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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es war alles bereit und sie setzten sich. Der einfache Imbiss war schnell verzehrt, denn sie aßen beide wenig und sprachen auch wenig dabei, als erwöge jeder schon seinen Angriffsplan für das bevorstehende Turnier.
Als Melissa dann den Tisch abgeräumt hatte, brachte sie das große Schachbrett mit den etwas massigen, aber kunstvoll geschnitzten Elfenbeinfiguren geschleppt, und das Spiel konnte beginnen.
Nachdem sie gelost hatten, zog Gerlinde mit Weiß an und zeigte sich anfangs ihrem Gegner entschieden überlegen, obwohl er sich tapfer verteidigte und sich nirgend eine Blöße gab. Aber das änderte sich. Die Gräfin ließ bald in der nötigen Aufmerksamkeit nach, spielte immer langsamer und beging Fehler, auf die Eike sofort großmütig hinwies, statt sie ungerügt zu seinem Vorteil auszunutzen. Das ärgerte die Gräfin, sie wollte nicht von ihm geschont sein, aber vorsichtiger wurde sie des halb doch nicht.
Als sie wieder einmal über die Maßen zögerte, ehe sie eine Figur anrührte, und er sich auf einen besonders schlauen Zug von ihr gefasst machte, überraschte sie ihn stattdessen mit der Frage:
»Wie lange ist es her, dass Ihr in Bologna waret?«
Mitten im Spiel schweifte sie ab auf ein so fernliegendes Gebiet! Kurz gemessen lautete sein Bescheid:
»Fünf Jahre sind es her, dass ich von Bologna nach Cremona zum Kaiser Friedrich ritt und dann heimkehrte.«
»Gab es in Bologna viel schöne Frauen und Mädchen?« forschte sie weiter.
»Das festzustellen gehörte nicht zu meinem Studium. Nach Frauen und Mädchen habe ich mich dort wenig umgesehen.«
»Wer Euch das glauben soll!« lachte sie. »Habt Ihr denn ein Herz von Stein?«
»Das möchte ich nicht behaupten,« erwiderte Eike, den dieses ausholende Verhör nachgerade belustigte. »Aber wenn auch,« fuhr er mutwillig fort, »aus dem härtesten Stein kann man Funken schlagen.«
»Wirklich? Kann Euer Herz Funken sprühen, lichterlohe Funken? Hat es auch schon einmal Feuer gefangen?«
»Nein, es ist nicht leicht entzündbar.«
»Das —« weiß ich, wollte sie sagen, hielt aber an sich und sagte: »Das lob’ ich. Und dann die Rechtseinheit, das Sachsenrecht und die fürchterlichen Gesetze! Die nehmen es wohl völlig in Anspruch?«
»Nun ja!« entgegnete er, »auch der Gesetzgeber und Richter muss ein Mensch sein, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und es bei der Entscheidung jedes einzelnen Falles mitreden lässt. Übrigens, wollen wir nicht weiter spielen? Ihr seid am Zuge.«
»Ich? Ich bin am Zuge?« schrak sie auf, und ohne Besinnen zog sie.
»Aber Gräfin!« rief er, auf das Schachbrett zeigend, »seht doch hier! Soll ich Euch denn Euren Rochen wegstibitzen? Flugs schiebt den Elefanten zur Seite, sonst wird er erbarmungslos abgeführt.«
Sie biss sich auf die Lippen, nahm den Zug zurück und tat einen andern, der auch wieder falsch war und infolgedessen ihr Eike, diesmal ohne sie zu warnen, einen Läufer raubte.
»O weh! Wie dumm!« sagte sie. »Ihr seid mir über, ich unterliege.«
»Eure Schuld, nicht mein Verdienst.«
»Und aufrichtig seid Ihr auch,« lachte sie, »aber noch habt Ihr nicht gewonnen.«
Sie war und blieb zerstreut, mit ihren Gedanken ganz woanders, so dass Eike ihrem König und mehrmals ihrer Königin Schach bieten konnte. Da nahm sie sich zusammen, besser Acht zu geben, und der Kampf zwischen den Schwarzen und den Weißen spann sich langsam weiter.
Bald aber fing sie von neuem an:
»Wann werdet Ihr wieder einmal auf die Berge steigen?«
»Wenn mir wieder einmal der Kopf brummt und ich nicht mehr aus und ein weiß.«
»Lasst mich Euch helfen bei Eurer Arbeit!«
Es klang so bittend.
