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sich bei den reichlich aufgetragenen Speisen und Getränken wohl sein, scherzten und neckten sich, lachten und sangen.

      Für die später zu erwartende Herrschaft war seitwärts von der großen Tafel ein besonderer Tisch gedeckt, und beim Eintritt des Grafen und der Gräfin mit Eike von Repgow blies der Türmer auf seinem Horn einen fröhlichen Willkomm, wobei sich alle erhoben und stehen blieben, bis jene dort Platz genommen hatten. Dann durfte jedoch, nach dem ausdrücklichen Willen des Grafen, keineswegs eine verschüchterte Stille walten, sondern die Unterhaltung musste ihren zwanglosen Verlauf weiter nehmen.

      Nachdem der Burgherr eine Zeitlang dem lustigen Treiben mit Behagen zugeschaut hatte, ging er zu diesem und jenem seiner Leute und hatte für jeden ein gnädiges Wort. Auch Gräfin Gerlinde besuchte mehrere der an der Tafel sitzenden Frauen zu einer kurzen Begrüßung.

      Eike, den alle hoch achteten, weil sie wussten, was er mit seiner Feder hier tat, auch für sie tat, um ihnen und ihresgleichen im Lande ein besseres Hof- und Dienstmannenrecht zu schaffen. Eike wandelte, den Becher in der Hand, umher und ehrte die ihm Bekanntesten mit einem freundlichen Zutrunk, so den Wildmeister, die über diese Auszeichnung errötende Melissa, seinen Schreiber Wilfred und sogar den treuen Pfleger seines Rosses, den biedern Sibold.

      Der Wildmeister brachte an: »Herr von Repgow, wenn Ihr bei Eurer Arbeit an das Wildbannrecht kommt, hätte ich ein paar bescheidene Wünsche.«

      »Und die wären?« fragte Eike.

      »Ja, die muss ich Euch allein vortragen, wenn Ihr einmal die Armbrust auf die Schulter nehmt und wir auf die Pirsch gehen. Übrigens nichts für ungut, Herr Ritter! Weidmanns Heil!«

      »Ich kann Euch leider nicht Weidmanns Dank sagen, Wildmeister, denn ich bin kein hirschgerechter Jäger,« erwiderte Eike.

      »Du hast ganz recht, Scharruhn,« fiel der Graf ein, der sich zufällig in der Nähe befand, »ich liege dem Ritter schon lange damit in den Ohren. Nimm ihn nur einmal mit und stelle ihn gut an, wo ein Zwölfender wechselt.«

      »Das will ich gern tun, Herr Graf,« versetzte der graubärtige Waldläufer. »Sie röhren noch, und ich würde mich freuen, wenn ich Herrn von Repgows Kappe mit einem Eichenbruche zieren könnte.«

      Eike lächelte und schüttelte ungläubig sein ausdrucksvolles Denkerhaupt.

      Noch eine Viertelstunde bewegte sich der Graf unter seinem ihm anhänglich ergebenen Gesinde; dann hatte er genug von dem Tumult und verließ bei schon herabgesunkener Nacht ohne Aufsehen, nur von Folkmar zu seiner Bedienung begleitet, die geräuschvoll zechende Gesellschaft.

      Damit hatte Gerlinde gerechnet, und als bei Hoyers Verabschiedung von ihnen auch Eike Miene machte zu gehen, flüsterte sie ihm zu:

      »Ich bitte Euch, bleibt noch!«

      Er stutzte vor dem eigentümlichen Ton, mit dem sie das gesagt hatte, blieb aber, dieser Aufforderung nach gebend, bei ihr.

      Sie war nun, mit Eike allein an dem kleinen Tische, von einer fieberhaften Unruhe, zerstreut, geistesabwesend, und bald nach Folkmars Rückkehr in die Halle sprach sie entschlossen:

      »Jetzt ist es Zeit, kommt!«

      Sie erhoben sich, und sofort war Melissa zur Verfügung der Herrin, die ihr hastig befahl:

      »Geh’ voraus, mache Licht im Schlafzimmer und erwarte mich oben.«

      Stumm schritten die zwei über den vom Monde beschienenen Burghof an dem Brunnen vorüber, dessen von vier Pfeilern getragenes, seltsam geformtes Dach einen unheimlichen Schatten auf den stillen Platz warf.

      Aber nicht in das Schloss führte Gerlinde den ihr verwundert Folgenden so schnell, dass er Mühe hatte, mit ihr Schritt zu halten, sondern in den Burggarten und dann die Stufen empor auf den Altan.

