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in ihren reichgeschmückten Pontifikalgewändern sehen und womöglich auch dem prunkhaften Gottesdienst in der herrlichen Basilika der ehemaligen Kaiserpfalz beiwohnen wollte. Diese Bewirtungen hatten jedoch einen immer ausgedehnteren Umfang angenommen. Der Bischof rückte mit einem Gefolge von mehr als hundert Pferden an, und die geistlichen Herren, die nach überstandener Fastenzeit einen sehr regen Appetit auf ein auserlesenes Gastmahl mitbrachten, schmausten und schwelgten in einer Weise, die dem Stifte fast unerschwingliche Kosten verursachte. Das noch ferner geduldig über sich ergehen zu lassen hatten sich schon frühere Äbtissinnen geweigert und sich wegen dieses unablösbaren Servituts, wofür es die Bischöfe erklärten, mit Beschwerden an den Papst gewandt, durch die aber keine Abstellung des Unfugs erreicht wurde. Nun hatte auch Äbtissin Osterlindis den Papst um einen Machtspruch gebeten, und Gregor IX. hatte den Abt von Walkenried zum bevollmächtigten Schiedsrichter ernannt, während der Bischof von Halberstadt, Graf Friedrich von Kirchberg, den Domherrn Konrad von Alvensleben als seinen Vertreter abgeordnet und die Äbtissin den Schirmvogt des Stiftes, Grafen Hoyer von Falkenstein, zu ihrem Beistande angerufen hatte.

      Diese drei Herren sollten den Hader schlichten.

      Nun entspannen sich in Gegenwart der Äbtissin hartnäckige Auseinandersetzungen zwischen dem Domherrn und dem Grafen, bis keiner von beiden noch etwas Neues vorzubringen wusste. Der Abt von Walkenried, ein würdiger und kluger Prälat, der den Frieden liebte und das Ungebührliche der bischöflichen Ansprüche wohl einsehen mochte, hatte die Verfechter der widerstrebenden Meinungen ruhig ausreden lassen und dann den Streit dahin entschieden, dass die Bewirtung des Bischofs nebst Gefolge nicht mehr stattfinden und die Äbtissin als Entschädigung dafür eine nur mäßige jährliche Abgabe an das Domkapitel leisten sollte. Die Domina war über den endgültigen Austrag des Zwistes zu ihren Gunsten hoch erfreut und ihrem Vetter Hoyer für die tapfere und wirksame Geltendmachung ihres Standpunktes sehr dankbar.

      Nach dem ausführlichen Berichte des Grafen verharrten Eike und Gerlinde in Schweigen, so dass er fragte:

      »Nun? Was sagt ihr denn dazu?«

      »Dass der Abt von Walkenried ein weises und gerechtes Urteil gefällt hat,« sprach Eike.

      »Natürlich! semper contra clerum ist Euer Grundsatz,« fuhr die Gräfin mit einem vorwurfsvollen Blick auf, und sich zu ihrem Gemahl wendend fügte sie hinzu: »Du wirst dir mit deiner heftigen Parteinahme für die Äbtissin den Bischof zum unversöhnlichen Feinde gemacht haben, der sich dafür an dir rächen wird.«

      »Mag er’s versuchen!« erwiderte der Graf, »ich fürchte seine Rache nicht. Wir Harzgrafen stehen alle für einen und einer für alle gegen den übermütigen Träger der Inful. Übrigens habe ich auch Freunde im Domkapitel, zum Beispiel Konrad von Alvensleben, so scharf ich auch mit ihm gestritten habe. Bei dem fröhlichen Mahle, das die Äbtissin in ihrer Freude uns dreien zu Ehren herrichten ließ, haben wir, Alvensleben und ich, uns ganz vortrefflich miteinander vertragen, und diese liebenswürdige Veranstaltung hat mich in Quedlinburg noch zurückgehalten, sonst wäre ich gestern schon heimgekehrt.«

      »Wir haben dich allerdings bestimmt erwartet,« sagte die Gräfin.

      »Das glaube ich gern,« lachte der Graf. »Zur Besänftigung deines Zornes über mein Ausbleiben hat mir Osterlindis ein Geschenk für dich mitgegeben. Hier, diese zierliche Halskette mit der goldnen Kapsel daran, die eine Reliquie, einen Backenzahn des heiligen Eleutherius, enthält. Hast du von diesem Heiligen schon einmal gehört?«

      »Nein.«

      »Ich auch nicht.«

      »Der Name ist ein griechisches Wort, das so viel wie freisinnig bedeutet,« mischte sich Eike mit einem anzüglichen Lächeln ein.

      »Dieser heilige Backenzahn besitzt nämlich Zauberkraft,« fuhr der Graf fort. »Man soll ihn um den Hals tragen, wenn man vor einer besonders schwierigen Entscheidung steht und einen harten Entschluss fassen muss; es ist also, mit Verlaub zu sagen, ein Nussknackerzauber.«

      »Abscheulich!« rief die Gräfin entrüstet und zugleich verlegen, wagte aber nicht, Eike dabei anzusehen, weil sie sich von der unbewussten und ungewollten Anspielung auf die schwere Entschließung, die ihr ja in ihrem Verhältnis zu Eike früher oder später bevorstand, getroffen fühlte.

