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mit seiner gänzlichen Trennung von ihr auf Nimmerwiederkehr bitterer Ernst gewesen war, den er, wenn sie fortan nicht die größte Zurückhaltung bewahrte, noch einmal und dann unwiderruflich gegen sie anwenden würde. Sie war auch überzeugt, dass Eike nicht allein wusste, zu welchem Zwecke sie die Tollkirschen gesammelt hatte, sondern auch, dass sie sein heutiges Eintreffen auf dem Falkenstein einzig der Aufforderung des Grafen zuschrieb und an seine geplante Rückkehr ohne diese Aufforderung nicht glaubte.

      So wusste jeder um das Geheimnis des anderen, aber beide schmiegen im Weiterwandern, denn die Gedanken hielten die Zungen gebunden.

      Allmählich gelang es ihnen jedoch, den Bann von sich abzuschütteln und ein harmloses Gespräch miteinander zu führen, so dass sie in der Burg mit fast fröhlichen Gesichtern erschienen. —

      Am Abendtische saßen die drei in alter Traulichkeit einmütig beisammen, und es war ihnen, als wäre Eike gar nicht von hier fort gewesen. Er musste von dem Aufenthalt in seiner Heimat und besonders von der Förderung seiner Arbeit erzählen. Graf Hoyer war wieder mit allem Eifer bei der Sache und ebenso Gräfin Gerlinde, die mit den Männern stritt, scherzte und lachte. Hatte sie doch Eike wieder sich gegenüber, fing ihm die Worte vom Munde und las ihm aus den Augen, dass er sie doch noch liebte. Da versanken ihr die Erinnerungen an die qualvollen letzten Tage wie ein nächtlicher Spuk in das Nichts der Vergessenheit.

      Im Lauf des Mahles beim herzerfreuenden Wein sagte Eike nach einer kleinen Stille:

      »Auf meinem Ritt nach Reppechowe habe ich eine ganz besondere Genugtuung gehabt.«

      Graf und Gräfin blickten ihn erwartungsvoll an.

      »Wieder einen geflügelten Gruß von Eurem erhabenen Beschützer Kaiser Friedrich?« fragte Gelinde schalkhaft.

      »Nein, so hoch hinaus nicht, aber etwas Ähnliches. Bald nachdem Ihr, Herr Graf, von mir abgeschwenkt waret, traf ich mit den Grafen Johann von Blankenburg und Günter von Regenstein zusammen. Sie kamen selbander von einem Gastmahl beim Fürsten Heinrich von Anhalt und hatten dort von meinem Gesetzbuch gehört. Der Fürst, bei dem ich, wie Ihr wisst, eine Zeitlang als Knappe in Kriegsdiensten stand und der mich zum Ritter geschlagen, hatte sich vor allen seinen Gästen über mich und mein Bestreben, Rechtseinheit zu schaffen, das ganz und gar in seinem Sinne wäre, außerordentlich günstig geäußert und mir den besten Erfolg gewünscht, zu dem er alles, was er könnte, gern beitragen wollte. Graf Burkhard von Mansfeld hatte ihn auf einem Jagdausfluge eingeweiht und ihm eine warme Teilnahme an meinem Unternehmen eingeflößt.«

      »Der wackere Mensch! Aber das war von ihm zu erwarten,« warf Graf Hoyer dazwischen.

      »Ich konnte mit den beiden Grafen eine gute Strecke Weges reiten, und da nahm ich die Gelegenheit wahr, mit den Herren mancherlei Gerechtsame ausführlich zu besprechen.«

      »Seht gut, ausgezeichnet, Eike!« rief Graf Hoyer. »Der Blankenburger und der Regensteiner und die übrigen, die mit bei dem Gastmahl gewesen sind, werden das dort Vernommene nun noch weiter herumbringen, und du wirst dir, ehe du deine Schrift fertig hast, schon eine Menge Anhänger und Freunde im Lande erobert haben.«

      »Jaja, aber an Gegnern wird es mir auch nicht fehlen« wandte Eike ein. »Neben dem Grafen von Regenstein hatte ein ritterlicher Lehnsmann des Fürsten aus dem Hasgau gesessen, und der war anderer Meinung gewesen. Er hatte aus dem Munde — nun, wessen wohl?«

      »Dowalds von Ascharien?«

      »Dowalds von Ascharien scharf absprechende Urteile gehört und sie dem Grafen Günter hinterbracht, ohne indessen bei diesem ein geneigtes Ohr zu finden.«

      »Der alte Esel, der Ascharier, der es uns nie verzeihen wird, dass wir ihm damals so schnell heimgeleuchtet haben, wird mit seinen hirnverbrannten, nur von schnödem Eigennutz eingegebenen Anschauungen von Gerechtigkeit und Billigkeit nirgend Gehör finden,« brauste Graf Hoyer auf.