      Dort trat sie geisterbleich, zitternd vor ihn hin, keines Wortes mächtig. Sie hatte sich alles sorglich ausgedacht, was sie ihm sagen wollte, und nun war sie unfähig, es vorzubringen.

      »Gerlinde! Was ist Euch? Was ist geschehen?« fragte er bestürzt.

      »Ich — ich kann nicht mehr leben so,« stieß sie aus gewaltig arbeitender Brust heraus.

      »Um Gottes willen, redet! Was ist geschehen?«

      »Wie könnt Ihr noch fragen! Ahnt Ihr, ratet Ihr nicht, was mich in Verzweiflung treibt?« stöhnte sie. »Denkt an den Heidenquell!«

      Da wusste er auf einmal alles. Die Leidenschaft ging mit ihr durch, zum rasenden Sturm entfesselt.

      »Gerlinde!« sprach er ernst mit warnend erhobenem Finger, »dann denkt auch Ihr an das, was ich Euch dort gesagt habe. Wir müssen uns überwinden, dürfen nicht pflichtvergessen die Schranken durchbrechen, die uns unverrückbar gezogen sind.«

      »Uns überwinden!« wiederholte sie bitteren Tones. »Wenn Ihr es könnt, — ich kann es nicht.«

      »Glaubt Ihr, dass es mir leicht wird? Was Euch im Innersten bewegt, das schlägt auch hier seine schütternden Wellen, und doch müssen wir es niederringen, und sollten wir darüber zugrunde gehen.«

      »Ich bin schon nahe daran,« flüsterte sie. Dann fuhr sie immer erregter werdend fort:

      »Das eine Wort, das unauslöschlich in unseren Herzen geschrieben steht, ist niemals zwischen uns gesprochen worden; jetzt spreche ich es aus: Liebe – Liebe lässt sich nicht niederringen, Eike von Repgow!«

      Mit einem schmerzlichen Lächeln entgegnete er:

      »Man lernt im Leben manches, was einen erst unmöglich däuchte. Das Schicksal ist stärker als wir, Gerlinde!«

      »Der Starke schafft sich sein Schicksal selbst.«

      »Ein Glück, auf Unrecht und Schuld erbaut, ist kein wahres Glück, ist ein unseliges Los, ein Fluch, dem wir nie und nirgend auf Erden entrinnen könnten.«

      »Er falle auf mein Haupt! Ich werde ihn tragen!« rief sie herausfordernd, hoch aufgereckt.

      Eike schwieg, denn mit Worten waren Gerlindes heiß überquellende Worte nicht zu widerlegen. Aber er musste seine ganze Mannheit aufbieten, der Liebeatmenden, der Liebeverlangenden gegenüber fest zu bleiben. In verführerischer Schönheit stand sie vor ihm; er brauchte nur die Arme auszustrecken, sie an sich zu reißen, und sie war sein.

      Ihm bebte das Herz, ihm siedete das Blut in den Adern; er war auch ein Mensch. Was sollte er beginnen, sich und die Geliebte aus der sie beide umgarnenden Gefahr zu befreien? Dazu gab es nur ein einziges Mittel, und schnell fasste er in diesen schwersten Augenblicken seines Lebens den Entschluss, der dem Kampf ein Ende machte. Mild und doch mit aller Bestimmtheit sprach er:

      »Gerlinde, wir müssen scheiden.«

      Fragend, verständnislos blickte sie ihn an.

      »Ich meine, es ist ratsam, nein, nötig, dass wir uns auf eine Weile trennen,« erklärte er schonend, ihre Hand mit seinen beiden umfassend. »Seht Ihr das ein, Gerlinde?«

      Da sank ihr wie geknickt das Haupt auf die Brust, aber kein Laut kam mehr von ihren Lippen. Sie entzog ihm ihre Hand und ging still davon.

      »Seht wohl, Gerlinde!« rief er ihr nach, »ich reite morgen heim nach Reppechowe.«

      Sie erwiderte nichts, wandte sich nicht nach ihm um, schritt langsam die Stufen vollends hinab und verschwand in der dämmrigen Nacht.

      Eike blieb auf dem Altan in tiefen Gedanken. Er hatte getan, was er als ehrlicher, gewissenhafter Mensch und als Gast des Grafen tun musste, aber ihm war wund und wehe im Herzen. Einem Traumwandler gleich begab er sich durch den Garten zum Schlosse.

      Hell und heiter schien der zunehmende Mond vom Himmel, und von der Dirnitz her scholl jauchzender Gesang.

      Siebzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Halb

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