Скачать книгу

gefunden

      Und können uns kaum nur drücken die Hand

      In kärglichen, flüchtigen Stunden,

      Und ich, in des Liebsten Eigen und Lehn,

      Möcht’ immerfort ihm in die Augen seh’n.

      Doch soll es nicht sein, o bitteres Weh!

      Die Glocken läuten zum Scheiden

      In unseren Sommer fällt Reif und Schnee,

      Wir sollen uns missen und meiden.

      Ich gehe zugrunde vor zehrender Not

      Und schwinde dahin wie das Abendrot.

      Sie hatte sich in eine drangvolle Gemütsverfassung hineingesungen. Nagender Schmerz peinigte sie, kühner Wagemut flammte in ihr auf und kam in den Tönen zum Ausdruck, die sie jetzt den Saiten entriss. Ohne Unterbrechung ging sie in ein immer stürmischer werdendes Vorspiel über, bis sie die Melodie fand zu dem, was ihr nun aus dem übervollen Herzen von den Lippen strömte:

      Richter und Schöffen ich komme zu klagen!

      Dumpf erdrückendes Leid soll ich tragen,

      Wo mir die Seele von Jubel erklingt

      Und mit Gewalt der Erfüllung entgegen

      Wachsende treibende Wünsche sich regen>

      Wie sich die Rose der Knospe entringt.

      Niemals hat mir meine Jugend geschäumet

      Habe nur immer gehofft und geträumet;

      Wusste bis heute vom Glücke nicht viel.

      Jetzo mein Erbteil davon zu begehren

      Sollen mir Himmel und Hölle nicht wehren,

      Gält’ es ein noch so gefährliches Spiel.

      Ob es zum Guten. zum Bösen sich wende,

      Mit der Geduld bin ich endlich am Ende,

      Fester Entschluss ist des Handelns Beginn.

      Trostlos entsagen und immer entsagen?

      Lieber zu Trümmern gleich alles zerschlagen,

      Was mir einst heilig — es fahre dahin!

      Kann ich nicht retten die sündige Seele,

      Wer von den Sterblichen ist ohne Fehle?

      Wo ist auf Erden vor Qualen ein Schutz?

      Schuld im Gewissen ist’s nicht, was ich scheue,

      Mir graut nicht vor bohrender Reue,

      Mit meiner Liebe biet’ ich ihr Trutz.

      Zu den letzten Worten des Liedes schlug sie die Harfe so übermäßig stark, dass eine Saite mit schrillem Misston zersprang. Erschrocken starrte sie auf die beschädigte Vertraute ihrer Leiden und Freuden.

      Ihr war warm geworden vom Singen, und sie trachtete hinaus ins Freie, sich das erhitzte Blut zu kühlen. So ging sie zum Altan, zu der Stätte, auf der sie schon manchmal Ruhe und Sammlung gesucht und gefunden hatte. Da stand sie vorn an der Brüstung, wo der Wind durch die Bäume rauschte, sie mit kräftigem Hauch anblies, rüttelte und schüttelte, dass ihr gelöstes Haar sie in langen Strähnen umflatterte. Sie achtete dessen nicht, horchte nur auf das Sausen und Brausen des Windes, als hörte sie Stimmen darin, die verständlich zu ihr sprachen und ihr zu Herzen gingen. Aus einer höheren, unbekannten Welt, in der die Geschicke der Menschen von weisen Händen gewogen wurden, sang nun er ihr ein Lied; — klang es von harren und hoffen oder von scheiden und meiden?

      Vierzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Da Graf Hoyer bis zum Abend noch nicht auf den Falkenstein zurückgekehrt war, mussten Gerlinde und Eike wieder allein miteinander speisen, und Gerlinde freute sich darauf. Sie hoffte, dass sich Eike inzwischen besonnen haben und ihr nun wenigstens durch größere Traulichkeit und Innigkeit im Verhalten einen stummen Beweis seiner Liebe geben würde.

      Als die Essenszeit schon erheblich überschritten war, sandte Gerlinde ihre Zofe zu Eike, ihn herbeizurufen.

      Melissa überbrachte ihr jedoch die Bestellung, Herr von Repgow ließe bitten, ihn bei Tische zu entschuldigen, er· säße so tief in der Arbeit, dass er nicht abbrechen könnte und noch Stunden lang zu schreiben hätte. Frau Gräfin möchte die Güte haben, ihm einen kleinen Imbiss auf sein Zimmer zu schicken.

