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Unterwerfung fordert und gefallsüchtig von früh bis spät umschmeichelt sein will, ist sie sicher nicht. Ihre Augen freilich, die sind gefährlich, — mir gefährlich? Ach ich bin gepanzert mit dreifachem Erz. Wenn aber nun —«

      Es klopfte.

      »Seid Ihr es, Folkmar?«

      »Jawohl, Herr Ritter, die Frau Gräfin lässt zu Tische bitten,« klang es durch die Tür zurück.

      »Ich komme sogleich.«

      Der Tisch stand im Speisesaale gedeckt, nur die Speisen und das Getränk nebst den Trinkgeschirren fehlten noch darauf. Daher empfing Gräfin Gerlinde den neuen Burgbewohner mit den Worten:

      »Ein wenig müssen wir uns noch gedulden, Herr von Repgow, und ich will Euch unterdessen mit unserer gewohnten Zeiteinteilung bekannt machen. Das Morgenbrot wird Euch Melissa, meine Gürtelmagd, in Euer Gemach bringen zu jeder Stunde, die Ihr bestimmen werdet. Zu Mittag essen wir, wann die Sonne am höchsten sieht, und abends so wie heute. Im Übrigen seid Ihr völlig frei und an nichts gebunden. Ist Euch das recht so?«

      »Edle Frau, Ihr habt zu befehlen, ich bin mit allem zufrieden. Jeglicher Ordnung, die in diesen Mauern herrscht, werde ich mich willig fügen und mit Freuden Euren leisesten Winken gehorchen,« erwiderte Eike sich ritterlich verneigend und der Gräfin die Hand küssend.

      »Das heißt,« fiel Graf Hoyer ein, »wenn du in der Zwischenzeit einmal Hunger verspürst, legst du ihn meiner Frau ans Herz, und sooft dich Durst anwandelt, wendest du dich an mich, Eike; ich habe Verständnis für dergleichen Gefühle.«

      »Aber auch Ihr müsst das richtig verstehen, Herr Ritter,« fügte die Gräfin schalkhaft hinzu. »Euer Durst wird meinem Gemahl stets ebenso willkommen sein wie sein eigener, schon der guten Gelegenheit wegen, mittrinken zu können.«

      »Sonst darf ich’s nämlich nicht, denn sie erlaubt mir selten einen biederen Trunk außer der Reihe,« lachte der Graf. »Wenn ich aber einen Genossen dabei habe, dem ich mit dem Becher Bescheid tun muss, drückt sie ein Auge zu.«

      »Beide!« sprach die Gräfin nachdrücklich mit einem Seufzer, der etwas Drolliges hatte. »Ah, da kommt unsere Mahlzeit,« rief sie gleich darauf vergnügt, als sich die Tür öffnete.

      Folkmar trat ein, aber mit leeren Händen.

      »Folkmar, du bringst weniger als nichts, du bringst etwas Unangenehmes,« sagte der Graf stirnrunzelnd. »Was ist geschehen?«

      »Herr Graf, der Ritter Dowald von Ascharien ist soeben angekommen,« meldete der Diener mit einem Gesicht, so grämlich wie drei Tage Regenwetter.

      »Dass dich der Donner und Hagel erschlag'!« brauste der Graf zornwütig auf. »Ist denn die Zugbrücke noch nicht aufgezogen?«

      »Goswig wollte es eben tun, da war aber der Ritter mit seinem Rosse schon mitten darauf.«

      »Was? Zu Rosse ist er? Aus wessen Stalle mag er sich das wohl geliehen haben! Denn geschenkt hat es ihm niemand und verkauft erst recht nicht,« brummte der Graf. »Und heute just! Dass er uns gerade heut’ auf den Hals kommen muss! Wo steckt er denn nun?«

      »Er bittet, sich erst umkleiden zu dürfen, ehe er vor den Herrschaften erscheint, denn so wie er wäre, könnte er sich nicht zeigen,« erwiderte Folkmar.

      »Das will ich ihm unbesehen glauben; es wird mit seiner Ausstaffierung schäbig genug bestellt sein,« höhnte der Graf. »Schaff’ ihn in das kleine Turmgemach und hilf ihm, brauchst dich aber damit nicht zu beeilen. Melissa mag uns inzwischen bedienen, denn warten werden wir auf den alten Schmarotzer nicht, und sie soll nun die gewöhnlichen, zinnernen Becher aussetzen.«

      Des Grafen Freude war zerstört, seine gute Laune dahin.

