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habt ja noch Brüder, Herr Graf,« erwiderte Bock. »Wir stehen alle in Gottes Hand; aber ich dachte, ich dürfte es Euch nicht verschweigen.«

      »Nein, du treuer Freund, das durftest du nicht,« sprach der Graf. »Wir wollen auf unserer Hut sein. Sage niemand, was du gesehen hast, auch Eilika nicht, hörst du?!«

      »Nein, Herr Graf! Niemand soll es erfahren,« gelobte Bock und legte seine Hand in die des Grafen.

      »Verrate durch kein unbedachtes Wort, keine noch so entfernte Andeutung, daß wir etwas zu fürchten hätten,« fuhr der Graf fort. »Tu, als wäre nichts geschehen, wähle dir deine Behausung hier, richte dich ein nach deinem Gefallen und sage mir, wann du mit deiner Eilika in Michaelstein am Altar knien willst.«

      Bock nickte bloß und ging schweigend ab. Aber nun war er nicht in der Stimmung, vor Eilika zu treten und seine Liebeswerbung bei ihr anzubringen. Kopfhängerisch schlich er umher, machte sich bald hier, bald dort zu schaffen, wo er jetzt eigentlich nichts zu suchen hatte, und fand nirgends Ruhe. Mehr als einmal begegnete ihm Eilika, die ihm heute recht absichtlich in den Weg zu laufen schien und ihn dabei stets mit fragenden und vorwurfsvollen Blicken ansah. Schon zu Weihnachten hatte sie seinen Antrag erwartet, hoffte nun heute, am Neujahrstage, mit aller Bestimmtheit darauf und wurde von Stunde zu Stunde betrübter, als er noch immer keine Anstalt machte, das entscheidende Wort zu sprechen. Zu Mittag war er der geladene Gast des gräflichen Paares, und zu seiner Verwunderung und Freude war Graf Albrecht heiter und wohlgemut und scherzte mit seiner Gemahlin und seinem ritterlichen Dienstmann in der gewohnten Weise, als wäre die Meldung des letzteren vom Umgehen des Tempelherrn aus seinem Gedächtnis völlig entschwunden.

      »Nun, Bock, wie steht es?« frug ihn der Graf froh gelaunt, »hast du das Schlößlein erstürmt, und ist die Brücke gefallen? oder mußt du vor deiner Spröden erst noch einige Zeit lagerhaftig werden?«

      »Noch bin ich nicht Sturm gelaufen, Herr Graf,« erwiderte Bock verlegen.

      »Ja, worauf wartest du denn nicht, du blöder Knabe?« lachte der Graf. »Ist das Regenstein'sche Art, sich vor dem Feinde zu fürchten und nicht zuzugreifen, wo gute Beute winkt?«

      »Kommt, trinkt Euch Mut, lieber Ritter!« lächelte Oda und füllte ihm den Becher mit feurigem Weine. »Auf Eilikas Wohl! und wenn mich nicht alles täuscht, so wird der Kampf so heiß nicht werden.«

      »Wenn du aber Hilfe brauchst, Bock, so sag' es nur,« fügte der Graf hinzu, »mich hast du immer an deiner Seite.«

      »Ich denke, den Strauß bestehe ich noch allein, Herr Graf,« erwiderte Bock und tat einen tiefen Zug aus seinem Becher.

      Als das heitere Mahl beendet war, und Graf und Gräfin den Saal verließen, blieb Bock allein noch sitzen und blickte gedankenvoll vor sich hin.

      Nach kurzer Zeit trat Eilika mit einem frisch gefüllten Kruge herein und sprach: »Herr Ritter, die Frau Gräfin schickt Euch hier noch einen Krug Wein; Ihr hättet es heute besonders nötig, sagte sie, und ich sollte Euch solange Gesellschaft leisten, bis er leer wäre.«

      Da erhob sich der Held in seiner ganzen Länge, glättete sich das zimmetbraune, ledergestickte Feiertagswams, strich sich den Schnurrbart rechts und links von den Lippen und begann feierlich: »Herzliebste, holdseligste Jungfrau! Duftige Blume am dornigen Wege meines Lebens, blinkendes Sternlein am Himmel meiner einsamen Nächte! Der Augenblick ist gekommen, in welchem mein Herz den Helmsturz aufschlägt, um Euch mit den zärtlichsten Gefühlen, mit denen es von Kopf zu Fuß geharnischt und gepanzert ist, ebenso sanft wie unerschrocken entgegenzutreten. Euch ist gewiß längst unverborgen, hochachtbare Jungfrau Eilika, daß ich von der heftigsten Liebe zu Euch entzündet bin, und wie das Schlachtroß seinen Reiter nur noch den einen unbesiegbaren Gedanken trage, Euch mit Leib und Seele, mit Haut und Haar mein eigen zu nennen. So beuge ich denn hier in geziemender Weise das Knie vor der Dame meines Herzens und tue die dienstliche Bitte und höfliche Anfrage, ob Ihr, tugendsame Jungfrau, als mein ehelich und ritterlich Gemahl den Platz an meiner rechten Seite einnehmen, mich lieben und ehren wollt, wie ich Euch liebe und ehre, und mit ewiger Treue im Diesseits und im Jenseits bei mir ausharren wollet.«

      Er war vor ihr niedergekniet, streckte ihr die Hand entgegen und sah sie mit einem seiner bohrenden Blicke an, den er, den Kopf etwas schief haltend, durch eine schmachtende Zärtlichkeit und ein süßes Lächeln so verführerisch wie möglich zu machen versuchte. Sie hatte ihn mit einem zur höchsten Freude verklärten Angesicht ruhig aussprechen lassen.

