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der gnädige Herr morgen heimkehren?« fragte Melissa.

      »Ich hoffe es, Melissa, aber ich weiß es nicht,« erwiderte die Gräfin.

      Darauf schwieg die Neugierige, und nachdem sie ihren letzten Dienst getan und die Herrin zu Bett gebracht hatte, löschte sie das Licht und entschwand geräuschlos.

      Draußen sagte sie sich: »Ich hoffe es, — das soll so viel heißen wie: er wird doch nicht?!«

      Auch Eike war, nachdem er den Imbiss kaum zur Hälfte verzehrt hatte, die Einsamkeit heute schier unerträglich, und doch war er zufrieden mit sich, dass er sich das Opfer auferlegt hatte und in seinem Entschlusse, das abendliche Zusammensein mit Gerlinde zu vermeiden, fest geblieben war. Die späte Stunde, die lautlose Stille in der Burg, das Halbdunkel in den lauschigen Winkeln des Saales mit den zum Kosen einladenden Sitzen, — in dem allen lauerten Gefahren, denen er sich und die Geliebte nicht aussetzen wollte.

      Was nun anfangen mit der heißen Sehnsucht im Herzen? Natürlich arbeiten! Aber wenn er einmal sinnend und suchend aufschaute, die geschickteste Wendung zu finden für das, was er niederschreiben wollte, würde ihm Gerlindes verlockende Gestalt erscheinen, die da drüben so einsam saß wie er hier. Er bedurfte eines äußeren Zwanges, der ihm die Pfade seines Denkens gebieterisch vorzeichnete.

      Da kam ihm ein aus der Verlegenheit helfender, guter Gedanke, — Wilfred musste heran! Dem wollte er einen Teil von dem in die Feder diktieren, was er heute nach Mittag nur flüchtig auf das Papier geworfen hatte. Dabei musste er seine ganze Aufmerksamkeit auf den zu behandeln den Stoff lenken und durfte sich durch nichts beirren lassen.

      Er wusste, dass Wilfred jetzt in der Dirnitz war und dort das versammelte Burggesinde mit seinen Schnurren und Schwänken unterhielt. Seiner habhaft werden konnte er aber nur, wenn er ihn sich selber heraufholte, denn einen Boten hatte er nicht zu versenden. Ohne Säumen machte er sich auf, doch ein glücklicher Zufall führte ihm schon auf der Treppe den Knecht in den Weg, der sein hier im Geschirrbau eingestelltes Pferd wartete und es auch, weil Eike dazu keine Zeit hatte, täglich bewegte, damit es vom Stehen nicht steif und vom gräflichen Hafer nicht zu fett wurde.

      »Sibold,« sprach er ihn an, »geh’ in die Dirnitz und schicke mir den Wilfred, ich hätte eilige Arbeit für ihn, er sollte gleich kommen.«

      »Den Fred meint Ihr?« fragte der Knecht. »Ja, Herr, der wird da schwer loszukriegen sein, aber ich schaffe ihn Euch, und wenn ich ihn an Händen und Füßen gebunden bringen müsste.«

      »Dann schnür’ ihm die Hände nicht zu fest,« erwiderte lachend Eike, »denn er soll noch schreiben bei mir, viel schreiben.«

      Darauf machten sie beide Kehrt auf der Treppe. Eike stieg wieder zu seinem Zimmer empor, und der Knecht trollte sich nach der Dirnitz.

      Als Sibold hier dem Lustigsten im ganzen Kreise, der sich einer so haarsträubenden Zumutung, jetzt, bei nachtschlafender Zeit noch schreiben zu sollen, nicht im Entferntesten gewärtigte, den Befehl des Ritters vor aller Ohren laut verkündete, saß Wilfred vor Schreck starr und versteinert da, während sämtliche Anwesenden in ein schallendes Gelächter ausbrachen und den giftig Dreinschauenden mit dem foppenden Singsang anjohlten:

      »Schreib’, Schreiberlein, schreib’! Schreiben ist Zeitvertreib.«

      Nur Melissa beteiligte sich nicht an dem Spotte, sondern schenkte ihrem Günstling einen mitleidvollen Blick.

      Ingrimmig erhob sich der Gehänselte und stapfte zu der Folterkammer hinauf, wie er Eikes Arbeitszimmer nannte, wenn er darin sitzen und schreiben musste.

      Diesmal musste er bis tief in die Nacht hinein aushalten, ehe der erbarmungslose Gesetzgeber beim Schluss eines größeren Abschnittes mit dem Diktieren endlich Schicht machte und seinen erbosten Gehilfen entließ, der oben in seinem Turmlosier stöhnte:

      »O Jammer und Elend! Was wird mein liebes Füchslein sagen, wenn ich ihm diese Niederträchtigkeit erzähle!«

      Eike ging dann auch zur Ruhe und dachte, sich abgespannt die Stirne streichend: Der Abend wäre also überstanden; hättest ihn angenehmer verleben können.

