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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auch das sah Gerlinde noch. Melissa wusste also nicht allein, warum sie so lange auf ihre Herrin hatte warten müssen und mit wem sich diese versäumt hatte, sondern auch, dass die Zusammenkunft in nächtlicher Stunde keine erfreuliche gewesen war.
Sie machte sich nichts daraus, mochte jene denken, was sie wollte, ihr war jetzt alles gleichgültig. Die Erde hatte keine Blüten, der Himmel keine Sterne mehr, da einer von ihr schied, ohne den ihr das Leben zu einem jämmerlichen Schattenspiel wurde.
Kein Schlummer senkte sich lind und heilsam auf Gerlindes tränennasse Augen und erlaubte ihr, von dem ihr versagten Glücke wenigstens zu träumen, dessen Verwirklichung sie von der Allmacht der Liebe so sehnlichst erhofft hatte. Mit grausamer Zähigkeit hielt sie der Gedanke wach, dass Eike von Repgow sie morgen verlassen würde. Sie sollte ihn nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr an seinem Schaffen teilnehmen. Auch dieses Glück hatte sie sich mit ihrem leidenschaftlichen Vorgehen verscherzt, und den, dem sie es verdankte, vertrieb sie aus der ihm lieb gewordenen Stätte, von wo das Werk mit dem aufsteigenden Ruhme seines Schöpfers in die staunende Welt hatte hinauswandern sollen.
Und dabei musste sie sich zu ihrer Beschämung noch gestehen, dass Eike mit seiner Ablehnung ihres Verlangens nach innigerem Verkehr im Rechte war und nicht anders handeln konnte, wenn er den Burgfrieden nicht gefährden und den schönen Einklang fröhlicher Gastfreundschaft nicht verstimmen wollte.
Aber über die Trennung von ihm konnte sie nicht hinwegkommen, konnte sich kein Bild davon machen, was werden würde, wenn er nicht mehr hier war. Sie wollte auch morgen nicht Abschied von ihm nehmen, weil sie es nicht wagte, sich die Kraft nicht zutraute, ihm, ehe er zu Pferde stieg, in Gegenwart ihres Gatten die Hand zu reichen und lachenden Mundes zu sprechen: Auf Wiedersehen!
Wiedersehen? Ja, wie war das denn? Eike hatte gesagt: »Wir müssen uns eine Weile trennen.« Eine Weile! Wie schätzte er denn die Zeit? Auf Tage oder auf Wochen? Darüber hatte er sich ihres Wissens nicht geäußert, und sie schöpfte daraus die Hoffnung, dass er binnen Kurzem wiederkommen würde. Nur eines war ihr noch unerfindlich. Wie wollte er dem Grafen gegenüber seine plötzliche Abreise begründen? Denn die Wahrheit, dass er ihretwegen ginge, durfte er ja nicht sagen. Dafür einen glaubhaften Vorwand zu ersinnen musste sie ihm überlassen, ihm dabei helfen konnte und wollte sie nicht.
Noch lange floh sie der Schlaf. Endlich aber erbarmte er sich ihrer und deckte den dicht gewobenen Schleier des Vergessens über sie.
Auch für Eike war diese Nacht eine ruhelose. Nicht, dass er wieder wankend wurde und sich noch einmal überlegte, was er tun oder lassen sollte. O nein! Sein Entschluss stand unerschütterlich fest in ihm. Morgen wollte er Burg Falkenstein auf Nimmerwiederkehr verlassen; es musste sein. Gerlinde hatte den am Heidenquell eingegangenen Vertrag gebrochen und damit sich und ihn in eine auf die Dauer unhaltbare Lage gebracht.
Was bis jetzt scheu und verborgen als beseligendes Geheimnis zwischen ihnen gewaltet hatte, war gegen die Abrede schweigenden Entsagens an das Licht gezogen worden und hatte, frank und frei ausgesprochen, seinen zartesten Duft und Schmelz eingebüßt. Aber das nicht allein. Nach der beiderseitigen Offenbarung ihrer Liebe würde die bisher bewahrte Vorsicht in ihrem Benehmen zueinander mehr und mehr schwinden und die Gefahr der Entdeckung ihres verpönten Herzensbundes mit jedem Tage wachsen, wenn er jetzt noch hier bliebe.
Noch ahnte Graf Hoyer nichts und schenkte dem als Gast unter seinem Dache Hausenden unbegrenztes, unbedingtes Vertrauen, das schändlich zu missbrauchen Eike ein entsetzlicher Gedanke war. Schlimm genug schon, dass er dem edlen Manne den wahren Grund seines Abschieds zu verhüllen, mit Lug und Trug unter die Augen treten musste.
