arm der Liebe oder während des Verliegens in dem langen Winter das Befehlen verlernt, so fühlte er jetzt eine beständige Unruhe und nie gekannte Unsicherheit in seinem Wesen, ein Schwanken und Zaudern in seinen Entschlüssen, das ihn um viel kostbare Zeit brachte. Es war etwas Fremdes in ihm, das seinen Blick trübte, seinen Willen lähmte, ihm alle seine Freudigkeit, ja in manchen Stunden sein Selbstvertrauen nahm, und das er doch nicht von sich abschütteln konnte. Furcht war es nicht, gegen die war er gefeit, es lag auf ihm mit dem Druck einer düsteren Ahnung, und wenn er sich selber prüfend frug, was es war, so mußte er sich gestehen, daß es nichts anderes war als der Gedanke an die drohende Erscheinung des Tempelherren. Er war überzeugt, daß dieselbe in Beziehung zu dem vorhabenden Kampfe stand und daß sich dabei etwas Unerwartetes, vielleicht Schreckliches ereignen würde, was der umwandelnde Geist hatte warnend anzeigen wollen.

      Endlich schlagfertig, aber durch den Glauben an Übersinnliches beirrt und wie von Geisterhand in seiner Tatkraft gehemmt, zögerte Graf Albrecht immer noch mit dem Angriff, und dieses Zögern sollte ihm verhängnisvoll werden.

      Bock von Schlanstedt, nun längst der glückliche Gatte seiner ebenso glücklichen Eilika, stand unter demselben Einfluß wie sein Herr, obwohl zwischen ihnen der Erscheinung des Gespenstes mit keinem Worte wieder erwähnt war. Er beobachtete den Grafen auf Schritt und Tritt, und wenn derselbe, wie jetzt zuweilen geschah, mit seinem Schildknecht Schatte einen Ritt nach einem seiner Burgställe oder festen Häuser unternahm, so ritt er ihm heimlich nach und ließ von seinen vier Reitgesellen die Gegend durchschweifen, um ihm bei Annäherung einer Gefahr womöglich Hilfe leisten zu können. Graf Albrecht bemerkte es, weil Bocks hochbeiniger Schecke weithin kenntlich war, und ließ sich die sorgliche Vorsicht seines treuen Mannes stillschweigend gefallen; was aber er und die in großer Entfernung von ihm bleibenden Knechte nicht bemerkten, war, daß er auch von bestochenen und verkleideten feindlichen Kundschaftern unablässig umspürt und umlauert wurde.

      In der Neige eines schönen warmen Frühlingstages Ende Mai standen Albrecht und Oda auf der Höhe neben der Felsbank und blickten in das Abendgold der sinkenden Sonne. Während er die Geliebte mit einem Arm umschlungen hielt und sie sich an seine hohe Gestalt lehnte, gedachten sie vergangener Zeiten und so manchen Gespräches, das sie hier oben miteinander gehabt hatten. Oda war weich und Albrecht sehr ernst gestimmt. »Weißt du noch, Albrecht,« begann sie, »wie du hier für Siegfried um mich warbst? Damals liebtest du mich wohl noch nicht?«

      »So heiß und innig wie jetzt!« erwiderte er, »aber ich hatte ihm mein Wort gegeben, und hättest du ja gesagt, so –«

      So lebte er vielleicht noch, meinst du? und ich wäre nicht dein, sondern sein Weib geworden?« unterbrach sie ihn. »Nein, Albrecht! ich hätte es doch nicht über mich gebracht, so sehr ich mich auch eine kurze Zeitlang mit dem Gedanken vertraut zu machen suchte. Ich liebte dich, und deine Werbung für Siegfried hat mir viel bittere Stunden bereitet.«

      »Vergiß sie, Oda!« bat er freundlich. »Nun sind wir ja in Glück und Liebe auf ewig vereint; nichts kann uns mehr trennen, als der Tod.«

      »Sprich nicht vom Tode, Albrecht!« sprach sie schaudernd, »das Leben ist so schön an deiner Seite, und ich habe ohnehin eine unsägliche Angst, weil du wieder in Krieg und Fehde willst.«

      »Du bist eines Ritters Weib,« entgegnete er. »Nur draußen im Felde weht die Luft, die mir das Herz stärkt, daß es dich lieben kann mit seiner ganzen Kraft. Wenn ich zu dir reite, so heißt mein Roß die Sehnsucht, und wenn ich als Sieger zu dir heimkehre und den Feind zu Boden geschlagen habe –«

      » Wenn du heimkehrst!« rief sie angstvoll. »Der Bischof ist ein tückischer Feind, und er ist vielleicht noch nicht dein schlimmster. Fürchtest du nicht die Rache der Äbtissin?«

      »Eines Weibes Rache!« sprach er verächtlich, »eine Nadel gegen einen geharnischten Mann!«

      »Von Weibes Rache wird viel in Liedern gesungen,« erwiderte sie träumerisch. »Albrecht, bist du deines Sieges wirklich so sicher?«

      »Ich war nie so stark gerüstet wie diesmal!«

      »Dennoch sehe ich Wolken auf deiner Stirn. Albrecht, laß ab von dem furchtbaren Kampfe, bei dem du alles wagst und wenig gewinnen kannst!« Sie umschlang seinen Nacken, streichelte ihm das lange, blonde Haar und die gebräunten Wangen und blickte ihn so bang und innig flehend mit ihren blauen Augen an, daß es ihm seltsam zu Herzen ging.

      Auch um seinen Mund spielte ein schwermütiges Lächeln, als er sie nun mit starken Armen umfing. »Törichtes Kind!« sprach er zärtlich, »du machst mir ja Schwert und Lanze stumpf mit deinem Liebesglück! Ich will an dich denken, wenn es Mann gegen Mann geht.«

      »Wenn du das tätest, so bliebest du bei mir,« entgegnete sie schnell.

      »Soll ich vor unserm künftigen Sohne einmal die Augen niederschlagen, wenn er mich nach dem Erbe seiner Mutter frägt?« sagte Albrecht in aufwallender Kampfeslust.

      Oda barg errötend ihr Antlitz an seiner Brust und antwortete nicht.

      »Ich bringe dir den Schlüssel zum Falkenstein mit, meine Oda!« fügte er freudig hinzu. »willst du den nicht haben?«

      Sie schüttelte

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