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entstehen würden, die der Einführung und Verbreitung seines Gesetzbuches hinderlich werden könnten.

      Aber das nicht allein. Erst kürzlich hatte Friedrich eine von Petrus de Vinea herrührende Verordnung bestätigt, die ein neues bürgerliches und öffentliches Recht begründen sollte und in welcher unter anderem die Unterwerfung der Geistlichen unter die weltliche Obrigkeit ausgesprochen war. Dies war ja ganz in Eikes Sinne gedacht und getan, aber nun befiel ihn die Angst, Vineas Buch könnte seinem Sachsenrecht, das er noch unter der Feder hatte, zuvorkommen, ihm den Rang ablaufen und es in das Hintertreffen verweisen.

      Da galt es, alle Kräfte anspannen, damit er das rüstig fortschreitende Werk so bald wie möglich seinem Volke darbringen könnte, also arbeiten, immer nur arbeiten.

      Und hier in seiner stillen Klause suchte er sich vor dem von weitem zu ihm dringenden welterschütternden Lärm kämpfender Zwietracht unter den Gewalthabern oder nach Gewalt Strebenden so viel wie möglich zu verschließen.

      Graf Hoyer ließ den Freund in seiner angestrengten Tätigkeit unbehelligt, weil er wusste, was diesen zu so rastlosem Fleiße spornte. Eike hatte ihm gesagt, dass es sich jetzt für ihn um einen Wettstreit mit Petrus de Vinea handele, und die Vorhaltung des Grafen, dass doch sein Rechtsbuch ein bedeutenderes und viel umfassenderes sei als das des kaiserlichen Hofrichters, konnte seine Sorgen nicht zerstreuen. Gar nicht erbaut von Eikes Überstürzung seiner Arbeit war Gerlinde, denn nun sah sie den allstunds Ersehnten noch weniger als bisher; kaum bei Tische hielt er stand, war wortkarg und hatte den Kopf von anderen Dingen voll als von dem Verlangen, ihr seine Liebe immer wieder aufs Neue zu erkennen zu geben. O dieses unselige Gesetzbuch! seufzte sie in heller Verzweiflung. Der scheidende Sommer wehrte sich noch gegen das Vordringen des Herbstes, musste aber seinem unablässigen Angreifer doch endlich weichen und ihm das Feld räumen.

      Und nun, da er im Besitze war, zeigte sich der Sieger von seiner freundlichsten Seite. Mit strahlendem Sonnenschein hielt er seinen Einzug in das eroberte Gebiet, vergoldete das Laub der Buchen, Eichen und Birken und färbte die Blättlein der Heidelbeeren purpurn, die in breiten Ansiedlungen zwischen dunkelgrünen Wachholderbüschen einen gar lieblichen Anblick boten, während rote Vogelbeeren und Hagebutten nebst blauschwarzen Schlehen sich hie und da in Baumwuchs und Strauchwerk mischten.

      Schneeweiße, vom Volke Altweibersommer genannte Spinnfäden schwebten durch das Tal, blieben hie und da an einem Strauche haften, bis sie sich wieder losringelten und weiter flogen, um mit ihren mehr als klafterlangen Wimpeln anderswo zu landen. Wohin ihre Reise ging, wussten die winzigen Segler, die in dem lustigen Schifflein saßen, selber nicht, denn sie mussten sich willenlos von jedem Hauche treiben lassen, weil sie kein Steuer an Bord hatten.

      An einem dieser sonnigen Herbsttage langten liebe Gäste auf dem Faltenstein an. Graf Burkhard von Mansfeld und seine Schwiegertochter Irma ritten ein und brachten mit ihrem unerwarteten Erscheinen eine wohltuende Abwechselung in das Stillleben der Burg, von den Bewohnern freudig bewillkommnet.

      Die Grafen Burkhard und Hoyer waren gute Freunde und ehemalige Waffenbrüder, und ein ebenso inniges Verhältnis bestand seit ihrer fast gleichzeitigen Verheiratung auch zwischen den Gräfinnen Irma und Gerlinde.

      Gleich nach der Begrüßung fragte Graf Hoyer:

      »Warum hat euch dein Sohn nicht begleitet?«

      »Alwin ist mit zwei Waldhütern den Wilderern in unseren Forsten auf der Fährte, und gerade heute hofft er sie fahen zu können,« erwiderte Graf Burkhard. »Wie steht es denn bei dir mit dem edlen Waidwerk?«

      »Schlecht; ich darf nicht mehr auf die Berge steigen.«

      »Rumort das Herz wieder?«

      Graf Hoyer nickte und winkte dem Freunde mit der Hand, davon zu schweigen. Burkhard forschte auch nicht weiter danach, sondern sagte nach einem Weilchen:

      »Ich musste dich einmal wiedersehen und wollte dir auch danken für die unermessliche Freude, die du mir bereitet hast.«

      »Womit?« fragte der andere erstaunt.

