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Kaiser auf Schloß Trausnitz bei Landshut in Bayern Hof hielte, und reiste, mit einem förderlichen Handschreiben der Landgräfin ausgerüstet, nach wenigen Tagen genossener Gastfreundschaft dahin weiter. Ihr Gefolge bestand aus der Scholastika Fräulein Hedwig von Hakeborn, dem Stiftsmarschall Gerhard von Ditfurt, einem anderen jüngeren adeligen Dienstmann des Stiftes, einer Kammerfrau und sechs reisigen Knechten, die noch mehrere Packpferde am Zügel führten.

      Die Gräfin Adelheid von Hallermund hatte zwar die Äbtissin gebeten, sie auf der Reise begleiten zu dürfen, allein Jutta, die während ihrer Abwesenheit die Leitung des Stiftes der Pröpstin Kunigunde von Woldenberg übergeben mußte, wünschte, daß ihr Freundin Adelheid jener etwas auf die Finger sähe und etwaigen Übergriffen derselben entgegenträte, zu welchem Zwecke sie die Kanonissin für alle Fälle mit geheimen Vollmachten versehen hatte. Eine Kapitularin aber mußte die Äbtissin als Ehrendame mitnehmen, und dazu hatte sie mit Absicht die hübsche, lustige und nicht allzu spröde Scholastika gewählt, die ganz das Zeug und sicher auch den guten Willen dazu hatte, den Herren am Hofe des Kaisers ein wenig die Köpfe zu verdrehen und ihr in der Beseitigung etwaiger Schwierigkeiten mit liebenswürdiger Gefälligkeit zu helfen.

      Oda verlebte auf dem Schlosse keine fröhlichen Tage, denn die Äbtissin, bei der nach dem Begräbnis Siegfrieds die alte Eifersucht wieder erwacht war, hielt sie unter strenger Aufsicht und fortgesetzter Beobachtung. Beides fiel mit Juttas Abreise fort, denn wem die Äbtissin übel wollte, den suchte die Pröpstin in ihrem hartnäckigen Widerspruchsgeiste gegen die Domina nach Möglichkeit zu begünstigen, und während sie nun das Regiment führte, erwies sie Oda nur Liebes und Gutes. Auch die übrigen Konventualinnen, einschließlich Adelheids, begegneten der sehr Zurückhaltenden mit Freundlichkeit und ehrten ihren Gram über den Verlust ihres, wie sie glaubten, heimlich Verlobten mit rücksichtsvoller Teilnahme.

      Schwer lastete auf Oda die traurige Gewißheit, daß Siegfried um ihretwillen den Tod gesucht hatte, und sie mußte sich fragen, ob sie nicht schuld daran wäre, indem sie vielleicht durch zu große Vertraulichkeit Hoffnungen in ihm erregt hätte, deren völlige Enttäuschung ihn zu dem verzweifelten Entschlusse getrieben hätte. Aber ihr tiefster Schmerz galt nicht dem toten Freunde, sondern dem lebenden Geliebten, um dessen Schicksal sie in einer beständigen Angst schwebte. Sie getraute sich nicht, ihrem Herzen durch ein befreiendes Aussprechen gegen eine der Konventualinnen Erleichterung zu verschaffen, und Eilika war bei aller Anhänglichkeit an sie doch immerhin nur ihre Dienerin und dazu ein gar geschwätzig Ding, bei dem ihr scheues Geheimnis in keiner sicheren Hut gewesen wäre. Allein ihre Verschwiegenheit auch gegen diese half ihr nichts. Die schlaue Zofe kam auch ohne ein abgelegtes Bekenntnis ihrer Herrin dahinter, und wie sie früher auf dem Regenstein bereit gewesen war, einer Verbindung Odas mit Siegfried Vorschub zu leisten, so war sie nun gewillt, einer solchen mit dem Grafen Albrecht die Wege zu ebnen, denn sie glaubte mit einer beneidenswerten Zuversicht an dessen baldige Befreiung und vermochte damit auch ihrer Herrin einige Beruhigung einzuflößen. Ihr Bundesgenosse bei diesem neuen Heiratsplane sollte wieder ihr getreuer Ritter mit dem langen Schnurrbart sein.

      Bock von Schlanstedt hatte sich, um seinem gefangenen Herrn nahe zu bleiben, bei seinen guten Freunden, den Mönchen zu Sankt Wiperti eingenistet und eine rege Verbindung mit Eilika zu unterhalten gesucht. Eilika hatte sehr gern die Hand dazu geboten und war schon zu manchem Stelldichein mit dem sich immer verliebter gebärdenden Ritter gekommen, denn mit Florencius wurde es doch nichts, der schien ihr selber zu vornehm für sie.

      Bock dagegen hatte mit ihm Freundschaft geschlossen, die zwar auf einem gegenseitigen Gefallenfinden aneinander beruhte, bei der aber Bock noch seine besondere Absicht hatte. Der lustige Stiftsschreiber war nämlich auch in der Stadt allgemein beliebt und hatte in allen Kreisen der Bürgerschaft Gönner und gute Freunde. Darum lag ihm Bock schon lange in den Ohren, daß er ihm durch seine vielen Bekanntschaften einmal Zutritt zu seinem Herrn verschaffen sollte, den Bock gern einmal wiedersehen und sprechen möchte, und Florencius hatte gelobt, alles zu tun, was in seinen Kräften stünde, diesen Wunsch des Ritters zu erfüllen.

