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liebevoll und freundlich gegen sie gewesen war und der mit ihr nun auch die zweite Gattin verlor und wieder zum Witwer wurde. Und nicht einmal Abschied nehmen durfte sie von ihm; hinterrücks musste sie von ihm gehen, nachdem sie jede erkennbare Spur ihrer grausigen Tat getilgt und verwischt haben würde, mit welchem Schrecken er dann auch, das Ungeheure nicht begreifend, vor ihrer entseelten Hülle stehen würde. Den ihm damit zugefügten großen Schmerz bat sie ihm jetzt schon im Stillen ab und wollte, ehe sie den Löffel mit dem Gift zum Munde führte, an ihrem Betpult auch die heilige Jungfrau um Vergebung dieser Sünde inbrünstig anflehen.

      Oben im Schlosse muteten sie die gewohnten Räume fremd an, als gehörte sie nicht mehr hierher, schon einer anderen Welt verschrieben und verfallen, und doch musste sie bis morgen Nachmittag hier noch ausharren, weil es heute für den Gang nach dem Heidenquell zu spät geworden war.

      Von allem, was sie besaß, hätte sie nur ihre kleine Harfe und ihren Rosenkranz, ein altes Erbstück ihrer Mutter, mit großen, schön geschliffenen Bergkristall- und Bernsteinkugeln, gern mit ins Grab genommen, aber sie durfte ja keine Bestimmungen treffen, die als Vorbereitungen zum Sterben angesehen werden könnten.

      In der Nacht schlief sie wenig, und die Zeit von früh bis Mittag wurde ihr sehr lang. —

      Endlich war sie wieder inmitten der einsamen Wildnis, durch die sie sich im Sommer mit Eike Bahn gebrochen hatte, und da kamen ihr die Erinnerungen an jenen seligen Morgen wie grüßende Wanderer entgegen. Jedes ihrer damaligen Gespräche über die Schönheit des Waldes in den wechselnden Jahresseiten, über die Gesetze der Natur und der Menschen, über Eikes Rechtsbuch und Walters Minnesang hallte traumhaft in ihr wider.

      Die zerklüftete Schlucht musste sie diesmal allein überwinden und vollbrachte es ohne Anwandlung von Schwachheit mit dem unerschütterlichen Willen, ihr Ziel zu erreichen.

      Bald hatte sie es erreicht und stand nun nahe der Klippe, aus der das als wundertätig gepriesene Wasser unter dem Denkstein mit der verwitterten Runenschrift hervorquoll, auf derselben Stelle, wo sie Eike von Repgow schluchzend an die Brust gesunken war.

      Jetzt stand sie erhobenen Hauptes und ließ den Blick in die Runde schweifen, um den geheimnisvollen Waldeszauber noch einmal, zum letzten Male, zu genießen.

      Dann wandte sie sich langsam den schon entdeckten Stauden mit den spitzen Blättern und den schwarzen Beeren zu, kniete bei der einen und der andern nieder, grub sie, ihre zarten Hände nicht schonend, mitsamt den Wurzeln aus und legte sie in das dazu mitgebrachte Tuch, das sie an den vier Zipfeln verknüpfte.

      Darauf trat sie festen Schrittes den Heimweg an und schaute nicht mehr zurück nach der Stätte, wo das Glück einst dicht an ihr vorbei geflogen war.

      Zwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die liebe Nachmittagssonne bestrahlte Giebel, Dächer und Zinnen des Falkensteins mit einem behäbigen Lächeln und schien alles, was da fleucht und kreucht, in den Schlaf gezwinkert zu haben, denn nichts regte sich innerhalb der Umwallung, kein Ton, kein Tritt klang durch die friedliche Stille. An den Wänden gähnte eine wahrhaft feiertägliche Langeweile, und war doch gar kein Feiertag heute, nicht einmal der Namenstag des kleinsten Kalenderheiligem mit dem man es aus irgendeinem Grunde doch auch nicht gern verderben will.

      Diese beschauliche Ruhe verwandelte sich indessen schnell in das Gegenteil, als vom Turm ein dröhnender Hornruf erscholl, der in eine lockende Jagdweise überging. Da ward es lebendig in der Burg. Von allen Seiten, über alle Treppen und aus allen Türen kamen die Insassen zusammengelaufen, als wäre Feuerlärm geblasen worden.

      Aber alle zeigten fröhliche Gesichter, denn sie wussten, was das zu bedeuten hatte. Der Ritter Eike von Repgow musste im Anzuge sein, und nun standen sie in dichten Haufen auf dem Burghof, ihn zu erwarten.

      Auch Graf Hoyer war herbeigeeilt, ihn an der Spitze seines vollzählig versammelten Gesindes zu begrüßen.

