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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nun sprach er mit ihm ganz wie mit einem Freunde, wenn er auch keine Antwort von ihm erhielt.
»Haben uns lange nicht gesehen, mein Füchslein,« begann er, »ich konnte nicht kommen, musste immer schreiben, schreiben und schreiben. Du weißt nicht, was das ist, schreiben? Ja, sei du froh, dass du nicht schreiben gelernt hast, mein munterer Waldgesell! Das ist eine grausame Erfindung, eine Qual für uns arme, sündhafte Menschen, mit der dein und mein Schöpfer euch unschuldige Tiere in Gnaden verschont hat. Was macht denn die holde Frau Fähe? Und wieviel liebe Kinderchen habt ihr denn in eurem Bau? Bringe sie doch einmal mit und führe sie mir vor, ob sie auch sauber gewaschen und artig erzogen sind. Aber halt! Ich habe ja was für dich, hier!«
Er griff in die Tasche und gab seinem rothaarigen Liebling zwei Eier, die er heut’ in aller Frühe aus dem Hühnerstall des Falkensteins gemaust hatte. Der Fuchs verzehrte sie mit Begier, während ihm Wilfred den glatten Sommerpelz kraulte und sich seine dicke Lunte ein paarmal durch die Hand gleiten ließ.
Nach diesem erquicklichen Imbiss lag der Fuchs in Wilfreds Armen und schien sich da sehr wohl und geborgen zu fühlen. Manchmal reckte er den Kopf, windete und spitzte die Lauscher, wenn sich im Gebüsch oder in einem Baum etwas regte, das ihm vielleicht eine willkommene Beute verhieß. Dann duckte ihn Wilfred jedes Mal schnell nieder und sagte:
»Nichts da, Reinecke! Singvögelein sollst du nicht begehren, das habe ich dir doch schon oft genug strengstens verboten. Halte dich an Mäuse, Käfer, Schnecken und ähnliche schmackhafte Dinge, die für uns Ungeziefer, für euch aber Leibgerichte sind, verstehst du?«
Der Fuchs lugte ihn an, leckte sich die Schnauze und machte ein Gesicht, als ob er lachen wollte. Da packte ihn Wilfred beim Fell, drückte seinen Kopf zärtlich an die eigene Wange, klopfte, hätschelte und hudelte ihn nach Herzenslust, und Meister Reinecke ließ sich das alles mit dem größten Behagen gefallen und hob manchmal spielerisch einen Vorderlauf, als wollte er dabei mittun und das Gekose des ihm so wohlgewogenen Menschen erwidern.
So hatten es die beiden schon unzählige Male hier getrieben, und wenn sie sich trennen mussten und Wilfred den Heimweg antrat, trabte der Fuchs eine Strecke lang hinter ihm her, blieb dann traurig stehen, äugte ihm nach und lauschte seinen Schritten, bis sie in der Ferne verhallten.
Auch heute war es für Wilfred Zeit zum Aufbruch, denn er hatte versprochen, zum Abendtisch in der Dirnitz zurück zu sein.
»Ich muss fort, mein Schlitzohr,« sagte er, »gib mir’s Pfötchen und gehab’ dich wohl bis auf baldig Wiedersehen.«
Dann setzte er den Fuchs sanft und zärtlich wie eine Mutter ihr Kind nieder, stand von seinem Wurzelthron auf und schied von dem Busenfreunde.
Stunden wie diese waren Wilfreds glücklichste. Auf der Burg hatte er keinen, der ihm so traute und dem er so trauen konnte wie diesem freien Sohn der Wildnis.
Der schalt ihn nicht, demütigte und kränkte ihn nicht, sah ihn nicht scheel und missgünstig oder über die Achsel an wie seine menschlichen Lebensgefährten, denen er nichts galt, die seine Fähigkeiten und sein Wissen nicht schätzten und das Gute, das neben manchem Verwahrlosten doch auch in ihm steckte, nicht anerkennen wollten. Kein Wunder, dass er sich vor ihnen verschloss, ihnen ihre Nichtachtung in gleicher Münze herausgab und sich für das, was er von ihnen zu leiden hatte, mit kleinen Bosheiten und hinterrücks gespielten Possen rächte. Dadurch kam in das Wesen des zu Leichtsinn und Übermut Veranlagten ein missfälliger Zug. Hier aber bei seinem Fuchse war er ein Naturkind wie dieser, da fand er Zuflucht und Erholung wie anderswo nimmer.