      Gerlinde musste sich beim Anhören dieser Meldung sehr zusammennehmen, um ihren Unmut darüber vor Melissa zu verbergen. Sie wandte sich ab und sprach:

      »So bring’ ihm, was er begehrt, und sag’ ihm, ich wünschte ihm eine geruhsame Nacht.«

      Nun war ihr die Freude verdorben. Enttäuscht und sorgenvoll spürte sie nach dem Grunde von Eikes nichtiger Ausrede, denn sie glaubte nicht an die Unaufschiebbarkeit seiner Arbeit, deren Vollendung doch wahrlich nicht an Tage gebunden war; er konnte ja morgen ausführen, was er heute nicht fertig schaffte. Nein, nein! Er machte bitteren Ernst mit seiner Entsagung und wollte dem Alleinsein mit ihr aus dem Wege gehen. War das aber wirklich nur übertrieben gewissenhafte Entsagung? Oder war es Mangel an Liebe? Gegen diese niederschmetternde Deutung seiner Weigerung, mit ihr zu essen, sträubte sie sich heftig, und es stieg ihr ein tröstlicher, beglückender Gedanke auf. Vielleicht geschah es gerade aus Liebe zu ihr, dass er es nach dem Vorgang am Heidenquell vermeiden wollte, ohne Zeugen mit ihr zu sein. Diese feinfühlige Rücksichtnahme auf sie und — einen anderen musste sie anerkennen und ehren, wenn ihr auch etwas weniger Selbstbeherrschung seinerseits nicht unwillkommen gewesen wäre. —

      Als Melissa mit Eikes Dank zurückkehrte, berichtete sie der Ritter säße gar nicht an seinem Schreibtische, sondern wandelte rastlos von einem Ende des Zimmers zum anderen. Plötzlich wäre er vor ihr stehengeblieben, hätte sie nachdenklich angeschaut und eine Handbewegung nach dem aufgetragenen Essen hin gemacht, als hätte er sagen wollen: Nimm’s wieder mit! Ich komme! Aber dann hätte er den Kopf geschüttelt und leise vor sich hin brummend sein unstetes Umherrennen wieder aufgenommen.

      Gerlinde lächelte beseligt, denn nun wusste sie, was es mit der angeblichen Arbeit auf sich hatte und dass Eike, nur darum ihre Einladung widerstand, weil er ebenso wie sie mit leidenschaftsvollen Empfindungen rang, denen er nicht ungezügelten Lauf lassen wollte.

      Melissa dagegen dachte in ihres Herzens Einfalt: Jetzt haben sie sich zum .ersten Male gezankt, und nun stolziert er in seinem Bücherkäfig wie ein knurrender Löwe umher, muckt mit seiner Löwin und will in seinem Ingrimm nicht einmal das Futter mit ihr teilen. Schadet nichts! So’n kleiner Liebesstreit hat auch sein Gutes, und je bissiger er war, je rührender und süßer ist danach die zärtliche Versöhnung. Wenn es sich der Herr Graf nur noch ein paar Tage bei der hochwürdigsten Äbtissin in Quedlinburg gefallen lassen wollte, damit sich die beiden hier ungestört einander widmen können. Ich werde wachen, dass er sie nicht einmal unvermutet überrascht; das wäre eine schöne Geschichte!

      Während Melissa die Gräfin bei Tische versorgte und sah, wie trefflich es ihrer lieben Herrin mundete, folgerte sie: Na, den Appetit hat ihr des tapferen Ritters Halsstarrigkeit wenigstens nicht beeinträchtigt. Ob ihm der kalte Wildschweinsrücken auch so schmeckt?

      Eine Stunde blieb Gerlinde nach dem Abendessen noch auf und grübelte fort und fort über Eikes Absage, die ihr nicht aus dem Sinn wollte. Dann begab sie sich, zeitiger als es ihre Gewohnheit war, in ihr fürstlich ausgestattetes Schlafgemach, das außer ihr und Melissa niemand betreten durfte, und ließ sich von der Jungfer entkleiden.

      »Höre, wie der Wind braust!« sprach sie. »Ob ein Gewitter im Anzug ist? Mir ist so schwer in den Gliedern.«

      Und noch schwerer im Herzen, dachte Melissa. Zur Antwort gab sie:

      »Ich glaube nicht, Frau Gräfin, es ist nicht schwül draußen.«

      »Doch,

Скачать книгу