Dankbar blickte er sie an, schüttelte aber lächelnd das Haupt und sprach:
»Unmöglich! Das könnt Ihr nicht.«
»Stolzer Mann, Ihr denkt zu gering von mir,« schmollte sie.
»Zu gering? Ach! Viel größer als Ihr — zu wissen braucht, Gräfin Gerlinde!« schoss es ihm aus dem Grunde seines Herzens heraus.
Da leuchteten ihr die Augen in einem freudigen Glanz, und ihre Brust wogte auf und nieder.
Sie vertieften sich wieder in das Spiel, und es verging geraume Zeit, ohne dass ein einziges Wort zwischen ihnen fiel. Als aber Eike wieder einmal lange auf einen Zug der Gräfin warten musste und endlich ungeduldig zu ihr aufsah, begegnete er dem Blicke Gerlindes, der traumverloren auf ihm ruhte. Purpurglut übergoss ihr Antlitz; verwirrt und beschämt, bei ihrer Versunkenheit in seinem Anblick von ihm betroffen zu sein, wandte sie sich ab. Dann sich fassend brachte sie, noch zitternd vor Erregung, hastig hervor:
»Verzeiht! Ich betrachtete Eure Gesichtszüge, weil sie mich an eine altrömische Gemme meiner Mutter erinnern, einen kostbaren Sardonyx mit einem schönen, überaus feingeschnittenen männlichen Kopf, dem Ihr so ähnlich seht, als hättet Ihr selber dem Bildner dazu gesessen.«
»Auch diese Figuren sind geschnitzt wie von Künstlerhand, zumal die zwei Königinnen. Aber wenn ich sie mit Euch vergleiche,« fügte er höflich hinzu, — »keine von beiden ist so schön wie Ihr, Gräfin Gerlinde!«
»Schmeichler!«
»Ich schmeichle nicht. Ihr seid eine gebotene Königin.«
»Der Ihr einmal über das andere trutzig Schach bietet.«
»Möge die Königin sich schützen und hüten vor ihrem untertänigen Verfolger, der sie offen anfeindet und heimlich verehrt.«
»Sich schützen und hüten!« wiederholte Gerlinde leise.
»Dazu ist sie zu schwach gegen — gegen die Übermacht, die sie bedrängt und bezwingt, und — und — —«
Sie brach ab und sprang von ihrem Sitz empor.
»Ich gebe das Spiel auf, ich kann nicht mehr,« hauchte sie bebend.
»Geht, geht, Eike von Repgow! Ich brauche Ruhe.«
Er ging nicht; da tat sie es. Ihn und das Schachbrett im Stich lassend schritt sie die Stufen des Altans hinab und eilte wie gescheucht durch den Garten in die Burg.
Verwundert blickte Eike der Flüchtenden nach. Was — was ist das?
Elftes Kapitel.
Eike hatte eine fast schlaflose Nacht. Aufregende Gedanken wirbelten ihm im Kopf herum, hielten ihn wach und verschleierten ihm wie wallende Nebel die Tragweite seiner heutigen Erlebnisse. Auf seiner stillen Morgenwanderung durch den Wald hatte er frische Kraft und Sammlung zur Arbeit gesucht und gefunden, und hier im Schlosse war ihm die draußen gewonnene Ruhe wieder verloren gegangen. Zwar sträubte er sich dagegen, eine vermeintliche Entdeckung als unumstößliche Gewissheit hinzunehmen. Wenn er aber die beiden zeitlich getrennten Vorgänge des Tages, Gerlindes leidenschaftliches Lied und ihre Verwirrung beim Schach, aneinander reihte und in ursächlichen Zusammenhang brachte, musste er auf die Vermutung kommen, dass ihm ihre ungestillte Sehnsucht galt.
Wie ein Schlag aus dem Dunkeln traf es ihn. Was um Gottes willen sollte daraus werden, wenn das Wahrheit und Wirklichkeit wäre? Ein Schrecken überfiel Eike bei der Vorstellung von sich daraus ergebenden Möglichkeiten, die zu schicksalsschweren Ereignissen führen konnten, und zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich zu irren, sich ganz und gar gründlich zu irren.
Heute Mittag bei Tische hatte er sich noch