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doch einmal drauf ankommen, ihr beiden!« knurrte der Alte und zog sich beleidigt in seinen Schmollwinkel, das Torstübchen, zurück. —

      Dem Grafen Hoyer wurde Eikes Abwesenheit je länger sie währte, je unverständlicher, denn er konnte sie auf keine Weise mit der ihm dargelegten Absicht des Freundes in Einklang bringen. Nun ließ es ihm keine Ruhe mehr; er wollte wissen, was dahinter steckte. Vielleicht konnte ihm Wilfred Auskunft geben. Sofort beschickte er den Schreibgehilfen seines beurlaubten Gastes, um aus ihm eine Deutung von Eikes Verschwinden herauszupressen.

      Wilfred, der immer ein gebrochen Schwert und nie ein ganz reines Gewissen hatte, erschien mit ängstlich klopfendem Hasenherzen vor dem gestrengen Burgherrn und war auf manches gefasst, nur nicht auf etwas Erfreuliches.

      Der Graf stellte jedoch in einem fast gnädigen Ton die Frage an ihn:

      »Wilfred, hat dir Herr von Repgow Näheres über die Zeit seiner Wiederkehr gesagt?«

      »Nein, Herr Graf! Er wollte sich nur noch einige Schriftstücke für sein herrliches Gesetzbuch holen,« entgegnete Wilfred.

      »Ganz recht,« sprach der Graf, »aber davon könnte er doch längst wieder hier sein.«

      »Das hab’ ich mir auch schon gedacht.«

      »So! Du auch, — und was denkst du dir sonst noch?«

      Wilfred zuckte die Achseln und erwiderte:

      »Nichts, Herr Graf! Mich hat Herr von Repgow nicht ins Vertrauen gezogen.«

      »Besinne dich wohl! Es kommt mir viel darauf an,« ging ihm der Graf nun schärfer zu Leibe.

      »Ich habe keinerlei Vermutung über den Verbleib des Ritters,« log Wilfred unsicher und eingeschüchtert.

      »Du kannst mir also nicht den geringsten Anhalt über die Pläne und Maßnahmen des Ritters geben?« fragte der Graf noch einmal dringlich den vor ihm Zitternden.

      »Ich glaube, Herr Graf —.«

      »Ach was, glauben! Tu’, was ich dir befohlen habe,« schnitt ihm der Graf schnell das Wort ab und winkte ihm, zu gehen, denn in diesem Augenblick war die Gräfin eingetreten, die von diesem Gespräch nichts wissen sollte.

      Wilfred, froh, dass das peinliche Verhör damit ein Ende hatte, machte sich schleunig aus dem Staube.

      Er war gerade auf dem Sprunge gewesen, seine Entdeckung in Bezug auf die von Eike mitgenommenen und von ihm hiergelassenen Papiere einzugestehen. Wäre ihm dazu Zeit gelassen worden, so hätte der Graf erfahren, dass Eike niemals wiederkommen wollte, und das hätte zu Erörterungen im Schlosse führen können, von denen sich der diesmal Unschuldige nichts Gutes versprach. Diese Gefahr war durch den Eintritt der Gräfin abgewendet.

      .Gerlinde hatte mit ihrem Gemahl nur eine kurze Besprechung über eine Wirtschaftsangelegenheit, in der sie seinen Rat zu hören wünschte und nach deren Erledigung sie ihn wieder verließ.

      Dem Grafen war es aufgefallen, wie bleich und bekümmert sie ausgesehen hatte, und er brauchte nach der Ursache davon nicht zu suchen.

      »Eike fehlt ihr ebenso wie mir,« sprach er zu sich, »sie härmt sich um ihn, und das ist sehr begreiflich. Sie standen so freundschaftlich miteinander, er unterhielt sie so gut, und sie redete so gern mit ihm von seinem Werke, wie ich, ganz wie ich. Das soll nun alles mit einem Male vorbei sein? Nein! Auch ich will ihn wiederhaben, und ihr bereite ich eine Freude, wenn ich ihn wieder einfange und sie eines schönen Tages mit seiner Rückkehr überrasche.«

      Er erhob sich und schritt, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab.