      »Damit, dass du mir den ehrenfesten Ritter Dowald von Ascharien zugeschickt hast.«

      »Burkhard! Traust du mir das zu?«

      »Bewahre! Er behauptet aber, du hättest ihn an mich gewiesen, weil ich einen guten Posten für ihn hätte.«

      »Etwan als Kellermeister? Den alten verlotterten Säufer?«

      »O er war ungewöhnlich gut ausstaffiert.«

      »Das glaub’ ich! Mit meinem besten Rocke, den er mir ausgeführt hat,« lachte Graf Hoyer. »Er wollte von hier auf die Heimburg zum Regensteiner, der ihn dringend eingeladen hätte.«

      »Eingeladen! Als ob den ein vernünftiger Mensch zu sich einlüde! Drei Tage lag er bei mir auf der Bärenhaut; damit hatte ich genug von ihm und schob ihn sachte ab.«

      »Wohin denn nun?«

      »In die Gegend von Halberstadt und dann die Bode entlang wollte er reiten, wie er vorgab. Dort hätte er vermögende Gönner und wackere Gesellen.«

      »Denen gönne ich ihn, « spottete Hoyer und fuhr dann fort: »Ich bin an dem Überfall des Aschariers zwar unschuldig, möchte mich aber doch mit einem ehrlichen Sühnetrunk vor dir reinigen. Komm’ mit mir zu einem guten Tropfen in mein Kämmerlein, die beiden jungen Weibsen werden uns zwei Alte nicht vermissen.«

      Als sie in Hoyers Zimmer beim Weine saßen, begann der Mansfelder:

      »Ich habe noch einen Pfeil im Köcher. Was ist das mit dem neuen Gesetzbuch, das hier auf dem Falkenstein geschrieben wird?«

      »Dacht’ ich’s doch!« rief Hoyer. »Dir hätt’ ich heute auch ohne deine Frage alles gesagt, aber dem Dowald wollt’ ich’s verschweigen. Das glückte jedoch nicht; einer meiner Dienstleute, ehemals Klosterschüler in Gröningen, der dem Rechtskundigen die Abschriften besorgt, hat es dem alten Schnüffler verraten.«

      »Dowald war auf den Ritter von Repgow schlecht zu sprechen.«

      »Sehr begreiflich, denn mit der Aufforderung, uns abschreiben zu helfen, haben wir den Faulpelz schon am ersten Tage nach seiner Ankunft ausgeräuchert. Du wirst ja bei Tische die Bekanntschaft meines gelehrten Freundes machen; jetzt darf ich ihn von seiner Arbeit nicht aufstöbern. So höre denn!«

      Nun erstattete Graf Hoyer seinem Besuche genauen Bericht, erzählte ihm, wie er den Reppechower einst zu fällig im Gasthaus am Scheideweg getroffen, dieser ihm dort seine Absichten anvertraut und er ihn darauf eingeladen hätte, sein Buch auf dem Falkenstein zu schreiben. Hier hätte ihn Eike tiefer in seinen Plan eingeweiht, ihn von der Notwendigkeit einer Verbesserung der deutschen Rechtsverhältnisse überzeugt und ihm die Grundsätze, die ihn dabei leiteten, ausführlich entwickelt, was alles Graf Hoyer nun seinerseits dem ihm gegenüber Sitzenden klärlich darlegte.

      Graf Burkhard folgte dem umständlichen Vortrage mit gespannter Aufmerksamkeit, und nachdem er sich über einzelne Punkte nähere Auskunft erbeten hatte, die durchaus zu seiner Befriedigung ausfiel, stimmte der von dem Ascharier ganz falsch Unterrichtete dem kühnen Plane, Rechtseinheit in ganz Sachsenland zu schaffen, freudig zu.

      »Du bist also mit allem, was ich dir mitgeteilt habe, einverstanden?« fragte Hoyer.

      »Vollkommen.«

      »Das ist mir viel wert, denn ich nehme Verbindlichkeit und Bürgschaft für das Buch auf mich,« erklärte Hoyer, »und man kann nicht wissen, ob man nach der Veröffentlichung so durchgreifender Änderung in unserem Gerichtswesen, die vielleicht manchem Widerspruch im Lande begegnen wird, nicht einmal einen starken Rückhalt gegen gehässige Angriffe braucht.«

      »Sie werden nicht ausbleiben,« versetzte Burkhard. »Auf mich kannst du zählen, ich halte treu zu dir und dem mutigen Gesetzgeber. Hast du schon mit Hohnstein darüber gesprochen?«

      »Nein«

      »Oder mit dem Blankenburger?«

      »Auch nicht.«

      »Wie ich die beiden kenne, werden sie sich gewiss

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