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hatte. Er nahm ihn am heiligen Abend einmal beiseite und raunte ihm lächelnd etwas zu, worauf ihm Bernhard fröhlich und herzlich die Hand schüttelte. Reginhild bemerkte es und schnell herzutretend hörte sie Albrecht noch sagen: »Wir wollen ihn Siegfried nennen.« Da lief sie schnell zu Oda und umschlang die Errötende, innige Wünsche flüsternd.

      So ging dieses ereignisreiche Jahr seinem Ende entgegen, und was es auch an Lust und Leid gebracht hatte, es ließ das Regenstein'sche Geschlecht nach überstandener schwerer Niederlage in einer gesegneten, noch nie erreichten Machtfülle, im Glanze eines weithin strahlenden Ruhmes und mit einer hocherfreulichen Hoffnung zurück.

      Albrecht und Oda waren wieder allein und verbrachten die letzten Stunden des ablaufenden Jahres am Kaminfeuer, sowohl rückwärts wie vorwärts schauend und sich freundliche Bilder auf den dunkeln Grund der Zukunft malend.

      In dem großen Weichhause der Vorburg hielten die Reisigen und Knechte einen Sylvestertrunk, und Bock von Schlanstedt führte den Vorsitz dabei. Die Schar war etwas kleiner geworden, denn mancher fehlte von denen, die im Herbste mit ihrem Herrn nach Quedlinburg gezogen waren, und während der Winterruhe wollte man keine neuen Kriegsleute anwerben; das hatte Zeit bis zum Frühjahr, wenn das Fehdereiten wieder anfing. Auch die böse Sieben war nicht mehr vollzählig; Gutdünkel und Feuerlein waren im Kampfe geblieben, und Bock hatte nur noch vier seiner Getreuen um such. Die Bezeichnung ›böse Sieben‹ hätte keinen Sinn mehr gehabt, und weil es ihm selber gerade noch soviel waren wie Finger an seiner Hand, so hatte er sich mit seinen vier Auserwählten den Namen ›die rauhe Hand‹ beigelegt.

      Der tapfere Ritter war heute besonders aufgeräumt, denn morgen, am Neujahrstage, wollte er seinen Herrn um Erlaubnis bitten, Eilika freien zu dürfen, und dann seine feierliche Werbung bei ihr selber anbringen. Um bei diesen wichtigen Geschäften nicht einen schweren Kopf zu haben, brach er gleich nach Mitternacht, nachdem das neue Jahr fröhlich begrüßt war, aus dem Kreise der lärmenden Zecher auf und begab sich nach seiner im östlichsten Teile der Burg belegenen Kemenate.

      Es war eine klare Winternacht; der Mond schien, und der Schnee glänzte, so daß es sehr hell war; hie und da zogen kleine weiße Wölkchen am Himmel. Bock ging ruhig seines Weges über den oberen Burghof und dachte an die wohlgesetzten Reden, die er morgen halten wollte. Er hoffte, Graf Albrecht würde ihn mit seiner Angetrauten als Vogt auf eine Burg setzen; aber auch auf dem Regenstein war für das neue Pärchen noch Raum genug. Diesem schmeichelnden Gedanken nachhängend blieb er stehen und schaute sich lächelnd um, als wollte er sich in den Häusern und Felsenbauten das Plätzchen aussuchen, wo er am liebsten mit Eilika unterschlupfen möchte.

      Wie er so zum Palas emporblickt und über den Palas hinweg, da – barmherziger Gott! was ist das?! Da oben auf dem Felsen bewegt sich etwas, wallt und schwebt langsam dahin, eine weiße Menschengestalt habt sich klar vom dunklen Himmel ab, – der Tempelherr ist es! der Tempelherr zeigt sich und geht um in der ersten Nacht des neuen Jahres! Welche Gefahr, welches Unheil, welche Schreckenstat will sein gespenstisches Bild dem edlen Grafenhause verkünden?

      Dem Ritter grauste; wie angewurzelt stand er, den Blick zu der schwebenden Gestalt emporgewandt. Ihn kam die Lust an, den Felsen zu ersteigen, sich dem nachtwandelnden Geiste kühn in den Weg zu stellen und ihn zu befragen. Schon hob er den Fuß zum ersten Schritte, da fiel ihm ein, daß er sein Schwert nicht bei sich hatte, und nicht bedenkend, daß ihm dasselbe bei einer solchen Begegnung wenig nützen würde, wagte er es nicht, der Spukgestalt waffenlos gegenüberzutreten. Er rührte sich nicht und hielt den Atem an, als fürchtete er, das Gespenst dort auf der Höhe mit dem leisesten Geräusch oder der geringsten Bewegung zu verscheuchen. Jetzt stand es eine geraume Weile regungslos auf der obersten Felsplatte und schien nach einem bestimmten Punkte im Lande zu spähen, der in der Richtung über Derenburg nach dem Huy liegen mußte. Was mochten seine Geisteraugen dort erblicken, daß sie so lange Zeit auf der einen Stelle hafteten? Sah es von dorther das Unglück kommen, das dem Grafenhause drohte? Nach langem Hinschauen immer nach dem einen Punkte bewegte sich's wieder, schwebte den Stufen zu, die vom Felsen herabführten, und wie sich die Gestalt nun nicht mehr gegen den freien Himmel zeichnete und der weiße Mantel auf dem Untergrund des Schnees zerfloß, war die Erscheinung Bocks Augen plötzlich entschwunden.

