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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auf der anderen Seite der Schlucht mussten sie nun wieder hinauf, aber das wurde ihnen leichter als bergab, und drüben hatten sie nicht viel mehr zu steigen.
Ungetüme Eichen und Buchen reckten ihre Riesenstämme und ihre gewaltigen Äste in die Höhe und Breite, üppig wucherndes Farrenkraut, mannigfaltige Sträucher und Stauden mit Blüten und Früchten, Pilze mit roten und gelben Hüten wuchsen da und eine Menge in allen Farben schillernder Blumen. Vom Himmel war wenig zu sehen, so dicht verzweigte sich das Laub der Baumkronen, durch dessen dunkelgrüne Schatten Vögel schwirrten, auch wohl einmal ein Eichhörnchen sprang oder ein Marder huschte. Unten am Boden raschelte kleineres Getier durch knorriges Wurzelgeflecht und niederes Gekräutig dahin und daher. Es war ringsum eine lebensvolle, kraft- und saftstrotzende, ganz märchenhafte Waldeinsamkeit, deren sinnbestrickendem Bann sich die zwei Menschen wortlos hingaben.
Endlich gelangten sie zu dem von der Gräfin erstrebten Ziel. Es war die aus einem Klippenspalt hervorrieselnde, kristallklare Quelle des Bächleins, das seinen geschlängelten Lauf durch die düstere Schlucht nahm. Sie war beckenartig von einem niedrigen, grünbemoosten, stark zerfallenen Gemäuer eingefasst, von dem hie und da wie, durch gewaltsame Zerstörung verstreute Trümmer umherlagen. Über dem Sprudel, nur ein wenig seitwärts von der Klippe, erhob sich der halbmannshohe Rest eines vierkantig aus einem Stück gehauenen Denksteins, auf dem noch die verwitterten Spuren einer eingemeißelten Runenschrift erkennbar waren.
Mit Staunen betrachtete Eike diesen verborgenen Schauplatz einer fernen Vergangenheit.
»Nun will ich Euch künden, wohin ich Euch geführt habe,« hub Gerlinde schwer atmend an. »Dies hier nennt man den Heidenquell, denn es war einst ein der heidnischen Göttin Holda geweihtes Heiligtum, dessen Besuch und Anbetung die hierher entsandten Männer mit Kreuz und Skapulier unter Androhung furchtbarer Höllenstrafen verboten und verfluchten. Sein Wasser war wundertätig und ist es heute noch, wie Großmutter Suffie in der Talmühle behauptet.«
»Und was für Wunder wirkt es? Heilt es Krankheiten und Gebrechen?«
»Es macht Blinde sehend, wenn sie es in der richtigen Weise anwenden. In alten Zeiten mussten sie dazu einen tiefsinnigen Beschwörungsspruch raunen, den mir Suffie aber nicht mitteilen konnte,« sprach Gerlinde, immer unruhiger und erregter werdend.
»Nun, wir beide sind ja, Gott sei Dank, nicht blind, brauchen also das Wasser an uns nicht zu erproben,« lächelte er.
»Doch, Eike von Repgow, lasst es uns erproben!« bat sie inständig.
»Ja, ist es denn so wohlschmeckend oder vielleicht so gesundheitstärkend, dass es sich eines Trunkes verlohnt? Ich trinke alles, was Ihr mir kredenzt; habt Ihr ein Becherlein in der Tasche?«
»Trinken wollen wir nicht; der Zauber vollzieht sich in anderer Art,« erwiderte sie. »Taucht den Finger in die Quelle und benetzt mir die Augen mit dem wundertätigen Nass; ich werde Euch den gleichen Dienst erweisen. Dann werden wir sehend und können beide einer in des anderen Herzen lesen.«
Er erschrak bei diesem seltsamen Begehren, das ihm die Augen auch ohne Benetzung zu einem Einblick in ihr Herz vollends öffnete.
»Ihr, eine christgläubige Frau, wollt einem alten Heidenbrauche frönen?« hielt er ihr vor, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, an dessen Wirkung er zwar nicht glaubte, das ihn aber zwang, zu sagen, was er gern verschwiegen hätte.
Es half ihm nichts. Mit den Worten: »Nicht in dem heidnischen Brauch, in dem Wasser selber steckt die geheimnisvolle Kraft, von Gott hineingelegt,« schritt sie dem Rande des Beckens zu.
Da vertrat er ihr den Weg.
»Halt. Gräfin! Dieses Orakel versuche ich nicht,« erklärte er.
