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hat.

      Sich empfindlichen Jagd- und Wildschaden gefallen zu lassen ist den Bauern nicht zuzumuten. Aber da predigte ich tauben Weidmannsohren. Er vergalt mir meine vergebliche Belehrung mit der Erzählung einiger köstlichen Jagdgeschichten, die meine Gläubigkeit mehrmals auf eine harte Probe stellten. Ich hinwiederum musste ihm bei Sankt Huberten mein Wort darauf geben, jetzt mit ihm oder ohne ihn zuweilen aus die Pirsch zu gehen. Das will ich auch tun, habe eure frische, kräftige Harzluft blutnötig nach dem langen Stubensitzen.«

      »Man sieht dir’s an, also Weidmanns Heil!« sprach der Graf und erhob sich. »Jetzt wirst du deine Schriften auspacken und ordnen wollen, und dabei will ich dich nicht stören.«

      »Ich möchte lieber den Spuren der Frau Gräfin folgen,« erwiderte Eike. »Vielleicht begegne ich ihr im Forste.«

      »Tu’ das, Eike!« sagte der Graf. »Wird die eine Freude haben, wenn du unverhofft und plötzlich wie ein Waldschrat vor ihr auftauchst! Das möcht ich mit ansehen, aber ich kann nicht mit. Auf Wiedersehen bei Tisch!«

      Damit ließ er den Freund allein. —

      Nun war Eike doch wieder da, wohin niemals zurückzukehren er sich fest vorgenommen hatte, und es war ihm lieb, dass er wieder hier war. Auch ihm hatte in seiner stillen Behausung zu Reppechowe vieles von dem gefehlt, was ihm auf dem Falkenstein zur freundlichen Gepflogenheit geworden war. Besonders trug er an der Trennung von Gerlinde, je länger sie währte, je schwerer, und er hatte sich nach der angebeteten Frau gesehnt. Jetzt, vor dem Wiederbeisammensein mit ihr konnte er sich des ernsten Bedenkens nicht entschlagen, ob sie die dazu nötige Selbstbeherrschung ihm gegenüber betätigen würde. Die nächste Stunde musste ihn darüber aufklären.

      Er hatte in Reppechowe fleißig an seinem Buche geschaffen und brachte ein zwei Finger dickes Heft von dort geleisteter Arbeit mit, aber nichts von neuen Aufzeichnungen, sondern nur die alten, von hier entführten und sein ganzes, bis zum jetzigen Stande der Entwickelung gediehenes Manuskript nebst Wilfreds Abschriften.

      Mit dem Auspacken und Ordnen seiner Papiere hatte es keine Eile; jetzt lag ihm Wichtigeres am Herzen, das Wiedersehen mit Gerlinde.

      Aber wo sie finden im weiten Walde? Er musste es aufs Geratewohl versuchen und schritt ohne Säumen fürbass.

      Als er schon etwas entfernt von der Burg unter den hohen Eichen und Buchen war, erinnerte er sich, von ihr einmal gehört zu haben, dass sie auf ihren einsamen Streifereien die urwüchsige Wildnis in der Gegend des Heidenquells allen anderen Gebieten der Umgebung vorziehe. Einen Pfad dahin gab es nicht; aber die Richtung wusste er, und die schlug er nun in herzklopfender Spannung ein.

      Mehrmals blieb er bei seinem Vordringen stehen, lugte und lauschte nach rechts und links, damit Gerlinde nicht etwa seitwärts unbemerkt von ihm vorüberwandelte.

      Sollte er mit weithin schallender Stimme ihren Namen rufen? Das könnte sie, wenn sie den Ruf vernähme, befürchten lassen, dass auf der Burg ein Unglück geschehen wäre, dessentwegen man Boten nach ihr aus gesandt hätte. Deshalb unterließ er es.

      Endlich sah er in einiger Entfernung etwas Helles durch die Bäume und Sträucher schimmern, was sich bewegte und sich näherte. Das musste sie sein. Schnell verbarg er sich hinter einem noch ziemlich belaubten Busch, um sie beobachten zu können, ehe sie ihn entdeckte

      Es war Gerlinde. Mit einem kleinen Bündel kam sie gesenkten Hauptes langsam daher.

      Als sie heran war, trat er vor, streckte ihr beide Hände entgegen und sagte ruhig:

      »Gerlinde!«

      Erschrocken blickte sie auf und. stand wie angedonnert, zitternd und sprachlos da. Dann ließ sie das Tuch, in dem die eingesammelten Pflanzen steckten, zur Erde gleiten und legte in Eikes Hände die ihrigen, die er fest umschloss und an seine Lippen drückte.