      Als nun Eilika ihrem beharrlichen Anbeter die Entdeckung mitteilte, die sie in dem Herzen ihrer Herrin gemacht hatte, sagte sie ihm zwar nichts, was dieser nicht länger und besser wußte als Eilika, aber der verschwiegene Mann hörte mit Freuden auch von dieser Seite die Bestätigung dessen, was ihm Siegfried in seiner letzten Stunde anvertraut hatte.

      Und als Eilika ihrer Herrin Bocks Hoffnung verkündete, durch Vermittlung des Stiftsschreibers den Grafen Albrecht sprechen zu können, war Oda hoch erfreut darüber in dem heißen Verlangen, auf diesem Wege etwas über das Befinden des Geliebten und über die Möglichkeit seiner Rettung zu erfahren. Sie gab Eilika ein mit wertvollen Edelsteinen besetztes Geschmeide, damit Florencius nötigenfalls Mittel zur Bestechung der Wächter habe.

      Dabei mußte man jedoch mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Florencius gebrauchte eine lange Zeit, seine unverdächtige Annäherung an den Rathauswart vorzubereiten, und als er endlich soweit gekommen war, daß er Wärter und Schließer willig gemacht hatte, kehrte, ungemeldet und früher als erwartet, die Äbtissin von ihrer Reise an den Hof des Kaisers zurück.

      Sie hatte gesiegt. Das Ergebnis ihrer mutigen Pilgerfahrt war die Freiheit des Grafen Albrecht.

      Nach manchen Verhandlungen, Vorstellungen und Bitten hatte sie dem Kaiser den Bescheid abgerungen, der den Grafen aus der Gefangenschaft löste, wenn dieser sich den Bedingungen fügte, die in einem von der Äbtissin mitgebrachten Majestätsbriefe an die Stadt Quedlinburg enthalten waren.

      Diese Bedingungen waren die folgenden. Der Graf sollte zwar Schirmvogt des freiweltlichen Stiftes bleiben, aber seiner Schirmvogtei über die Stadt Quedlinburg entsagen und diese fortan unabhängig von ihm sein. Die im Weichbild der Stadt belegenen Regenstein'schen Häuser und Höfe sollten der Stadt verfallen. Der Graf sollte die Gunteckenburg nicht wieder aufbauen und eine Meile im Umkreise der Stadt keine neue Befestigung, sei es Burg oder Haus, errichten dürfen und endlich in der Umwallung der Stadt sieben Mauertürme auf seine Kosten bauen lassen. Bei Annahme dieser Bedingungen seitens des Grafen sollte die Stadt ihn sofort in Freiheit setzen, und als besondere Gnade wollte ihr der Kaiser dann die hohe Gerichtsbarkeit über Hals und Hand verleihen, womit indessen keineswegs das Gericht unter dem hohen Baume gemeint war.

      Der Rat nahm diese Bedingungen an, aber Graf Albrecht wies sie entschieden zurück.

      Die Äbtissin war empört. Sie hatte sich seinetwegen den Mühen und Gefahren einer langen, beschwerlichen Reise in herbstlich rauhem Wetter ausgesetzt, hatte für ihn gesprochen und gestritten, hatte mit Hilfe ihrer unerschrockenen Begleiterin die Gunst und Fürsprache der kaiserlichen Räte und Paladine durch Mittel gewinnen müssen, über die sich die opferfähige Scholastika in vielsagenden Andeutungen gegen ihre jüngeren Stiftsgenossinnen erging, und hatte endlich Bedingungen für den Gefangenen erreicht, die ihm nicht die kleinste Abtretung von dem Besitzstande seiner Grafschaft zumuteten und im Vergleich mit dem dafür erkauften Werte des Lebens und der Freiheit noch ein billiger Preis zu nennen waren. Und das alles sollte sie umsonst getan haben? Sie hatte einen Dank von ihm erwartet, der ihre stolzesten Hoffnungen und heißesten Wünsche erfüllte, und statt dessen war seine Antwort ein trotziges Nein!?

      Sie setzte sich hin und schrieb ihm einen geharnischten Brief, worin sie ihm seinen Undank ziemlich unverblümt vorhielt und ihn dringend zum Nachgeben ermahnte. Der Brief ward ihm durch Vermittlung des Rates übergeben, denn diesem war es sehr um das Zustandekommen des Vertrages zu tun, weil er der Stadt neben anderen Vorteilen die längst ersehnte Befreiung von der Schirmvogtei und die hohe Gerichtsbarkeit einbrachte, wogegen die zweifelhafte Genugtuung, einen so gefährlichen Mann, wie Graf Albrecht von Regenstein war und, so lang er lebte, auch für sie blieb, als Gefangenen in ihren Mauern zu halten, gar nicht in Betracht kommen konnte.

      Aber auch der Brief beugte den harten Sinn des Grafen nicht. Er ließ der Schreiberin seinen tief empfundenen Dank für ihre Bemühungen um ihn, aber auch seinen festen Entschluß, auf diese Bedingungen nicht einzugehen, mitteilen, blieb in seinem Kasten und klirrte mit seiner Kette weiter.

      Die Äbtissin geriet darüber in helle Verzweiflung und war vorläufig ratlos, was sie nun beginnen sollte. Sie ergab sich einem dumpfen Brüten über die abenteuerlichsten Pläne, zu jeder Tat, zum Äußersten bereit, das die Durchsetzung ihres

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