      Am Morgen wurde die Schreibarbeit beizeiten wieder aufgenommen. Eike diktierte dem noch nicht recht ausgeschlafenen Wilfred die andere Hälfte des nur in vor läufigen Aufzeichnungen Niedergelegten, und das währte bis gegen Mittag, wo der schmetternde Hornruf des Türmers die Ankunft des Burgherrn meldete. Eike, um ihn zu empfangen, eilte aus dem Gemach, womit sich auch Wilfred als beurlaubt betrachtete, demgemäß er schleunig entwischte.

      Mit beklommener Brust schritt Eike die Treppe hinunter, da er jetzt dem gegenübertreten sollte, mit dessen Gattin er das verhängnisvolle Erlebnis am Heidenquell gehabt hatte. Denn obschon dies nicht von ihm herbeigeführt war, fühlte er sich mit seiner verbotenen Liebe doch nicht frei von Schuld.

      Graf Hoyer rief ihm schon vom Sattel aus zu:

      »Horrido, Eike! Da bin ich wieder!«

      Dann stieg er vom Pferde und sie schüttelten sich die Hände.

      »Die Sache hat länger gedauert als ich dachte, habe einen harten Strauß mit durchfechten müssen,« begann der Graf und fügte gleich die Frage hinzu: »Was hast du denn neulich auf der Pirsch geschossen?«

      »Ich war nicht auf der Pirsch,« erwiderte Eike.

      »Nicht? Aber du hattest doch, als ich mich hier von dir verabschiedete, die Armbrust auf dem Rücken, wie mir däuchte.«

      »Nein, Herr Graf! Da habt Ihr Euch getäuscht; ich wollte nur Luft schöpfen.«

      »Aha! Luft schöpfen, na ja! Hast’s auch nötig, siehst blass genug aus von dem ewigen Stubenhocken und Gesetzemachen,« schalt der Graf freundschaftlich. »Wann wirst du denn dein Weidmannsheil endlich hier versuchen? Die Jagdhütte da oben ist längst fertig und harrt immer noch ihres ersten nächtlichen Einliegers. Du solltest sie einweihen, dann würde ich sie auf deinen Namen taufen. Eike von Repgow-Hütte, klingt das nicht hübsch?«

      »Wenigstens mir sehr schmeichelhaft, Herr Graf,« versetzte Eike. »Aber es wäre eine unverdiente Ehre, denn ich habe keine Zeit zum Pirschen.«

      »Keine Zeit! Nächstens werde ich dem Herrn Rechtsgelehrten einmal eine Vorlesung über das Gastrecht halten, ich meine, über die Rechte, die dir als Gast hier zustehen, auch auf der Wildbahn, Eike! Denn Pflichten hast du auf dem Falkenstein nicht, wie du weißt.«

      Unter diesem Gespräch, zu dem das bei weitem meiste der Graf beigetragen hatte, waren sie die Treppe hinaufgekommen und trennten sich oben, der Graf mit den Worten:

      »Ich will erst meine Frau begrüßen und mir’s dann ein wenig bequem machen; bei Tische werde ich euch berichten, was ich in Quedlinburg zu schaffen hatte.«

      In seinem Zimmer sagte sich Eike:

      »Über das Gastrecht will er mich belehren, und ich hätte hier keine Pflichten. Hab’ ich nicht schon beides verletzt, als ich Gerlinde in meinen Armen hielt? Ich konnte ihm nichts darauf antworten, und wie wird sie damit fertig werden ihm gegenüber?«

      Das Mahl ließ sich indessen ganz behaglich an. Graf Hoyer war in der besten Laune und die Gräfin so heiter und gesprächig, als laste nicht der geringste Druck auf ihr.

      Da fand auch Eike schnell den rechten Ton in der Unterhaltung, und die drei tafelten wieder so traulich miteinander wie vorher, ehe der Graf ausgeritten war. Die gefürchtete Frage: was habt ihr beiden denn während meiner Abwesenheit hier angefangen? stellte er glücklicherweise nicht, sondern gab ihnen nun über seinen Aufenthalt in Quedlinburg eingehende Auskunft, die er durch eingeschaltete Bemerkungen noch des näheren erläuterte und vervollständigte.

      Es handelte sich dort um den alten Streit über die Palmsonntagfeier, den die jetzt regierende Äbtissin Osterlindis von ihren Vorgängerinnen Bertradis und Nanigunde geerbt hatte. Seit einer langen Reihe von Jahren war es Brauch, dass der Bischof von Halberstadt-mit dem gesamten Domkapitel und einer erklecklichen Zahl noch anderer Prälaten und Kleriker am Palmsonntag.- nach Quedlinburg kam und von der Äbtissin in ihrem Schlosse festlich bewirtet wurde.

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