      In dem nämlichen ruhigen Tone fuhr er fort:

      »Da bin ich wieder, Gerlinde. Ich bin Euch nachgegangen, weil ich Euch auf diesem Wege zu finden hoffte.«

      Während ihre Hände noch in den seinen lagen, atmete sie hoch auf, und ihn wie eine überirdische Erscheinung betrachtend, stammelte sie:

      »Sagt mir, — ist dies kein Traum? Seid Ihr es wirklich, Eike von Repgow?«

      »Wahr und leibhaftig, Gerlinde!« lächelte er. »Ich bin zurückgekehrt, um mein Buch hier zu vollenden. Ist Euch das recht?«

      »Ach! — Was fragt Ihr? Seid mir willkommen viel tausendmal!« klang es ihm jubelnd entgegen.

      Da küsste er noch einmal ihre Hände und sprach:

      »Ich danke Euch, Gerlinde! Kommt schnell zur Burg; der Graf erwartet uns, denn ich habe ihm gesagt, dass ich Euch im Walde suchen wollte.«

      Er hob das Bündel vom Boden auf, um es ihr zu tragen. Dabei löste sich der zu leicht geschlungene Knoten, und die Tollkirschen fielen heraus.

      Sofort erkannte Eike das todbringende Gift; ein fürchterlicher Verdacht packte ihn und wurde ihm zur Gewissheit, als er Gerlindes angststarrende Augen und ihre zuckenden Lippen sah.

      Nun weiß er alles! war nach fassungsloser Verwirrung ihr erster greifbarer Gedanke, und eine Blutwelle schoss ihr bis zur Stirn hinauf.

      Mit geschwinder Geistesgegenwart bezwang Eike seine gewaltige Erschütterung, und mit gemacht gleichmütigem Tone sprach er:

      »Ich möchte Euch warnen, Gerlinde, diese Pflanzen wie einen Blumenstrauß in Euer Zimmer zu stellen. Sie nehmen sich zwar äußerlich recht hübsch aus, verbreiten aber eine Ausdünstung um sich her, die heftiges Kopfweh erzeugt. Ihr erlaubt wohl, dass ich das Euch sicher nicht bekannte Unkraut beseitige.«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, schleuderte er die Tollkirschen mit dem Fuß ins Gebüsch und warf das Tuch hinterdrein.

      Gerlinde sagte kein Wort, und eine Zeitlang gingen sie stumm nebeneinander dahin, denn keiner mochte dem andern offenbaren, was seine ganze Seele erfüllte. Eike hatte soeben mit Entsetzen erfahren, zu welchem verzweifelten Schritt Gerlinde in ihrem Liebesleid fähig war. Den Tod hatte sie sich seinetwegen geben wollen. Morgen wäre er zu spät gekommen und hätte sie nicht mehr lebend angetroffen. Sie hatte sich also die Ruhe völliger Entsagung noch nicht erkämpft. Würde ihr das bei seiner Anwesenheit und seinem Einfluss vielleicht besser gelingen? Er hoffte es und beschloss, mit kühler Besonnenheit dabei behilflich zu sein. Denn er sah ein, dass er es, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen, nicht wagen durfte, wieder von ihr zu scheiden, ehe nicht die Vollendung seines Werkes die wohlgegründete Veranlassung dazu gab.

      Um das beklemmende Schweigen nicht nach länger andauern zu lassen, fing er an:

      »Ich bin im Burghof vom Grafen und von allen seinen Leuten sehr herzlich empfangen worden.«

      »Hättet Ihr uns Eure Rückkehr vorher angemeldet, hätte ich bei Eurer Begrüßung wahrlich sucht gefehlt,« bedeutete ihn Gräfin.

      »Wie konnte ich denn? Der Wildmeister hat mich doch wie ein Häscher überfallen und geholt,« entgegnete er lustig.

      »Der Wildmeister bat Euch geholt?« fragte sie höchst erstaunt.

      »Freilich! Der Wildmeister mit dem Briefe des Grafen.«

      »Der Graf hat Euch geschrieben?«

      »Jawohl! Wisst Ihr das nicht?«

      »Nein!«

      O weh! Da hatte er etwas ausgeplaudert, was er nicht hätte verraten sollen; aber wie konnte er das ahnen!

      Nicht freiwillig, nicht von seinem Herzen getrieben ist er zurückgekommen, sondern dazu überredet gezwungen, dachte Gerlinde enttäuscht.

      Ihre Niedergeschlagenheit bemerkend und verstehend suchte er seine Übereilung gutzumachen, indem er sehr geschickt einlenkte:

      »Ich hätte den Abschnitt, den ich just unter der Feder hatte, gern erst noch fertig geschafft, was nur einen kurzen Aufschub erfordert hätte, aber der Wildmeister drängte so entschieden zur Eile, dass ich mitten im Kapitel abbrechen und alles zusammenpacken

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