      Nun nahm sie seine Hand und sprach mit züchtig niedergeschlagenen Augen in einem zierlichen und verbindlichen Tone: »Hochedler Herr Ritter! ich fühle mich durch Euren höflichen und dankenswerten Antrag dermaßen geehrt und gerührt, daß mein entzücktes Herz das Geständnis seiner brennenden Liebe zu Euch nicht länger zurückzuhalten vermag. Ich beantworte Eure sanftmütige Frage mit einem ebenso unerschrockenen Ja! ich will Euch dienstlich und huldvoll mit Leib und Seele, mit Haut und Haar zu eigen sein, Euch als meinen ritterlichen Herren und Gemahl lieben und ehren mit grenzenloser Hingebung und Treue bis an Eures Lebens Ende.«

      »Ich danke Euch, liebwerteste Jungfrau,« erwiderte er schwärmerisch; »gebe Gott und die lieben Heiligen, daß Ihr es niemals bereuet! Schenket mir jetzt den bräutlichen Kuß als unverletzliches Siegel unseres feierlichen Gelöbnisses.«

      Sie umschlang ihn und küßte ihn auf den Mund. Dann erhob er sich von den Knien, hielt sie aber in seinen Armen fest, und sie schmiegte sich innig an seine sie weit überragende Gestalt.

      »Nun bist du mein Bräutchen, liebe Eilika!« lispelte er und zwinkerte mit verliebten Augen. »Bist du denn auch recht glücklich?«

      »O mein – ja, wie nenn' ich Euch denn, mein lieber –«

      »Du! Du! Dich! nicht mehr Euch!« unterbrach er sie.

      »Also du, du herzlieber Mann,« lächelte sie, »wie heißt du denn?«

      »Wie ich heiße?«

      »Ja, wie ich dich nennen soll, wie dein Rufname ist, meine ich.«

      Da blickte er sie ganz erschrocken an und faßte sich mit der Hand nach der Stirn. »Daß dich der Bock stößt!« rief er aus, »ich weiß es nicht, ich habe meinen Namen vergessen! seit dreißig Jahren wohl habe ich ihn nicht gehört, ich kann mich nicht mehr darauf besinnen, und hier weiß ihn niemand.«

      »Ja, was machen wir denn da?« frug Eilika lachend. »Bock mag ich dich nicht rufen; so werde ich dich wohl noch einmal taufen müssen.«

      »Nein, nein, warte mal!« sprach er in seinen Gedanken suchend. »Ich habe da unter meinen hundert kleinen Erinnerungsstücken ein altes Breviarium, das mir meine Mutter – Gott hab' sie selig! – hierher nachgeschickt hat, als sie hörte, daß ich auf dem Regenstein Dienste genommen hätte. Dahinein hat sie von einem Mönche einen frommen Spruch und meinen Namen schreiben lassen. Komm, mein Herz! komm mit nach meiner Klause, wir wollen es suchen; aber freilich –« er stutzte plötzlich und sah Eilika mit einem zagenden, fragenden Blicke an – »ich kann nicht lesen.«

      »Aber ich!« jubelte Eilika, »komm!«

      Nun gingen sie beide Arm in Arm über den Burghof zu Bocks Behausung, und sie gingen sehr langsam und blickten stolz erhobenen Hauptes nach rechts und links, ob sie auch wohl als neu verlobtes, glückliches Paar gesehen würden. Vor dem Weichhause, in welchem sich Bocks Felsenkemenate befand, sagte er: »Warte hier, meine geliebte Eilika! es geziemt sich nicht für eine jungfräuliche Braut, das Gemach eines ledigen Mannes und gar ihres Bräutigams zu betreten; ich hole das Büchlein heraus.«

      Sie lächelte verschämt und schritt, während er im Innern des Hauses verschwunden war, auf dem glitzernden Schneepfade auf und nieder. Bald kam er zurück und brachte das Buch.

      »Hier ist es!« rief er erfreut, »nun lies mir vor, wie ich heiße!«

      Eilika schlug den Deckel auf und las. Dann warf sie, sich auf den Zehen hebend, die Arme um seinen Hals und jauchzte: »Benjamin heißt du!«

      »Benjamin!« wiederholte er schmunzelnd, »richtig! Benjamin heiß ich! und das Sprüchlein?«

      »Das

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