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verschlossenes Buch mit sieben Siegeln. Als ihr aber beide heut in unserem Kreuzgang an der Gruft Siegfrieds knietet, da hat mich der allbarmherzige Gott noch einen besonderen Blick in eure Herzen tun lassen. Ich habe Trauer und Schmerz darin gesehen, aber auch ein tief Verzagtsein und bittere Zweifelsnot, ob der Allgütige euern Bund mit gnädigen Augen ansehe, oder ob er sein Angesicht von euch wende um dessentwillen, für dessen Seelenruhe ihr gebetet habt. Ich weiß es, ihr seid beide rein von Schuld; darum will euch der Herr durch meinen schwachen Mund von allem Kleinmut und von aller Angst erlösen, auf daß ihr in dieser vergänglichen Zeit in keinerlei Wirrnis fallet, sondern ein wohlgefällig und treulich Leben in Gottvertrauen, in christlichen Freuden und in Hoffnung auf die ewige Seligkeit führen könnt bis an euer selig Ende. Mit diesem heiligen Zeichen segne ich euch den Frieden eurer Seelen und nehme von euch heut und immerdar, was eure Herzen bedrückt und beladen hat. Ruhe den Toten, Trost den Lebendigen und ein glückseliges Wiedersehen im ewigen Jenseits! Amen!«

      So sprach der gute, weise Abt und machte Albrecht und Oda, die sich in Demut vor ihm beugten, das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn. Albrecht führte die Hand des greisen Freundes an seine Lippen, und Oda küßte ihm den nackten Scheitel; dann ruhte Blick in Blick und Mund auf Mund, und mit freiem, frohem Herzen gingen die beiden den Weg ihres Glückes. –

      Am dritten Tage nach Absendung ihrer Botschaft an ihn wurde der Äbtissin der Besuch des Bischofs Albrecht von Halberstadt gemeldet. Das rüttelte sie wie ein Donnerschlag aus ihrer Teilnahmslosigkeit auf, in die sie bei verschlossenen Türen völlig versunken war. »Willkommen!« rief sie der Kammerfrau zu und war mit einem Male Feuer und Flamme. Den ersten Schritt hatte sie getan, jetzt durfte sie auch vor dem zweiten nicht zurückbeben.

      Der Bischof trat ein, und kein Zug in seinem undurchdringlichen Gesichte verriet etwas von der Siegeshoffnung, womit er sich in seinem Innern trug.

      »Heil und Segen Euch und alles Liebes genug, erlauchte Domina!« sprach er in einem etwas salbungsvollen Tone.

      »Euer Gruß klingt wie Spott, hochwürdigster Herr!« entgegnete sie bitter.

      »Man spottet nicht über ein gebrochenes oder doch gebeugtes Herz,« gab er zur Antwort.

      »Mein Herz ist weder gebrochen noch gebeugt, aber es ist empört und –«

      »Und schreit nach Rache,« fiel er ihr ins Wort; »das glaub' ich Euch.«

      Die Äbtissin schwieg und deutete, selber Platz nehmend, mit der Hand nach einem Sessel.

      »So wären wir denn auf demselben Flecke, auf dem wir schon einmal waren,« fuhr der Bischof sitzend fort. »Nur ist ein großer Unterschied zwischen jetzt und damals, als Ihr bei mir in Halberstadt waret. Ich bot Euch an, Eure Sache gegen den Grafen zu führen, und damals war noch Zeit und Gelegenheit, ihn zu allem zu zwingen, was Ihr wolltet. Aber Ihr wieset das sehr streng zurück, wolltet ihn warnen und schützen und habt das ja auch zuguterletzt mit dem besten Erfolge getan. Trotzdem ich ihn niedergeworfen und gebunden in Eure Hände geliefert, –«

      »Ihr?« unterbrach ihn die Äbtissin.

      »Wer sonst als ich?« entgegnete der Bischof. »Wer hat zuerst den Kampf mit ihm begonnen? Wer hat seine Feinde in Blankenburg und Wernigerode geworben und geschürt? Wer hat das Bündnis der Städte gegen ihn geschlossen, den Grafen von Falkenstein aus dem Schlafe geweckt, den Quedlinburgern zur rechten Zeit Hilfe geschickt, die ihm in den Rücken fiel und ihn im Hackelteiche fing? Wer hat ihnen den Rat gegeben, das Fürstengericht anzurufen und von den hochgeborenen Schöffen vor dem Gericht und im Gericht seinen Tod gefordert? Das alles, gnädigste Domina, habe ich getan. Aber Euch gefiel es, den Schutzengel des Grafen zu machen; Ihr habt große Worte für ihn gesprochen, seid für ihn vor den Kaiser geritten, habt überall meine Pläne gekreuzt und unseren Feind gerettet und befreit. Nun seht, wie er Euch seine Rettung dankt!«

      Aus der wogenden Brust der Äbtissin rang sich ein schwerer Seufzer.

