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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Also wollte sie es darauf ankommen lassen, was sie von dem ihr bis jetzt durchaus wohlgefälligen Manne für Weisheiten vernehmen würde, und, falls er sie damit nicht zu fesseln vermochte, frühzeitig müde werden und vor seinen weitläufigen Auseinandersetzungen die Flucht ergreifen.
Die Schatten wurden länger und länger; im Tale herrschte tiefe Ruhe und ein alles Lebende hold beschirmender Friede. Die Sonne ging in Gold und Purpur zu Gnaden, und die Hitze des Tages wich allmählich einer angenehmen, leis' fächelnden Kühle, in der sich wonnig atmen ließ. Auch aus dem ganzen Bereiche der Burg, dem Hochbau, den Wohnräumen der Mannen und des Gesindes, dem Hof und den Ställen drang kein störendes Geräusch zu der ablegenen Empore, auf die sich die Herrin des Schlosses wie auf eine umhegte Freistatt gern zurückzog, wenn sie mit ihren Gedanken allein sein wollte.
Jetzt nahten Schritte und veranlassten die Einsame, die sich inzwischen einen Schemel an die Brustwehr gerückt hatte, umzuschauen. Folkmar und Melissa kamen mit allerhand Gerät die Stufen herauf, um hier den Tisch zum Abendessen zu decken. Folkmar stellte die selten in Gebrauch genommenen silbernen Pokale auf, was sicherlich nicht ohne den ausdrücklichen Befehl des Grafen geschah und seine Absicht verriet, der kleinen Tafelrunde einen etwas prunkhaften Anstrich zu geben. Dann brachte er auch eine hohe, silberne Weinkanne in einem kupfernen Kübel mit kaltem Brunnenwasser. Die Gräfin lächelte zu diesen ungewöhnlichen Vorbereitungen und dachte: ob Hoyer auch dem Koch heimlich Weisung gegeben hat, ein Festmahl anzurichten vor Freude, dass er den Ascharier so schnell wieder losgeworden ist? Nun, wenn die geistige Nahrung so gut ausfällt, wie die leibliche Verpflegung zu werden verspricht, — mir soll’s recht sein!
Bald hörte sie die beiden Herren in lebhaftem Gespräch durch den Garten daherkommen, erhob sich und winkte ihnen freundlich zu. Ein dickes Aktenbündel bringt der Herr Magister wenigstens zu seinem Vortrage nicht mit, sagte sie sich mit einem Gefühl der Erleichterung
»Haben wir warten lassen, Gerlinde?« fragte der Graf von unten herauf in offenbar fröhlicher Stimmung.
»Es ist alles bereit,« erwiderte sie, »aber ich wusste meine Ungeduld zu zügeln, so gespannt ich auch auf die Geheimnisse bin, die uns Herr von Repgow enthüllen wird.«
»Geheimnisse sind es nicht, gnädigste Gräfin, was ich Euch und dem Grafen von den Dingen, die mich beschäftigen, mitteilen kann, falls Ihr überhaupt etwas davon zu wissen begehrt,« versetzte Eike.
»Doch, Eike!« rief der Graf vergnügt, »ein noch ungeschriebenes und noch ungelesenes Buch ist immer ein Geheimnis für jedermann, ausgenommen den Autor.«
»Und ich bin in der Tat begierig, soviel davon zu er fahren, wie Ihr mir anvertrauen wollt und ich begreifen kann,« fügte die Gräfin hinzu.
»Letzteres wird nicht allzu viel werden,« lächelte der Graf. »Du musst dich auf die gelehrtesten Erörterungen gefasst machen.«
»Ich werde mich bemühen, so gelehrig wie möglich zu sein, gestrenger Herr Ehegemahl,« gab sie ihm mit einer schelmischen Verneigung zurück.
Sie gingen zu Tisch und nahmen Platz. Die Gräfin legte dem Gaste vor, und der Graf füllte aus der Kanne die silbernen Pokale. Dann erhob er den seinigen und sprach fast feierlich:
»Dies ist der erste Trunk, Eike, den ich dir auf das gute Gelingen deines Werkes zubringe. Möge es dir zum Ruhme und unserem Sachsenvolke zum Heil und Segen gereichen.«
Die drei Becher klangen aneinander, und die Blicke begegneten sich.
Darauf trat ein längeres Schweigen ein, aber nicht bloß von der Tätigkeit des Essens geboten, sondern mehr noch in der zurückhaltenden Erwartung jedes der drei, dass einer von ihnen mit der Behandlung des Gegenstandes beginnen würde, auf den es ihnen heute einzig und allein ankam.
Gerlinde war es, die den Bann endlich brach mit einer Aufforderung zum Reden an Eike, die so klang, als wäre die Besprechung schon im besten Gange.
»Sagt mir zuvörderst, Herr von Repgow,« hub sie an, »wie seid Ihr auf den kühnen Gedanken gekommen, ein neues Gesetzbuch zu schreiben?«
»Aus Entrüstung über unsern unerträglichen Rechtswirrwarr, aus Mitleid mit unserem armen Volke und aus dem unwiderstehlichen Drange, hier helfend und bessernd einzugreifen so viel ich, alle Kraft daran setzend, vermag,« gab ihr Eike zum Bescheide.