      »Dieser Dowald von Ascharien,« wandte er sich zu Eike, der das alles staunend mit angehört hatte, »ist ein fahrender Ritter, ein edles Blut, das wenig hat und viel vertut. Er nennt sich einen Vetter des Fürsten von Anhalt, mit dem er aber nur sehr weitläufig versippt ist und vor dem er sich seines verworfenen Umhertreibens wegen nicht blicken lassen darf. Er besaß früher einen kleinen Hof bei Aschersleben, der ihm jedoch längst abgepfändet worden ist, hat nicht Hind, nicht Kind, ist ein unleidlicher Schwätzer, bis über die Ohren verschuldet und kriegt nirgend mehr einen Heller geborgt. Nun brandschatzt er alle Burgen im weitesten Umkreise, pokuliert und prahlt mit den unglaublichsten Abenteuern, in denen er selbst stets den siegreichen Helden spielt.

      Daneben behauptet er, überall eingeladen zu sein, aber wer sein Nahen wittert, lässt schnell die Brücke ausziehen und verleugnet sich vor ihm, denn wo er sich einmal zu Labe und Ruhestatt eingenistet hat, da wird man ihn sobald nicht wieder los.«

      Graf Hoyer wäre in dieser wenig schmeichelhaften Schilderung noch fortgefahren, wenn der so übel Beleumundete jetzt nicht geräuschvoll in den Speisesaal eingetreten wäre, wo sich die drei bereits zu Tische gesetzt hatten. Während er fast stürmisch die Gräfin überfiel, die seinen sprudelnden Wortschwall sehr gelassen hinnahm, flüsterte der Graf, mit einem tadelnden Seitenblick auf den achselzuckenden Diener, Eike zu:

      »Das nennt er sich umkleiden! Einen Rock von mir hat er angezogen, den ich nun niemals wiedersehe.«

      Dem Grafen schüttelte Ritter Dowald die Hand, als ob er sie gar nicht wieder loslassen wollte, und als er mit Eike die unumgängliche Begrüßung tauschte, betrachtete er diesen mit missfälliger Miene wie einen hier sehr Überflüssigen.

      Er war fast kahlköpfig mit einem roten, gedunsenen Gesicht, rechts und links lang starrendem, grauweißem Schnurrbart und von vierschrötigem Gliederbau. Ohne eine Aufforderung dazu abzuwarten, ließ er sich an dem inzwischen für ihn gedeckten Platze nieder und griff sofort nach allem gierig zu, was an Speise und Trank auf getragen war. Dabei sprach er so viel, dass niemand ein Wort dazwischen reden konnte, berichtete, von wannen er käme und dass man dort vergeblich alles aufgeboten, ihn noch länger zu halten; aber eine unbezwingliche Sehnsucht nach seinem lieben alten Freunde Hoyer hätte ihn hergetrieben, wozu der Graf ein sauersüßes Gesicht machte und die Gräfin ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken konnte.

      Auf diese ungemütliche Weise wurde den anderen der Abend verdorben, und ihr trauliches Beisammensein, auf das sie sich so gefreut hatten, ging ihnen durch die aufdringliche Schwatzhaftigkeit des ungebetenen Gastes, der stets seine eigenen, oft ziemlich gewagten Späße wiehernd belachte, verloren.

      Nach Verlauf von zwei langsam schleichenden Stunden hob Gräfin Gerlinde die Tafel auf, auch Graf Hoyer entschuldigte sich, und Eike schützte Müdigkeit von seinem Reiseritt vor, so dass dem Ascharier nichts übrig blieb, als für heute auf einen weiteren fleißigen Becherschwung zu verzichten und sich innerlich grollend in sein Turmzimmer hinauf zu begeben. Die drei wünschten ihm laut gute Nacht, heimlich aber etwas ganz Anderes.

      Viertes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Am nächsten Morgen machte sich Eike an das Auspacken seines großen Mantelsackes, und Wilfred, der ihm dabei helfen musste, staunte über die Menge umschnürter und mit Aufschriften versehener Bündel, die nach ihrem Inhalte reihenweise geordnet und in das Büchergestell gelegt wurden, damit man Gewünschtes ohne langes Suchen mit dem ersten Griffe herausfand. Das Staunen des Schreibers wurde aber noch überwogen von seinem Unbehagen angesichts der Fülle von Schriften und der Stöße von Papier und Pergament, die ihm ein bedrohliches Maß von zu leistender Arbeit weissagten. Dazu kam die seine Sorge noch verstärkende Frage Eikes, ob er auch wohl einen reichlichen Vorrat von Schreibsaft in Bereitschaft hätte.

      »Jawohl!« versicherte Wilfred mit leisem Stöhnen, »eine ganze Kruke voll, aus Galläpfeln, Wasser und Vitriol zusammengequirlt, kohlpechrabenschwarz wie der Teufel, vergilbt nicht, verlischt nicht, jedes Wort damit wie für die Ewigkeit geschrieben. Auch roten für die Initialen und Majuskeln. Tinte mischen und Eselshaut zu Pergament glätten habe ich in der Klosterschule gelernt.«

      »Und Pudeln eine Platte scheren auch, nicht wahr?«

      Wilfred,

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