      Quälende Sorgen und beängstigende Träume umringten in dieser Neujahrsnacht Bocks einsames Lager in seiner Felsenklause, und wenn er morgen mit der Bitte um Gestattung seines Liebesglücks vor seinen Herrn trat, so geschah es zwar nicht mit schwerem Kopfe, aber mit einem desto schwereren Herzen. Er fragte sich sogar, ob es unter diesen Umständen nicht seine Pflicht wäre, das Heiraten aufzugeben, um alle seine Aufmerksamkeit, Zeit und Kraft ungeteilt seinem von Unheil bedrohten Herrn zu widmen. Nicht aus den Augen lassen wollt er ihn und seine Gemahlin fortan, und von einem Anderen Wohnsitze als dem Regenstein konnte keine Rede mehr sein. Zweifelhaft war ihm, ob er dem Grafen von dem Erscheinen des Tempelherrn Mitteilung machen sollte oder nicht. Es tat ihm in der Seele weh, seinem geliebten Herrn die sonnenhellen Tage seines jungen Glückes durch die schreckliche Kunde verdüstern und ihm damit die nie schlafende Sorge heraufbeschwören zu sollen vor einem grausenhaften Ereignis gänzlich unbekannter Art, das im Finstern lauerte, jede Stunde mit erschütternder Gewalt die Ungeschützten überfallen oder in aufreibender Angst und Pein noch lange auf sich warten lassen konnte. Nach gründlicher Erwägung des Für und Wider sah er jedoch ein, daß er dem Grafen das Gesehene nicht verheimlichen durfte, damit dieser, gewarnt, sich in allen seinen Schritten einiger Vorsicht befleißigte.

      Als er nun am Neujahrsmorgen dem Grafen sein Anliegen vorgetragen hatte, gab dieser sofort und von Herzen gern seine Einwilligung und sagte lachend: »Hat sie dich alten Junggesellen also doch noch herumgekriegt? Nun, so tut euch in Gottes Namen zusammen, meinen Segen habt ihr! Suche dir selber den Platz aus, wo du mit deiner Herzallerliebsten hausen möchtest, und wenn es die Lauenburg wäre!«

      »Herr Graf,« erwiderte Bock sehr ernst, »ich gehe nicht vom Regenstein fort; wir wollen uns mit Eurem Verlaub schon einrichten hier.«

      »Du willst nicht Burgvogt werden?« frug der Graf erstaunt. »Ei, Bock, ich hätte dir mehr Ehrgeiz zugetraut.«

      »Ich verlasse Euch nicht, und Ihr werdet mich brauchen, Herr Graf,« sagte Bock.

      »Das hoff' ich,« entgegnete der Graf. »Denkst du, ich werde dich zu Hause lassen, wenn wir im Frühjahr gegen den Bischof ziehen? wir müssen ihm ja den Falkenstein nehmen, wenn er ihn nicht gutwillig hergibt.«

      Bock schüttelte das Haupt und seufzte.

      »Was hast du, Bock?« frug der Graf, ihn scharf anblickend. »Du siehst mir nicht aus wie ein glücklicher Bräutigam.«

      »Bin ich auch nicht,« sprach Bock finster. »Herr Graf, ich habe Schlimmes zu melden. – Der Tempelherr hat sich gezeigt.«

      Graf Albrecht sprang vom Sessel auf. »Der Tempelherr hat sich gezeigt? wann?»

      »Diese Nacht, oben auf dem Felsen.«

      »Wer will ihn gesehen haben?«

      »Ich selbst,« erwiderte Bock. »Als ich kurz nach Mitternacht von der Vorburg nach meiner Klause ging, habe ich ihn gesehen, wie er auf dem Felsen wandelte und von der Höhe in das Land schaute nach dem Huywalde zu; hätte ich mein Schwert bei mir gehabt, so hätte ich ihn gestellt.«

      »Warst du auch bei klaren Sinnen, Bock?« frug der Graf.

      »So klar wie ich hier vor Euch stehe, und die Nacht war von Schnee und Mondschein tageshell,« erwiderte Bock.

      Der Graf starrte eine Weile in düsterem Schweigen vor sich hin und sprach dann: »Kurz nach Mitternacht war es, sagst du, also auf der Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Jahre. Bedeutet nun das Umgehen des ruhelosen Geistes eine Klage über vergangenes Leid oder eine Drohung mit zukünftigem Unheil?«

      Bock zog die Schultern hoch. »Es heißt doch, er ließe sich nur hören oder sehen, wenn Trauriges bevorsteht,« erwiderte er. »Er rumorte im Verlies auch an dem letzten Abend vor unserem Ritt zur Quedlinburger Fehde, und wer weiß, ob er nicht in der Nacht umgegangen ist, ehe Graf Siegfried fiel.«

      »Du willst sagen, Bock, der Tempelherr verkündete meinen Tod?« sprach Graf Albrecht.

      »Es

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