      Nach seiner Gemahlin spähte er jedoch vergebens aus.

      »Wo ist die Gräfin?« fragte er verwundert.

      Melissa gab Antwort:

      »Die Frau Gräfin hat vor kaum einer Stunde das Schloss verlassen, wohl zu einer Wanderung in den Wald.«

      »Was hat sie denn jetzt allein im Walde zu suchen? Das ist doch sonst nicht ihre Gewohnheit,« sprach der Graf, ungehalten, dass sie bei der Wiederkehr des Freundes nicht zur Stelle war.

      Da kam Eike schon mit dem Wildmeister durch das innere Tor eingeritten, und auf seinen Zügen glänzte die Freude, sich so allgemein bewillkommnet zu sehen.

      Er sprang vom Pferde und schritt auf den Grafen zu, der ihn in seine Arme schloss und frohgemut ausrief:

      »Eike! Haben wir dich endlich wieder? Den Wild- und Waffenmeister musste ich dir also erst auf den Hals schicken, um dich in Haft und Gewahrsam nehmen zu lassen, du trotzköpfiger Ausreißer! Komm hinauf! Oben sollst du mir beichten, warum du so lange ausgeblieben bist, kannst mir dabei den größten Bären aufbinden, der im Harzwald herumzottelt, ich will alles auf Treu und Glauben hinnehmen, was menschenmöglich ist.«

      Ehe die Herren in das Schloss eintraten, wandte sich Eike zu den Umstehenden und nickte und winkte ihnen seinen Dank zu für den freundlichen Empfang. Dem Schreiber reichte er die Hand und sagte:

      »Ich bringe viel Arbeit mit, Wilfred!«

      Melissa schabte dem verblüfft Dreinschauenden lachend mit den Zeigefingern Rübchen in ihrem Triumph, Recht behalten und ihre Wette gewonnen zu haben.

      Graf Hoyer geleitete seinen lieben, wieder eingebrachten Gefangenen in dessen früheres Losier und blieb dort bei ihm.

      »Nun sag’s kurz, Eike! Was hast du zu deiner Entschuldigung anzuführen?« begann er.

      »Nichts, Herr Graf!« gestand Eike verlegen und kleinlaut.

      »Du hast dich in die zu Hause noch vorgefundenen Papiere wie ein Dachs eingegraben und dich dann aus deinem vollgestopften Bau nicht wieder herauswühlen können, nicht wahr?«

      »Ja, so ist es.«

      »Na, mach’ nur nicht so ein jämmerliches Armsündergesicht, als hättest du Wunder was verbrochen!« beruhigte ihn der Graf in seiner heiter biederen Weise, »nun du wieder hier bist, soll dir alles verziehen sein.

      Wir haben dich, wie ich dir schrieb, hier schwer vermisst, auch meine Frau; ich hab’s ihr angemerkt, wie sie sich um dich härmte, wäre fast eifersüchtig auf dich geworden,« fügte er launig hinzu. »Sie ist in den Wald gegangen, konnte ja Tag und Stunde deiner Ankunft so wenig wissen wie ich. Gesteh’ mal aufrichtig: wärest du auch ohne den Wildmeister und meinen Brief gekommen?«

      Eike zuckte die Achseln; ihm war schwül zumute.

      »Vielleicht nicht so schnell,« erwiderte er ausweichend. »Aber Eure dringende Aufforderung zur Rückkehr war mir eine große Freude, und ich danke Euch von Herzen dafür, Graf Hoyer!«

      »Also ein kluger Gedanke von mir,« belobte sich der Graf. »Hat dir Scharruhn denn nun seine Wünsche in Bezug auf den Wildbann vorgetragen, von denen er an dem Abend in der Dirnitz sprach?«

      »Jawohl, es betraf einige Fragen des Jagdrechts,« versetzte Eike. »Er verlangte für die Bannforsten des Harzes größeren Schutz gegen jeden, der sie betritt. Die Armbrust müsste abgespannt, der Köcher geschlossen, die Bracken angekoppelt und allen Tieren dort Friede gewirkt sein außer Bären, Wölfen und Füchsen. Ferner forderte er höhere Bußen für getötete singende und stimmende Vögel, womit er die Beizfalken meinte.

      Die Weiber dürften nur so viel Reisig auflesen wie die Krähe vom Baume tritt und wenn einem Bauer etwas an seinem Wagen zerbricht, dürfte er sich so viel Holz aus dem Walde hauen wie zur Ausbesserung des Schadens nötig ist, mehr nicht. In alledem konnte ich ihm beipflichten und werde das in den Artikeln des Jagd- und Forstrechts berücksichtigen. Dagegen verweigerte ich ihm die

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