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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Gräfin Gerlinde schüttelte, in dem ihr anerzogenen streng kirchlichen Sinne gekränkt, missbilligend das Haupt und schwieg.
»Ihr seid damit nicht einverstanden, edle Frau,« fuhr Eike fort, »aber die Sache muss endlich einmal geregelt werden. In manchen Gegenden nämlich begünstigt die Geistlichkeit die Errichtung von Testamenten und hilft gern dabei, um erbschleichen und der Kirche möglichst viele Vermächtnisse sichern zu können. Darum sollen Geistliche überhaupt nichts von Laien erben, weder mit noch ohne Testament.«
»Wie wollt Ihr das ändern?« fragte die Gräfin. »Wie wollt Ihr das, was dort als Recht gilt und anderswo als Unrecht empfunden wird, in Übereinstimmung bringen?«
»Durch Rechtseinheit binnen ganz Sachsenland!« tönte es wie ein Schlachtruf von des Ritters Munde. »Gleiches Recht für alle ohne Unterschied des Standes, ohne Ansehen der Person. Das natürliche Rechtsgefühl muss dem Volke erhalten bleiben oder wieder geweckt werden, wo es eingeschlafen und ihm verloren gegangen ist, damit auch der Ärmste weiß, was sein unanfechtbares Recht ist.«
»Darüber lässt das seit tausend Jahren bei uns eingeführte Römische Recht keinen Zweifel,« behauptete die Gräfin.
Eike staunte, wie bewandert die junge Frau in diesen schwierigen Begriffen war, und entgegnete:
»Hoch, sehr hoch schätze ich das tief durchdachte, sorgfältig ausgearbeitete Römische Recht, aber unser Volk kennt es zu wenig, mag es nicht und wird sich nie mit ihm befreunden. Darum will ich dem Volke das deutsche Recht wahren, das mit ihm verwachsen ist und das es vom römischen nicht überwuchern und verdrängen lassen will, und nicht bloß im Wortlaut des geschriebenen Gesetzes, sondern auch im gehandhabten Verfahren an der Dingstatt soll es ihm lebendig bleiben. Sitzend findet man Urteil, flehend schilt man Urteil unter Königsbann, heißt es da. Jedermann soll seine nothaftige Klage vorbringen und das Gerüste schreien, denn das Gerüste ist der Klage Beginn, und der verfestete Mann soll vor Schultheiß und Schöffen seine Aussage bei den Heiligen bewähren, soll auch einen Fürsprech haben, der aber kein Pfaffe sein darf. Kann er vor dem Gaugrafen im Echtding nicht aufkommen, so soll er seinen Gegner übersiebenen durch Eideshelfer oder dadurch, dass er ihn zum Kampfe grüßt, das heißt, dass er zu sieben Mann mit andern sieben für seine Sache kämpft. Wer dann siegt, der hat das Urteil behalten und ist im Rechte. Der andere wird von der Schöffenbank abgewiesen und hat, je nach Befund, Wergeld, Wedde und Buße zu zahlen.
Der überführte Verbrecher aber soll, wenn es ihm nicht gleich an Haut und Haar geht, nur da Frieden haben, wo man ihn weder sieht noch hört. So ist deutsche Art seit erdenklichen Zeiten.«
»Das Übersiebenen läuft auf Gottesurteil hinaus,« sagte der Graf. »Willst du die Ordalien nicht abschaffen?«
»Nein, wenigstens nicht ganz,« erwiderte Eike. »Glühendes Eisen tragen, über glühende Pflugscharen schreiten, in einen Kessel siedenden Wassers greifen bis an den Ellenbogen soll dem Beklagten auch künftig zum Beweise seiner Unschuld gestattet sein, wenn er sich anders keinen Frieden wirken kann. Das Volk hängt von alters an diesen wundersamen Entscheidungen, sieht in ihnen die Offenbarung des göttlichen Willens und nennt sie darum Gottesurteile.«
Die Gräfin, die der letzten Erklärung Eikes nur mit halbem Ohre gefolgt und in ein beharrliches Nachdenken versunken gewesen war, sagte jetzt:
»Ich kann mir nicht helfen, Herr von Repgow, aber ich hoffe, dass Ihr mit dem, was Ihr uns hier von Eurem gesetzgeberischen Vorhaben so mutvoll enthülltet, nicht durchdringt. Es gibt noch einen Kaiser im Reiche als obersten Hüter alles Rechtes.«
Eike lächelte fein und blickte fragend den Grafen an, der ihm blinzelnd zunickte:
»Jaja, nur heraus damit!«
Mit der Ruhe und Sicherheit eines entschlossenen, zielbewussten Mannes sprach Eike nun:
»Ich war beim Kaiser, Frau Gräfin, und habe ihm die wichtigsten Punkte meines Planes vorgetragen. Er hat mich in Huld und Gnaden angehört, mir in allen Dingen zugestimmt und mir seinen mächtigen Schutz und Schirm versprochen.«
Gräfin Gerlinde war zuerst sprachlos gegenüber dieser sie im höchsten Masse überraschenden Kunde. Dann fasste sie sich und stellte den Reppechower etwas von oben herab mit der herausfordernden Anzweiflung:
»Auch in den Dingen zugestimmt, deren Spitze gegen die Kirche gerichtet ist?«
»In denen am meisten,« triumphierte Eike.