»Warum nicht? Wollt Ihr nicht wissend werden, weil Ihr schon wissend seid?« fragte sie mit vor Freude erglühendem Antlitz.
»Ich bin wissend, Gerlinde!« sprach er ernst, »und ich weiß auch den Beschwörungsspruch, der uns beiden einzig frommt. Er lautet: entsagen und schweigen!«
Bis ins Mark getroffen starrte sie ihn an. Sie hatte verstanden. Tränen rollten ihr über die Wangen und schluchzend sank sie ihm an die Brust. —
Lange, lange hielt er sie fest umschlungen, bis sie ruhiger wurde und sich sanft von ihm löste.
»Komm!« mahnte er, »das Wunder ist geschehen, unsere Herzen haben sich erschlossen, wie der Born dort aus dem Felsgestein bricht, aber kein Quellenzauber befreit uns von dem Leid, das wir, du und ich, durch unser Leben tragen müssen.«
»Wir werden es tragen, Eike, da wir nun beide selig, ach nein! unselig wissend sind. Ego sum tu et tu es ego,« sprach sie gefasst und ergriff feine Hand, die sie leise drückte.
Schweigend traten sie den Rückweg zur Burg an, doch nach zehn Schritten wandte sich Gerlinde um und blickte noch einmal nach der Stelle hin, wo sie in selbstvergessener Umarmung einander gefunden hatten.
Dreizehntes Kapitel.
Nun war alles geklärt, jeder Zweifel gehoben, die Entscheidung gefallen. Eike wusste sich von Gerlinde geliebt mit der ganzen Leidenschaftlichkeit ihres heißen, südlichen Blutes, und das gleiche wusste sie auch von ihm. Beide waren mit dem nämlichen Vorhaben in den Wald gegangen, die Gefühle des anderen zu ergründen ohne die eigenen zu enthüllen, und doch war auch dieses geschehen.
Zu Hause nun, in seinem Zimmer, der Werkstatt seines Schaffens, erwachte in Eike der Mann des Rechtes, der Verfasser und Verkünder strenger Gesetze, gegen die er selber nicht einmal in Wünschen und Gedanken freveln durfte, und er war der Gast von Gerlindes nichts ahnendem Gatten. Wie hatte er das nur vergessen können, als er dort in der zauberumsponnenen Wildnis am Heidenquell die in Lust und Leid Erzitternde in seinen Armen hielt! Aber sollte er sie schroff und schnöde zurückstoßen, da er sie doch liebte? Er hatte sie nicht an sich gerissen, hatte sie nicht gelockt und gekirrt, nicht mit zärtlichem Gekose ihre Sinne betört. Mit dem Bewusstsein, die Gebote der Pflicht und Ehre weder mit Wort noch Tat verletzt zu haben, beruhigte er sein Gewissen, und bei dem Entschlusse, auf alle Freuden, die ihm in erreichbarer Nähe winkten, zu verzichten, wollte er bleiben, welche Kämpfe und Versuchungen er auch im Bannkreise der inniggeliebten, verführerisch schönen Frau noch zu bestehen haben mochte; sein Herz sollte schweigen und auch sein Mund. —
Andere Gefühle beseelten Gerlinde, als sie aus dem Walde zurückkam und in ihrem Gemach allein war.
Das erste, was sie dort tat, war, dass sie an dem Betpult niederkniete, der Heiligen Jungfrau für das namenlose Glück, von Eike geliebt zu werden, dankte und sie anflehte, diese Liebe zu segnen und zu schirmen, in ihrer Unschuld nicht bedenkend, dass seine Liebe zu ihr wie ihre zu ihm eine sträfliche war, an der die Himmelskönigin kein Wohlgefallen haben konnte. Dann betete sie für das zeitliche und ewige Heil des Geliebten, daran die Bitte knüpfend, ihm Kraft zur Vollendung seines Werkes zu verleihen und ihm dabei die Wege zu führen, die den Frommen und Gläubigen, in Sonderheit der hochwürdigen Geistlichkeit genehm wären.
Danach erhob sie sich freudig, nur noch mit der einen Sorge, ob es ihr gelingen würde, ihre Liebe vor den Insassen der Burg und am meisten — hier schrak sie auf — vor ihrem Gemahl zu verbergen. An den hatte sie noch gar nicht gedacht und dass sie an ihm einen Raub beging, wenn sie ihr Herz einem anderen Manne schenkte. Einen Raub? Sie entzog ihm ja nichts von dem, was er von ihr fordern konnte. Sie schätzte und ehrte ihn, hatte ihn auch auf ihre Weise lieb, aber glücklich