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ich mit Engelszunge singen,

      Ein Cherub in dem großen Heer

      Der Himmlischen mit Schwert und Schwingen,

      Im Halleluja sollte klingen

      Mein Saitenspiel zu Gottes Ehr’.

      Er hielt mich, als ich fast verloren,

      Mit seiner gnadenreichen Hand,

      Und die ich mir den Tod erkoren,

      Ich atme nun wie neugeboren,

      Als schaut’ ich das gelobte Land.

      Mit Freundes Arm umfängt mich wieder

      Des Daseins holde Wirklichkeit,

      Und sanft. wie mit des Schwans Gefieder

      Senkt Ruh und Friede sich hernieder —

      In meine Brust von Schuld befreit.

      Still will ich in des Lichtes Glanze

      Einhergehn mit ergebnem Sinn

      Und bei der Horen schnellem Tanze

      Gleichwie geschmückt mit grünem Kranze

      Aufblicken zu den Sternen hin.

      Sie hatte das Lied stehend gesungen, setzte sich nun auf das Spannbett und verharrte, wie durch ein dargebrachtes Opfer entsündigt, eine Welle regungslos.

      Dann gingen ihre Gedanken andere Wege. Der gewaltige Umschwung in ihrer Lage von gestern auf heute warf ihr eine Fülle von Glück in den Schoß, und auch diesen Empfindungen musste sie Worte und Töne leihen.

      Erregter, schwärmerischer als das erste erklang das zweite Lied:

      Ich hab’ es getragen und standhaft verhehlt,

      Behutsam im Tiefsten verborgen,

      Was mir wie leuchtende Sonne gefehlt

      Am wolkenverschleierten Morgen

      Doch nun ist die Not und das Bangen vorbei,

      Nun sing’ ich und jubele Tandaradei.

      Es ist mir, als käme der Frühling gebraust

      Mit Stürmen, mit Wachsen und Werden,

      Die Hölle hat mir in der Seele gehaust,

      Jetzt hab’ ich den Himmel auf Erden.

      Die Welt hat verwandelt sich wohl über Nacht,

      Sie schimmert und glänzt mit in zaubrischer Pracht.

      Ihn habe ich wieder, den heiß ich ersehnt

      Bei jeglichem Herzensschlage,

      Mit übermenschlichem Glücke belehnt,

      Erfreu’ ich mich nun meiner Tage,

      Denn er, der mir alle die Seligkeit gibt,

      Mein ist er und bleibt er, dieweil er mich liebt.

      Damit hatte sie das, was sie am mächtigsten bewegte, laut und lustig wie Lerchengeschmetter hervorgewirbelt und streckte sich nun zufriedenen Herzens auf der Ruhebank aus.

      Der, dem dieser Überschwang der Gefühle gegolten hatte, Eike von Repgow, saß wieder auf seinem alten Platz und war fleißig an der Arbeit. Er hatte diese Nacht, ehe er einschlief, die gestrigen Ereignisse noch einmal im Geiste an sich vorüberziehen lassen und war nach reiflichem Nachdenken zu der Überzeugung gelangt, dass die Gefahr für Gerlindes Leben nach seiner Rückkehr verschwunden war und sie den Tod nicht noch einmal suchen würde, auch dann nicht, wenn er eines, nicht mehr allzu fernen, Tages auf eine unberechenbar lange Zeit von ihr Abschied nehmen musste.

      Diese Zuversicht schöpfte er hauptsächlich aus seiner Beobachtung ihres teils ruhigen, teils sehr heiteren Gebarens gestern Abend bei Tisch, das nicht die leiseste Nachwirkung ihres düsteren Vorhabens verraten hatte.

      Darum hoffte er auch, dass sie sich nunmehr in ihrem Verkehr miteinander als ebenso maßvoll und willensstark erweisen würde wie er.

      Seine Liebe gab der ihrigen nichts nach, nur dass er sie zu zügeln wusste, so unsäglich schwer ihm dies auch manchmal wurde. Ihm wollte das Herz überwallen und auf die Zunge springen, wenn er ihre schöne, schlanke Gestalt vor sich hatte, ihr in die dunklen Augen sah und ihrer klang- und seelenvollen Stimme lauschte. Dann kostete es ihn die größte Überwindung, sie nicht rasch in die Arme zu schließen und fest an seine Brust zu drücken. Doch er wollte seinem Vorsatz, bei der bisher geübten Zurückhaltung zu beharren, bis zur letzten Stunde seines Hierseins treu bleiben, und die Vertiefung in seine Arbeit sollte ihm sicheren Schutz gewähren gegen aufrührerische Gedanken und begehrliche Wünsche.