      »Er soll mir nur noch einmal auf den Falkenstein kommen! Da werde ich einen rascheren Kehraus mit ihm machen als ihr es getan habt,« drohte Gräfin Gerlinde in flammender Entrüstung.

      »Allen Dank für Euer huldvolles Fürnehmen, Frau Gräfin!« lachte Eike. »Aber der gekränkte Ehrenmann wird auf seinen rastlosen Stegreiffahrten solche hämischen Anzettelungen überall unter denen ausstreuen, die einen Strang mit ihm ziehen, wird sie gegen mich aufhetzen und mir Feinde werben.«

      »Die schlagen wir aus dem Felde,« tröstete ihn der Graf. »Es ist von großem Werte, dass meine lieben Waffenbrüder, die Harzgrafen, jetzt schon Kenntnis von deinen Bestrebungen erhalten. Von ihnen und ihrer Gefolgschaft verbreitet wird die Kunde vom Aufkommen einer neuen Rechtsordnung immer weitere Kreise ziehen und allerwegen freudig begrüßt werden, denn das verlangen danach ist im ganzen Volke vorhanden. Heilo, Eike! Stoß’ an, — unser Sachsenrecht!«

      Drei Becher klangen aneinander, und sechs Augen blitzten sich an in hochfliegender Hoffnung. —

      Als Gerlinde zu später Nachtstunde ihre Gemächer betrat, nickte sie mit einem glücklichen Lächeln ihrer Harfe zu und flüsterte:

      »Du! Wir bleiben noch zusammen, und morgen singen wir wieder.«

      Einundzwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      »Ach, war das eine Nacht voll Schlaf! Und ich lebe noch, sehe die Sonne und den blauen Himmel, und er ist wieder da, nur durch ein paar Wände von mir getrennt. Heilige Mutter Gottes, ich danke dir!«

      Mit diesem ihr aus voller Brust kommenden Ausruf reckte und streckte Gerlinde morgens beim Erwachen behaglich die ausgeruhten Glieder, blieb aber noch auf dem schwellenden Lager und fragte sich, Vergangenes und Künftiges bedenkend, wie es nun mit ihr und Eike hier werden sollte. — Alles so, wie es gewesen war, nur in einem Punkte anders. Von jetzt an wollte sie sich schweigend mit dem Besitz seiner Liebe begnügen und ihn in der heimlichsten Kammer ihres Herzens bewahren wie einen güldenen Hort, den ihr keine Macht der Erde rauben oder verleiden sollte.

      Sie überlegte nicht im Einzelnen, wie sie ihr Benehmen gegen Eike einrichten wollte, denn das würde sich in den Bahnen, die sie sich unabweichbar vorgeschrieben hatte, von selber ergeben. Auch das Alleinsein mit ihm scheute sie nicht, wünschte es vielmehr herbei, um ihm zeigen zu können, dass er keine Torheit, keinen überschäumenden Gefühlserguss mehr von ihr zu befürchten hatte.

      So in ihrem Innern gefestigt, erhob sie sich und sah dem aufsteigenden Tage mutig entgegen. —

      Beim Frühmahl tauschten Graf und Gräfin ihre Wahrnehmungen über Eikes Aussehen aus, das sie nicht rühmen konnten, denn beiden war er bleich und abgearbeitet erschienen. Der Graf sagte:

      »Er will nun öfter einmal pirschen gehen, und das wird ihm gut tun. Ob er ein trefflicher Schütz ist, weiß ich nicht und traue ihm in dieser Beziehung nicht viel zu; soll mich wundern, ob er Haar oder Feder heimbringen wird. Das schleichende und streichende Raubzeug wird wohl vor seinen Bolzen sicher sein.«

      »Er wird zur Ausübung des Weidwerks wenig Zeit und Gelegenheit gehabt haben,« meinte Gerlinde. »Der Wildmeister sollte ihn füglich dazu anlernen.«

      »O der wird gern dazu bereit sein,« erwiderte der Graf.

      Sie hatte des Wildmeisters erwähnt in der Erwartung, dass der Graf nun dessen Sendung zu Eike mit dem Briefe zur Sprache bringen würde; das geschah indessen nicht. Warum wohl nicht? dachte Gerlinde. Sie wollte nicht davon anfangen, dass ihr Eike Mitteilung von dieser Botschaft gemacht hatte, ohne die er gestern nicht wiedergekommen und sie heute nicht mehr am Leben wäre.

      Das konnte sie ihrem Gatten freilich nicht sagen, denn er durfte niemals erfahren, aus welcher furchtbaren Not und Verzweiflung er durch sein Eingreifen ahnungslos zu ihrem Retter geworden war. Aber das war wohl Gottes Wille gewesen, der mit seiner unerforschlichen Weisheit ihr Schicksal so wunderbar gelenkt hatte. Von diesem Glauben durchdrungen und gehoben vermochte sie jetzt nicht von anderen, gleichgültigen Dingen zu reden, stand deshalb auf und begab sich in ihr Zimmer.

      Ihre

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