Das konnte er sich nun leider nicht ersparen und hatte auch schon eine geschwinde Ausflucht bei der Hand. Er wollte sagen, er müsse stracks nach Reppechowe reiten, um sich eine Anzahl von seinen dort noch befindlichen Aufzeichnungen zu holen, die er früher als überflüssig erachtet hätte, deren er jedoch, wie er sich jetzt überzeugt, durchaus benötigt wäre. Forschte der Graf, wie zu erwarten war, nach der Ursache seines langen, seines gänzlichen Ausbleibens, so würde sich später wohl auch dafür eine annehmbare Erklärung finden lassen.
Das Gesetzbuch war zu drei Vierteln fertig; das letzte Viertel musste Eike nun zu Hause schreiben, eine ihn keineswegs lockende Aussicht. Wilfreds Hilfe würde ihm gewiss manchmal dabei fehlen, aber das war das Wenigste. Was alles andere er dabei schmerzlich entbehren würde, — daran mochte er gar nicht denken.
Früh morgens erhob er sich vom Lager. Sein letzter Tag auf dem Falkenstein war angebrochen, und nun stand er vor einem Abschnitt, an einer Wendung seines Lebens. Wie traurig würde er in ein paar Stunden den Berg hinunterreiten, den er vor wenigen Monaten so freudig heraufgeritten war! Von einem wehmütigen Gefühl durchschauert trat er ans Fenster, um das fesselnde Bild, das sich ihm hier bot, noch einmal tief in sich einzusaugen. Er schaute zu den Bergen hinüber, in das breite Tal hinab und auf den herbstlich bunten Wald den er in sprossendem Frühlingsgrün gesehen hatte.
Dort drüben hatte er einst gerastet und mit spähenden Augen Gerlindes Kemenate gesucht, als von Süden her der Adler geflogen kam, der ihm, wie er träumte, einen Gruß vom Kaiser Friedrich brachte. Jetzt zogen, vom Westwind getrieben, graue Wolken über das Tal hin, und kein Fleckchen blauen Himmels zeigte sich ihm zu einem freundlichen Fahrewohl.
Er kehrte sich vom Fenster ab seinem Gemache zu und ließ sinnend den Blick auf seinem Schreibtisch ruhen, wo er die langen Tage gesessen und an seinem Gesetzbuch geschrieben hatte. Gerlinde und das Sachsenrecht, das waren die festen Pole, um die sich sein Dasein hier gedreht hatte. Das Buch nahm er mit sich, aber von der Geliebten musste er scheiden. Doch er wollte nicht weich werden, musste sich zur Reise rüsten, seinen Mantelsack packen und dann Abschied nehmen.
Als er dem Bücherrück zuschritt, seine Papiere zu sammeln, fiel ihm noch eine List ein, die seine Absicht, auf immer davonzugehen, besser verdeckte als gefälschte Worte. Er wollte außer seinem fertigen Manuskript nebst Wilfreds Abschriften davon nur das einstecken, dessen er zur Fortsetzung des Werkes noch bedurfte, alles übrige aber zurücklassen, als ob er bald wieder kommen und hier weiter arbeiten würde.
Das Einpacken war schnell besorgt, und nun war es Zeit, dem Grafen seinen Entschluss mitzuteilen und die Veranlassung dazu auseinanderzusetzen. Eike machte sich also auf den Weg, und das wurde ihm ein sehr schwerer Gang.
Graf Hoyer nahm das ihm dringlich Vorgestellte als hinreichenden Grund zu einer Heimfahrt gläubig hin, fragte jedoch:
»Kann denn die dir fehlenden Schriften nicht Sibold holen?«
»Nein, sie sind eingeschlossen, und ich muss auch selber wählen, um die richtigen herauszufinden,« erklärte Eike.
»Nun, wenn du dieserhalb durchaus nach Reppechowe musst, so reite in Gottes Namen hin,« sagte der Graf, »ich reite mit.«
Eike erschrak nicht wenig, denn dieses gutgemeinte Anerbieten warf seinen Plan völlig über den Haufen.
Der Graf würde nicht ohne ihn umkehren, sondern ihn mit einigen zum Schein zusammengerafften Papieren sofort wieder nach dem Falkenstein entführen wollen.
Dem musste er vorbeugen und dem alten Herrn das Mitreiten auszureden suchen.
»Herr Graf,« begann er in fürsorglichem Tone, »zur Elbe hin ist es ein weiter Weg.«
»Bis an die Elbe will ich dich auch nicht bringen,« erwiderte Hoyer. »Um eine kleine Strecke will ich dich begleiten, muss einmal wieder in den Sattel und fühle mich jetzt gesund und kräftig genug dazu. Wann willst du abreiten?«
»In dieser Stunde noch, wenn es Euch genehm ist,« entgegnete Eike erleichtert aufatmend. »Mein Mantelsack ist gepackt und mein Pferd bestellt.«
»Und wann gedenkst du wiederzukommen?«
Diese verfängliche und doch so natürliche Frage trieb den eben erst aus einer schlimmen Verlegenheit Entschlüpften aufs Neue in die Enge.
»Wann ich wieder