»Echt hohenstaufisch!« höhnte die Gräfin in unverhohlenem Ärger.
»Echt hohenstaufisch!« wiederholte Eike mit Nachdruck, »das ist das richtige Wort, Frau Gräfin. Durch alle Kämpfe des Kaisers mit den Päpsten geht ein großartiger Zug entschiedenen Eintretens für die Unabhängigkeit des Reiches, der Fürsten und des Volkes von geistlicher Überhebung und Unterdrückung Das Volk muss wissen, dass Kaiser und Reich ihm Recht und Gesetz vorschreiben, nicht Papst und Kirche. Der Herrschsucht des Klerus und seiner Anmaßung, sich die Seelen der Menschen in ihrem Glauben und Denken bedingungslos zu unterwerfen, muss ein Damm gesetzt werden. Das Recht muss über die Gewalt, Vernunft über den Unsinn siegen.
So sprach Kaiser Friedrich zu mir, als ich in jener mir unvergesslichen Stunde zu Cremona vor ihm stand.«
Wie Schlag auf Schlag trafen diese Worte die besiegte Gegnerin, und sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
»Erzählt mir mehr von dem vergötterten Freidenker Friedrich von Hohenstaufen,« bat sie dann, aber es klang immer noch ein wenig spöttisch.
Das tat Eike gern und berichtete ihr von seinem Besuche beim Kaiser und seiner Unterredung mit ihm so fesselnd und eindringlich, dass sie mit unverwandten Augen an seinen Lippen hing und alles, was er vorbrachte, mit wehendem Atem in sich einsog. —
Das Mahl an dem Altan dehnte sich lange aus, denn die drei vergaßen über dem lebhaften Sprechen und dem lernbegierigen Hören beinah das Essen. Eike geriet mehr und mehr in Begeisterung, Gerlinde empfand das Bestrickende seines Wesens und ward immer stärker davon angezogen, und Graf Hoyer ward immer heiterer und zugleich stolzer auf seinen rückhaltlos aus sich herausgehenden jungen Freund. Auch der edle Wein, den einzuschenken mit stummer oder lauter Mahnung zum Trinken der Graf nicht vergaß, wirkte auf die Stimmung und erhöhte sie zu einmütiger Fröhlichkeit.
Als der Graf wieder einmal den Becher Eikes gefüllt hatte, sagte dieser:
»Graf Hoyer, mich will fast bedünken, Ihr habt einen Fehltritt vom Wege Rechtens zu büßen und wollt ihn mit freigebiger Spendung eines reichlich bemessenen Trunkes sühnen.«
»Wie meinst du das?« fragte der Graf.
»Ja, es gab oder gibt vielleicht noch einen alten Brauch, wahrscheinlich heidnischer Herkunft, nach dem verfallene Gerichtsbußen und Pfänder lustig vertrunken wurden. Die Buße wurde dann so hoch wie möglich veranschlagt und die Menge des von dem Sünder herbeizuschaffenden Getränkes nach der Zahl der auf der Dingbank Sitzenden berechnet. Da hieß es dann ‘bei Strafe einer oder mehrerer Tonnen eingebrauten Bieres’, und man nannte das ‘vom Vogtsstab zehren’. Dem das Urteil fällenden Richter aber gebührte der Antrunk.«
Sie lachten, und der Graf sagte:
»Ich bin mir zwar keines Fehltrittes bewusst, aber du wirst doch diese köstliche Verordnung hoffentlich in den Artikel Strafrecht aufnehmen.«
»Selbstverständlich!« versprach Eike und grüßte den Burgherrn trunkfroh mit dem vollen Pokal.
»Wenn Ihr mehr so ergötzliche Stücklein wisst und der Nachwelt aufbewahren wollt, könnte auch ich mich vielleicht mit Eurem Buche noch aussöhnen, Herr von Repgow,« sprach die Gräfin mit einem huldvollen Lächeln.
»Wirklich, Frau Gräfin? Das würde mich sehr freuen,« erwiderte Eike. »Ich habe in der Tat auf meinen Streifereien manche närrischen und auch manche tief bedeutsamen Dinge erfahren. Da gab es zum Beispiel einen spaßhaften Brauch, wie man einen ertappten