      »Und hättet Ihr ihn noch für Euch selber gerettet!« fuhr der Bischof fort. »Warum habt Ihr unter die Bedingungen nicht die geheime Klausel gemischt, daß er nur dann Leib und Leben retten könnte, wenn Ihr die Herrin des Regensteins würdet?«

      »Weil ich ihm traute,« sprach Jutta mit verbissener Wut.

      »Weil Ihr ihm trautet und mir nicht!« versetzte der Bischof. »Ja, sagt mir doch, Domina, hattet Ihr ein Wort von ihm, worauf Ihr bauen konntet?«

      »Nichts, nichts,« erwiderte sie.

      »Und trautet ihm doch,« höhnte der Bischof.

      »Das tat mein leichtgläubiges Herz,« sprach die Äbtissin. »Und er hatte mir gesagt, daß er Oda seinem Bruder Siegfried zum Weibe bestimmt habe.«

      »Aber als Siegfried gefallen war –«

      »Gefallen, Herr Bischof?« sagte die Äbtissin. »Wenn nun Graf Albrecht seinen Bruder in den Tod gehetzt hätte?«

      »Könnt Ihr das beweisen?« frug der Bischof.

      »Nach gewissen Andeutungen aus seines eigenen Bruder Bernhards Munde –«

      Der Bischof schüttelte das Haupt. »Eine Hypothese, weiter nichts! dabei können wir ihn nicht fassen.«

      »Faßt ihn, wobei Ihr wollt, aber er darf nicht schwelgen in seinem Glücke!« rief die Äbtissin.

      »Er hat es teuer bezahlt,« sprach der Bischof, »und es ist zu spät, es ihm wieder zu nehmen. Er ist uns entschlüpft durch Eure Schuld und wird sich nicht zum zweiten Male fangen lassen.«

      »Teuer erkauft?« spottete die Äbtissin. »Seine Macht ist ungebrochen. Die Schirmvogtei war nur ein Ehrgeiz von ihm, hat ihm mehr Ärger als Freude bereitet, seine Kraft mehr geschwächt als gestärkt. Und glaubt Ihr, daß er Ruhe halten wird? Meint Ihr etwa, daß er Euch ungestört in dem Erbe seines Weibes sitzen, den Falkenstein in Euren Händen lassen wird? Wenn der Frühling ins Land kommt, wird Euch auch der Raubgraf über den Hals kommen. Denkt Ihr, er wüßte nicht, wem er alle diese Kämpfe, seine Niederlage, seine Demütigung zu danken hat? Ihr habt es mir soeben an den Fingern vorgerechnet, und glaubt mir, er rechnet es Euch sehr genau nach! Er vergißt Euch nicht, daß Ihr seinen Tod gefordert habt, was Euch allerdings jetzt leid zu tun scheint. In Euch sieht er seinen gefährlichsten Feind, von dem er nie und nimmer ablassen, den er bedrohen und bedrängen und verfolgen wird bis aufs Blut. Schon einmal hat er es zuwege gebracht, daß Ihr von Eurem Bischofssitze schmählich fliehen mußtet; das nächste Mal setzt er Euch nach, und kommt Ihr in seine Gewalt, so rettet Euch nicht Kaiser und Papst. Ihr seid jetzt keine Stunde mehr Eures Lebens sicher, – das bedenket, Herzog Albrecht!«

      Der Bischof hatte, in den Sessel zurückgelehnt, der in leidenschaftlicher Erregung auf ihn Einredenden ruhig zugehört und sie dabei unverwandt angesehen. Jetzt sagte er mit einem eigentümlichen Lächeln um den sinnlichen Mund: »Eure Worte schmeicheln meinem Ohre wie Gesang und Saitenspiel. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß Gräfin Jutta von Kranichfeld noch einmal in Sorge um mein armes, liebeleeres Leben zittern würde. Ich danke Euch aus gerührtem Herzen, vielschöne Domina! aber wie meint Ihr denn, daß dem allen, was Ihr fürchtet, vorzubeugen wäre?«

      Sie erhob sich rasch mit dem Ausdruck von Unwillen im Gesicht, daß er sie nicht verstehen wollte. »Wenn Ihr es nicht wißt,« sprach sie kalt, »ich weiß es auch nicht.« Dann schritt sie heftig auf und nieder.

      Der Bischof erhob sich ebenfalls, trat ihr in den Weg und sagte: »Sprecht es aus, Gräfin Jutta! Was verlangt Ihr?«

      Sie hielt seinen tiefen Blick eine Weile aus, als besänne sie sich. »– Nichts!« antwortete sie dann und schritt an ihm vorüber.

      Da griff er in die Tasche seines langen violetten Gewandes, holte ihren Zettel daraus hervor, entfaltete ihn und las mit besonderem Nachdruck: »Rächet mich und fordert!« Dann blickte er sie wieder fragend an.

      »Gebt her!« sprach sie schnell danach greifend, »in die Flammen damit! es war eine Torheit. Ihr seid ein anderer geworden, als Ihr im Sommer waret.«

      »Mit nichten, gnädige Domina!« erwiderte er lächelnd und den Zettel wieder einsteckend. »Ich vollziehe

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