»Rechtswirrwarr sagt Ihr? Ist denn der so groß?«
»Zum Himmel schreiend, Frau Gräfin! Kein Mensch in ganz Sachsen weiß, woran er ist und an was er sich halten soll. Wenn ein Bauer die Grenzen seiner Dorfmark überschreitet, wenn ein Bürger einen Freund in einer benachbarten Stadt besucht, ein Lehnsmann zu Fuß oder zu Pferd den nächsten Gau betritt, so steht er sofort unter anderen Gesetzen als zu Hause und wird für sein Tun oder Lassen nach Rechten zur Verantwortung gezogen, die er nicht kennt, die seinen heimatlichen oft in der unverständlichsten Weise widersprechen, ihn Unrecht und Unbill dünken und ihn in unbewusste Schuld verstricken. Soviel Grafschaften, Städte und Dörfer wir haben, fast so viel grundverschiedene Rechte haben wir auch.«
»Das wusste ich nicht und kann es mir auch gar nicht vorstellen.«
»Es ist auch schier unglaublich,« sprach Eike. »Ein Beispiel wie es mir gerade so einfällt. Mann und Weib haben kein gezweiet Gut bei ihrem Leib, lautet der alte Satz. Der Mann nimmt das ganze Vermögen der Frau in seine Gewere zu rechter Vormundschaft, und Frauengut soll weder wachsen noch schwinden. Aber nicht überall wird das so gehandhabt. In einer Stadt an der Weser lebte ein Ehepaar im innigsten Einvernehmen. Der Mann war in dieser Stadt geboren, die Frau aber in einer anderen, nicht weit davon entfernten. Als der Vater der Frau starb, hinterließ er ein Testament in welchem er seine Tochter als Erbin seines gesamten Nachlasses eingesetzt hatte. Der Gatte verlangte nun im Namen seiner Frau die Auslieferung der Erbschaft, woran er nach dem Stadtrecht seines Wohnortes vollen Anspruch hatte. Aber die Übergabe wurde ihm verweigert, weil in der Geburtsstadt der Frau letztwillige Verfügungen unerlaubt und ungültig waren. Und weshalb? Auf Betreiben der Geistlichkeit, weil ihr damit sehr erhebliche Anteile an der Hinterlassenschaft eines Verstorbenen entgingen, die ihr ohne Testament unbestritten zufielen. — Dem wollte der Vater der Frau dem Verbote zum Trotz vorbeugen. Aber es nutzte nichts, seine Tochter erhielt das ihr zugeschriebene Erbe erst nach einem sehr belangreichen Abzuge, den der Prior eines Klosters einsackte. Wären alle drei, der Mann, die Frau und deren Vater, in der Stadt gebürtig gewesen, wo Testamente Kraft und Gültigkeit hatten, so hätte der Frau die Erbschaft nicht geschmälert werden dürfen. So aber hatte jede dieser beiden Städte ihr besonderes Erbrecht, und der Mann war anderen Gesetzen unterworfen als seine mit ihm zusammenlebende Ehefrau.«
»Das ist allerdings höchst seltsam,« sagte die Gräfin.
»Und wie gedenkst du das Erbrecht zu behandeln?« fragte der Graf.
»Folgendermaßen: Alle, die gleich nahe zur Sippe stehen, erben unbeschränkt zu gleichen Teilen und brauchen von dem fahrenden Gut niemand etwas abzugeben.
Kein Geistlicher, sei er Bischof, Abt oder Mönch, und kein Stift oder Kloster darf von einem Laien etwas erben; nur bei Lebzeiten ihnen freiwillig gemachte Schenkungen dürfen sie annehmen. Der älteste Sohn erhält als nächster Schwertmage vom Heergeräte stets des Vaters Schwert, sein bestes Ross, gesattelt und gezäumt, seinen besten Harnisch und einen Heerpfühl. Die verwitwete Mutter ist Gast im Erbe des Sohnes, aber er muss ihr am Tisch und am Herd den besten Platz einräumen.«
»Merke dir das, Gerlinde!« sprach der Graf mit einem eigentümlichen Lächeln zu seiner Gemahlin.
Aber diese verstand den Wink in die Zukunft nicht oder wollte ihn nicht verstehen. Sie war in ihren Gedanken noch mit dem beschäftigt, was Eike über die Erbunfähigkeit der Geistlichen gesagt hatte, und wandte nun dagegen ein:
»Mit der unchristlichen Enterbung der Geistlichen und der Klöster beeinträchtigt Ihr doch die Einkünfte der Kirche.«
Eike zuckte die Achseln und erwiderte:
»Frau Gräfin, ich schreibe mein Buch keineswegs mit dem Vorsatze, die Kirche schädigen zu wollen; ich will nur das Recht schaffen und die Gerechtigkeit