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auch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden, die sie hitzig miteinander durchfochten, bis einer den anderen überzeugte. Das gelang indessen nicht immer, und wenn Eike bei dem blieb, was er geschrieben hatte, musste der Graf nachgeben, was übrigens ihrer Freundschaft keinen Abbruch tat.

      Von seiner Herzschwäche hatte der Graf jetzt wenig zu leiden, so dass er ohne Beschwer im Forst umherwandern und auf die Berge steigen konnte. Er ließ sich in stundenweiter Entfernung von der Burg ein Jagdhäuschen errichten, um, mit dem nötigen Mundvorrat versehen, dort zu nächtigen und im Morgengrauen auf den Anstand zu gehen.

      Gewinn von des Grafen zeitweiliger Abwesenheit hatte nur Wilfred, weil sein Plagegeist, der schreibwütige Ritter, der ihm und sich selber wenig Muße gönnte, an solchen Tagen das Beisammensein mit der Gräfin merklich ausdehnte und infolgedessen seinem schmählich Unterjochten nicht beständig auf die Finger passen konnte. Das machte sich der auf rastlose Arbeit gar nicht Erpichte natürlich zunutze, legte, falls er überhaupt im Zimmer und auf seinem Schreibstuhl hocken blieb, die Feder vergnügt beiseite und streckte sich auch wohl auf der Ruhebank lang aus, als wäre er nun der Herr in diesen schönen vier Wänden.

      Er sehnte sich schon längst wieder nach einem freien Tage, um zwei Besuche abzustatten, die er bisher aus mancherlei Gründen hatte aufschieben müssen. Aber morgen war ja wieder Sonntag, da hoffte er alle Hindernisse beseitigen und sein Vorhaben endlich ausführen zu können.

      Siebentes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Gräfin Gerlinde hatte es schon bald nach ihrem Einzuge auf dem Falkenstein durchgesetzt, dass an Sonn- und Feiertagen keine anderen Beschäftigungen in der Burg vorgenommen werden durften als die notwendigen Verrichtungen im Haushalt. Selbst Eike fügte sich ihrer freundlichen Bitte, dann zur Heiligung des Tages auch auf seine völlig geräuschlose Schreibarbeit zu verzichten, was er ohne den ihm ausgesprochenen Wunsch nicht getan haben würde. Dass er dem Gottesdienst in der Kapelle beiwohnte, verstand sich von selbst, zumal Gerlinde durch Harfenspiel und Gesang dabei mitwirkte.

      Heute war Sonntag, und der Falkenstein stand, von der Morgensonne beschienen, auf seiner Bergeshöhe wie ein einsames, verwunschenes Schloss, in dem kein Leben war. Kein lautes Hantieren und Scharwerken, kein Pferdegetrappel und Rüdengebell störte die Ruhe, nur dass einmal die Kette des Ziehbrunnens klirrte, wenn sie in der Küche Wasser brauchten. Die Dienstleute, die über den Hof gingen oder treppauf und treppab stiegen, traten leise auf und sprachen mit gedämpfter Stimme.

      Auch von innen heraus drang kein Ton durch die dicken Mauern, als wenn die vielen, die in den Gebäuden ihren Pflichten obliegend hausten, den Tag verschlafen wollten. Es herrschte von früh bis nach vollbrachtem Gottesdienst, der ziemlich spät begann und gewöhnlich erst kurz vor Mittag endete, eine fast unheimliche Stille, aber die Herrin wollte es so haben, also ward es so gehalten, und niemand wagte, gegen den eingeführten Brauch zu verstoßen.

      Von Mittag an aber konnten alle, Mannen, Jäger, Knechte und Mägde, tun und treiben, was ihnen beliebte; kein unduldsamer Befehl lähmte ihre Belustigungen und verbot ihnen den Mund. Sie durften, falls nicht besondere Verabredungen und Veranstaltungen vorlagen, dann auch gehen, wohin sie wollten, wenn sie nur abends vor Toresschluss wieder innerhalb der Ringmauern waren, und dass sie dies waren, dafür sorgte des Torhüters unbestechliche Wachsamkeit. —

      Wilfred genoss in den Kreisen des Burggesindes ein gewisses Ansehen, das er weniger seinen persönlichen Eigenschaften als seiner Herkunft und seiner Ausnahmestellung verdankte, denn er gehörte nicht zu den Dienen den, wenn er auch mit ihnen lebte und ganz so wie sie unter der Botmäßigkeit des Grafen stand. Er war der Sohn des verstorbenen Wild- und Waffenmeisters, der nächst den Herrschaften der erste auf der Burg gewesen war, kam in Ausübung seines Amtes als Schreiber häufiger in unmittelbare Berührung mit dem Grafen und galt als ehemaliger Klosterschüler bei den übrigen Untergebenen für einen Studierten, der beinahe geistlich geworden wäre.