      »Wenn ich reiten könnte, holt’ ich ihn mir selber. Aber schreiben werd’ ich ihm, einen geharnischten Brief, der ihm an Herz und Nieren geht. Scharruhn muss damit hin zu ihm und mir den Abtrünnigen heranschaffen.«

      Er beschied den Wildmeister, auf den er sich unbedingt verlassen konnte, zu sich und eröffnete ihm:

      »Scharruhn, du musst morgen zu Herrn von Repgow reiten nach Reppechowe, gegenüber von Aken an der Elbe, darfst aber keiner Menschenseele sagen, wohin dein Weg geht, hörst du? Keiner Menschenseele, auch nicht der Gräfin und keinem vom Burggesinde. Ich werde dir einen Brief mitgeben, und nicht Antwort sollst du mir darauf bringen, sondern den Ritter selber, wie er geht und steht, und lässt keine Ausrede, keine Entschuldigung von ihm gelten. Bist du im Klaren, Alter?«

      »Wie ein Schweißhund auf frischer Fährte, Herr Graf!«

      »Gut! Dann sattle nach der Morgensuppe. In vier, spätestens fünf Tagen erwarte ich dich mit dem Ritter zurück. Den Brief werde ich dir heute noch hier in meinem Zimmer einhändigen, ehe du zum Abendtrunk in die Dirnitz gehst.«

      »Es wird alles so geschehen, wie Ihr befehlt, Herr Graf,« sprach der Wildmeister, verneigte sich ehrerbietig und trat ab.

      Abends stellte er sich wieder ein und nahm den Brief in Empfang, der folgendermaßen lautete:

      Eike von Repgow!

      Wo bleibst Du? Warum kommst Du nicht wieder? Was soll ich davon denken? Du fehlst uns, mir und der Gräfin, an allen Ecken und Enden, und wir wollen Dich wiederhaben. Wahrscheinlich hast Du Dich dort in die gefundenen Schriften verbissen und vergisst uns darüber, statt mit ihnen zu uns zurückzukehren und hier weiter zu arbeiten. Du hast Dein Buch manchmal unser Buch genannt, und nun willst Du mich der größten, der einzigen Freude meiner letzten paar Jahre berauben, daran teilzunehmen? Das darfst Du mir nicht antun, Eike! Ich beschwöre Dich: komm’ wieder! Der Wildmeister hat gemessenen Befehl, Dich uns zurückzubringen, und wir lassen ihn nicht über die Zugbrücke ohne Dich. Dixi. Auf Wiedersehen, mein Eike!

      Hoyer von Falkenstein.

      Am andern Morgen ritt der mit so dringender Botschaft Betraute in seinem besten Jagdkoller, Weidmesser an der Hüfte, von der Burg ab. Am Tore fragte ihn Goswig:

      »Wo hinaus hoch zu Rosse?«

      »Ins Thüringerland zum Brautkauf,« gab ihm der im Sattel zur Antwort. »Hab’ da noch eine Feinsliebste sitzen; die will ich heimführen.«

      »Da wird’s aber Zeit mit dem Kränzlein,« lachte Goswig. »Wird wohl schon eine recht ehrwürdige Jungfrau sein, oder ist’s eine gut erhaltene Wittib mit einem erklecklichen Sparpfennig zuunterst in der Truhe?«

      »Wart’ es ab, alter Kettenhund, und belle sie nicht an, wenn ich mit ihr meinen Einzug halte,« erwiderte der Weidmann.

      »Na dann Heil und Segen zum fröhlichen Beilager, du übermütiger alter Hagestolz!« rief ihm der Torhüter nach.

      Neunzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Trägen Ganges glitten inhaltleere Tage am Falkenstein vorüber; keiner brachte den entflohenen Gast zurück, aber jeder belud das Herz der Gräfin mit schwererem Leid. Nirgend hatte sie Ruhe, durchirrte die Treppen und Flure des Schlosses, horchte auf jedes Geräusch draußen, auf jeden Hufschlag im Burghof, und jeden ihr zufällig Begegnenden, Mann wie Magd, sah sie erwartungsvoll an, ob er ihr nicht melden wollte: der Ritter von Repgow ist wieder da. Auch von ihm selber kam keine Botschaft, keine Entschuldigung seines langen Fernbleibens; er hatte die hier um ihn Trauernde vergessen.

      Ihr Andenken aus seiner Seele verbannt, ihre Liebe von ihm verschmäht, ihr ganzes Dasein vor ihm versunken wie ein in bodenlose Tiefe geschleuderter Stein, das war mehr als Gerlinde zu tragen vermochte.

      »Gott im Himmel, gib ihn mir wieder!« betete sie mit gerungenen Händen. »Ich gelobe, mich seinen strengsten Befehlen zu unterwerfen; kein Wort, kein Blick und kein Seufzer soll ihm fürderhin etwas von der verzehrenden Glut ungestillter Sehnsucht verraten, an der ich ohne ihn elend zugrunde gehe.«

      Ach, sie wusste wohl, dass Gebet und Gelübde umsonst waren; ihr blieb kein Schimmer von Hoffnung auf sein Wiederkommen.

      Schon mehrmals hatte sich ihr

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