      Das Mittagsmahl endete jedoch in so guter Eintracht der drei, wie es begonnen hatte. Nur in Gerlinde blieb eine kleine Verstimmung darüber zurück, dass ein hoher Würdenträger der Kirche, ein Bischof, in dem Streit um eine ihres Erachtens unzweifelhaft aufrecht zu haltende Observanz den Kürzeren gezogen hatte.

      Fünfzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem Falkenstein herrschte jetzt ein betriebsamer Zustand. Der Graf hatte in seiner Kanzlei mit dringenden Verwaltungsangelegenheiten zu tun, Eike saß an seinem Gesetzbuch, und Gerlinde am Stickrahmen. Dieses Einsiedlerische der drei ritterlichen Burgbewohner war kein ganz freiwilliges; sie wurden durch die Unwirklichkeit des Wetters genötigt, sich in ihren Gemächern zu halten, und blieben jeder für sich allein.

      Der Sommer schien zu Rüste gehen zu wollen und kündigte dies den Menschen hier oben in den Bergen frühzeitiger und empfindlicher an als unten im Flachlande, wo er noch etwas länger zu verweilen gedachte.

      Falbe Blätter wirbelten von den Zweigen herab, herbstliche Windstöße fuhren durch den Wald, und Regenschauer prasselten aus tiefhängenden Wolken hernieder.

      Die Vogelstimmen waren im Gebüsch verstummt, denn die meisten der geflügelten Wanderer waren schon gen Süden gezogen. Nur eine Schar von Dohlen umkreiste, sobald es sich einmal ein wenig aufklärte, mit hellem jack jack den Bergfried, um den der Wind lauter pfiff und fauchte als unten in dem vor seinen wuchtigsten Schlägen geschützten Tale. Die Sonntage zeigten ein noch grämlicheres Gesicht als die auch schon recht verdrießlichen Werktage und wurden aus den geöffneten Schleusen des Himmels reichlich mit Wasser überschüttet. Im Walde war es überall so patschnass, dass sich Wilfred nicht zu seinem Fuchse stehlen und auch nicht den längst geplanten Besuch bei Luitgard in der Mühle abstatten konnte. Da war es nicht zu verwundern, dass in den Mauern der Burg eine allgemeine, ansteckende Niedergeschlagenheit Platz griff. Außer dem dunkeln Gewölk, das sich langsam über das Gebirge dahinwälzte, stiegen aber auch noch andere, bedrohlichere Schatten herauf. Graf Hoyer hatte in Quedlinburg von der Äbtissin und vom Domherrn von Alvensleben, zu denen Nachrichten aus der Ferne schneller gelangten als zu dem einsam im Harze gelegenen Falkenstein, mancherlei erfahren, was dazu angetan war, allerorten Beunruhigung und Missmut hervorzurufen.

      Kaiser Friedrich hatte in Italien neue Kämpfe zu bestehen, die weniger mit den Waffen als mit langwierigen Verhandlungen ausgefochten werden mussten. Der dem Papste unter Mitwirkung der deutschen Fürsten aufgezwungene Friede von San Germano, wo Gregor den Kaiser auch von dem noch auf ihm lastenden Banne lösen musste, hatte zwar den kriegerischen Unternehmungen Einhalt geboten, aber die Spannung zwischen den beiden Herren der Welt keineswegs beseitigt. Diese dauerte im geheimen fort, und jetzt fand der Kaiser wider Erwarten sogar Unterstützung bei der Geistlichkeit, die dem Papste grollte, weil er von ihren Gütern Zehnten zur Fortsetzung der Feindseligkeiten gegen den stolzen Ghibellinen einzog. Der nur äußerlich geschlossene Friede stand also auf schwachen Füßen. Der unbeugsame Hohenstaufe hatte jedoch zwei tüchtige Männer zu Beratern: seinen aus der Gelehrtenschule zu Bologna hervorgegangenen Hofrichter Petrus de Vinea und den Großmeister des Deutschen Ordens Hermann von Salza. Ihren klugen und tatkräftigen Bemühungen gelang es, eine ehrenvolle und allem Anschein nach aufrichtige Versöhnung der beiden Widersacher in Anagni zuwege zu bringen, bei der kein Kardinal zugegen, sondern Hermann von Salza der einzige Zeuge sein durfte. Nun hielten es nicht nur die deutschen Fürsten für an der Zeit, ausgedehntere Territorialrechte für sich zu fordern, sondern auch die Bürgerschaften begehrten mehr Freiheit und Selbständigkeit in ihrem städtischen Regiment, wogegen sich der Kaiser nach den mit den lombardischen Städten gemachten bitteren Erfahrungen durchaus ablehnend verhielt.

      So ließ man den mächtigen Lenker des Reiches nicht zu Atem kommen, sondern trieb

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