      Daher spielte er in der Dirnitz, dem Versammlungs- und Aufenthaltsraum der Dienerschaft, eine seiner Meinung nach große Rolle, die jedoch von Neidern und Gegnern, an denen es ihm auch nicht gebrach, zuweilen stark angefochten wurde. Er war nicht Jüngling mehr, aber auch noch nicht zum Manne gereift, von schmeidiger, leichtbeweglicher Gestalt und selbstbewusstem, meist seelenvergnügtem Gesichtsausdruck. Sein lockiges, braunes Haar hing ihm ziemlich tief in die Stirn, und aus seinen ebenfalls braunen Augen lugte eine lauernde Verschlagenheit. Die anderen hörten ihn gern von seinen Vagantenfahrten und den Abenteuern, die er in der Fremde erlebt haben wollte, berichten und hatten ihren Spaß an den frechen Aufschneidereien, die er ihnen dabei unverfroren auftischte. So erzählte er einmal, er wäre eines Tages gegen Abend mit zweien seinesgleichen in ein Dorf gekommen, wo sie gebettelt hätten, und weil man ihnen nichts geben und sie auch nicht her bergen wollte, hätten sie die hartherzigen Geizhälse mit höllischen Flüchen und kabbalistischen Beschwörungen überschüttet, um sie zu ängstigen. Da wären sie aber von ihnen ergriffen und alle drei in einen Teich geworfen worden. Und was hätten sie nun getan? Sie hätten das ganze Dorf in Brand gesteckt, um an dem Feuer ihre nassen Kleider zu trocknen. Solcherlei Geschichten brachte er, immer neue, eine immer noch toller und verwegener als die andere, vor, und Mannen und Mägde lohnten es ihm mit Beifall und fröhlichem Lachen. Manche von ihnen trauten ihm aber nicht und meinten, er würde gewiss noch weit schlimmere Stücklein auf der Seele haben, denn ihn scheuchte doch kein Strohwisch von verbotenen Wegen, worauf Wilfred überlegen schmunzelte, was so viel heißen sollte wie: na, wenn ich reden wollte!

      Seine aufmerksamste Zuhörerin und zugleich treueste Anhängerin war die rotblonde, sehr hübsche und aufgeweckte Zofe Melissa, die er bei seinen gelegentlich ausgeführten Schwänken hier stets auf seiner Seite hatte.

      Der Schalk saß ihr im Nacken, aus ihren spiegelhellen Augen blitzte es wie Frühlingsgruß, und ihre schwellenden Lippen konnten verführerisch lächeln, als spräche sie: trutz! wer darf mich küssen? Was Wilfred übrigens öfter tat und sie ihm selten wehrte. Denn die beiden hatten ein heimliches Techtelmechtel miteinander, das jedoch über lustige Neckereien und unverfängliche Liebkosungen nicht hinausging.

      Wie willig sie ihrem Günstling bei seinen Schelmenstreichen half, bewies ein Vorfall, der nichts anderes als die von Wilfred ausgeheckte Vergeltung für eine ihm vom Torwart Goswig zugefügte Unbill war.

      Dieser hatte den Schreiber, als er einmal ein wenig zu spät von der Talmühle heimkehrte, nicht mehr in die Burg eingelassen, trotz seinem Bitten und Flehen das eben erst geschlossene Tor nicht wieder geöffnet und ihm von innen höhnisch zugerufen: »Komm zur rechten Zeit, du Nachtschwärmer! Dann findest du immer Einlass; jetzt wünsch’ ich dir angenehme Ruh’ draußen im Grünen«. Es war aber damals noch gar nicht grün im Walde, denn das Laub der Sträucher und Bäume fing erst an, sich zu entfalten und gewährte daher dem Ausgesperrten keinen Schutz vor dem in der ganzen Nacht herabrieselnden Regen, der ihn bis auf die Haut durchnässte.

      Gern hätte er dieses feuchte Nachtquartier verschwiegen, wenn er nicht infolge der Erkältung, die er sich dabei zugezogen, am Morgen stockheiser geworden und dies mehrere Tage lang geblieben wäre. Das ließ sich natürlich nicht verheimlichen, und nach der Ursache davon befragt, musste er seine nächtliche Aussperrung eingestehen und hatte nun neben dem Schaden auch noch den erbarmungslosen Spott sämtlicher Burgbewohner zu tragen. Dafür wollte er sich an dem schändlichen Alten mit einem empfindlichen Schabernack rächen.

      Goswig trug Winters und Sommers eine Pelzkappe von Marderfell, die er während der Mahlzeiten in der Dirnitz ab und zu beiseite legte. Eines Sonntags nun, wo der Abendtrunk für die Leute stets sehr reichlich gespendet wurde, stahl sich Wilfred mit der Pelzkappe hinaus und bestrich sie inwendig mit Vogelleim, den ihm Melissa zu dem Zwecke bereitet hatte. Diese musste dann den Torwart durch ihr Geplauder so lange beim Becher festhalten, bis er mehr als genug hatte. Als er sich dann die Kappe vor dem Abschiede, den Melissa möglichst zu verzögern suchte, wieder aufstülpte, merkte er in seinem angeheiterten Zustande nicht, was inzwischen damit geschehen war. Auf dem Wege zu seinem Torstübchen war sie ihm nun schon so fest angeklebt, dass er sie nicht vom Kopfe losbekommen konnte und sich mit ihr zu Bett legen musste.

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