In viel froherer Stimmung als vorher wanderte er jetzt in der Stille des Waldes dahin, durch dessen Gezweig schräge Sonnenstrahlen blitzten und um silbergraue Buchenstämme schlüpften. Das muffige Betragen der Müllerstochter schlug er sich aus dem Sinn und nahm sich vor, heut’ Abend zu Melissa, der immer heiteren und einzigen ihm zugetanen, recht freundlich zu sein. Sie konnte nicht daran zweifeln, dass er zu Luitgard gegangen war, und damit hatte er ihr Kummer bereitet, für den er sie entschädigen wollte.
Als er dem Falkenstein schon so nahe war, dass man sein Blasen dort wohl hören könnte, setzte er die Waldflöte an die Lippen und schickte der Getreuen einen schmetternden Gruß nach dem andern als seine Rückkehr ankündende Boten voraus. Aber nicht lange währte es, da sah er Melissa unter den Bäumen daherkommen. Sie war ihm, ihn um diese Zeit erwartend, aus dem Wege zu Tal ein Stückchen entgegengegangen, hatte aber dann, sein Blasen vernehmend, flugs die Richtung ein geschlagen, aus der die Klänge lockten, nun genau wissend, von wannen er kam. Sobald sie seiner ansichtig wurde, lief und sprang sie über Stock und Stein auf ihn zu, und er fing sie in seinen Armen auf.
»Du warst bei deinem Füchslein,« jubelte sie, denn ihr allein war diese heimliche Waldfreundschaft bekannt, »ich dachte, du wärest –«
Sie konnte nicht ausreden, Wilfreds Kuss verschloss ihr den Mund.
Neuntes Kapitel.
Der Sonnwendtag war äußerlich von anderen Tagen durch nichts unterschieden vorübergegangen, und nur die Kundigen wussten, dass in der Nacht auf schwer zugänglichen Bergkuppen und kleinen, versteckten Waldblößen die Feuer unter fast tausendjährigen Eichen gebrannt hatten und von den verschwiegenen Bekennern des Wodanglaubens mit uralten Bräuchen und Beschwörungen umwandelt und umtanzt worden waren. Auch ein paar der ältesten Burgmannen des Falkensteins hatten an der Feier teilgenommen, und Goswig hatte ihnen die Brücke nieder und das Pförtchen im Tor offen gelassen, damit sie im Morgengrauen unbemerkt einschlüpfen konnten.
Das war von jeher so gehalten worden und dem Grafen keineswegs unbekannt. Seine Vorfahren hatten es einer dem andern überliefert und dem Nachfolger geraten, darüber ein Auge zuzudrücken, wenn die schlechten Christen sonst gute Menschen und zuverlässige Vasallen wären. Nur die Gräfin durfte nichts davon erfahren, denn nimmermehr hätte sie Heidenleute im Gesinde geduldet.
Nun brütete der Sommer mit seiner stärksten Glut über Wald und Flur, um Körner und Früchte zu reifen, obwohl jetzt jeder Tag schon um einen Hahnenschritt kürzer wurde als der gestrige. Das Laub war noch frisch und saftig, von häufigen Gewitterregen vor zu frühem Welken bewahrt, und die Waldblumen blühten üppig im Grün der Kräuter und Gräser.
Die Insassen der Burg lagen ihren täglichen Pflichten ob, gingen in den leichtesten Kleidern einher und hatten von der Hitze wenig zu leiden, da es innerhalb der dicken Mauern fast noch kühler war als im Schatten des dicht bestandenen Hochwaldes. Sie waren alle froh und zufrieden mit Ausnahme von zweien, und diese waren Wilfred und Eike von Repgow.
Wilfred seufzte unter der Fron seines handwerksmäßigen Schreiberdienstes und klagte Melissa, dass ihm von seinem jetzt manchmal recht borstigen Herrn und Meister eine allzu scharfe Rüge erteilt worden wäre, weil er sich in einem Kapitel über Bannleihe, Fahnen- und Zepterlehen einige Auslassungen und Fehler im Texte hätte zuschulden kommen lassen, und nun sollte er die Abschrift des ganzen Kapitels am nächsten Sonntag aufs neue anfertigen und könnte dann nicht zu seinem lieben Fuchse gehen.
Auf Melissas Frage, was das wäre, Bannleihe und Fahnenlehen, hatte er ihr erklärt:
»Bannleihe ist die königliche Bestallung für die Träger der gräflichen Gerichtsbarkeit. Fahnenlehen bezeichnet und unterscheidet in der Heerschildordnung die Schöffenbarfreien, die unter Königsbann, und die bei ihren eigenen Hulden dingen. Wahrzeichen der königlichen Gerichtshoheit ist die Gerichtsfahne. Wahrzeichen für die Edelinge auf den Schöffenstühlen sind Kreuz, Schwert, Strohwisch, Hut und eiserne Hand. Das habe ich verwechselt und durcheinander gebracht; irren ist menschlich.«
Gegen Melissas Meinung,