      Er arbeitete jetzt stets allein, wie er es in Reppechowe gemusst und dadurch sich angewöhnt hatte. Wilfred ließ er oben in seinem Turmstübchen Abschriften machen, und weil der jetzt fleißige und flinke Gehilfe damit gut vorwärts kam, ließ er ihn von dem bereits Erledigten noch eine zweite Abschrift anfertigen

      Da begegnete ihm eines Morgens etwas ganz Merkwürdiges. Es klopfte an der Tür, und auf sein Herein! traten Wilfred und Melissa zu ihm ins Gemach, wo jeder dem andern überließ, zuerst das Wort zu ergreifen.

      Erstaunt fragte Eike:

      »Nun? Was habt ihr zwei auf dem Herzen? Ihr seht mir aus, als hättet ihr euch gezankt und ich sollte einen Sühneversuch mit euch anstellen; redet!«

      Mit einer Schüchternheit, die ihrem hübschen Gesicht höchst anmutig stand, begann Melissa:

      »Es ist so, wie Ihr sagt, Herr von Repgow. Wir wollten Euch züchtig und bescheiden bitten, als Rechtsgelehrter einen Streit zwischen uns zu schlichten, in dem wir uns nicht einigen können.«

      »Da bin ich aber neugierig,« versetzte Eike. »Trage mir euren Handel vor, Melissa! Ich werde, wenn ich das Urteil finde, den Spruch fällen.«

      »Es geht um eine Wette,« berichtete sie. »Wir haben gewettet, ob Ihr von Reppechowe nach dem Falkenstein zurückkehren würdet oder nicht. Fred schwur Stein und Bein, Ihr kämet nicht wieder, ich dagegen hielt Euch die Stange und behauptete, Ihr kämet wieder, und nun seid Ihr da, und ich habe die Wette gewonnen.«

      »Das ist klar wie die Sonne, du hast die Wette gewonnen, Melissa,« bestätigte Eike. »Will Fred etwa die Buße nicht zahlen?«

      »Gewiss will ich sie zahlen,« fiel Wilfred ein, »aber Melissa will sie nicht nehmen.«

      »Will sie nicht nehmen? Ach! — Wie hoch beläuft sich der Preis? Um was habt ihr gewettet?«

      Da wollte keiner mit der Sprache heraus.

      »Melissa, ihr habt mich als Schiedsrichter angerufen, und ich bin ein schöffenbarer Mann, dem du die Wahrheit sagen musst, denn ich kann dir den Eid staben, wenn ich will,« vermahnte sie Eike. »Um was habt ihr gewettet?«

      »Um — um sieben Küsse,« flüsterte sie errötend.

      »Um sieben Küsse?« lachte Eike hell auf und schnellte vom Sitz empor. »Eine Wette um sieben Küsse! Etwas Närrischeres gibt’s doch in der Welt nicht, und das hab’ ich auch noch nicht erlebt, dass der Schuldner seine Schuld bezahlen und der Gläubiger sie nicht nehmen will.«

      »Habt Ihr darüber nichts in Eurem Rechtsbuch, Herr Ritter?« fragte Melissa.

      »Bis jetzt noch nicht,« lachte Eike wieder. »Aber das könnte allerdings ein feines Stückchen werden, ein Kapitel über das Kussrecht; das fehlt noch zwischen all den anderen Rechten. Hast du schon einmal von dem großen Minnesänger Walter von der Vogelweide gehört, Melissa?«

      »Ei ja! Unter der Linden auf der Heide —«

      »Richtig! So fängt eins seiner schönsten Lieder an. Er sagt auch: Küsse sind der Minne Rosen. Und ein anderer, genannt der tugendhafte Schreiber, singt: Minne ist Mannes Mund an Weibes Munde.«

      Melissa schlug hold verschämt die Augen nieder und schielte dann verstohlen zu Wilfred

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