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      Der Ausfall der Quedlinburger, den sie am Öhringer, am Gröper und am Hohen Tore zugleich unternahmen, wurde mit schwachen Kräften und geringem Nachdruck ausgeführt, und da Graf Albrecht sah, daß die Seinigen wacker standhielten, zog er mit seinem Fähnlein Fußknechte nach den Weinbergen.

      Als er vor den Knechten langsam dahinritt, überfiel ihn eine plötzlich aufsteigende Angst um Siegfried. Er hatte ihn gegen einen Feind geschickt, dessen Stärke er nicht kannte, und ihm den Befehl gegeben, bis auf den letzten Mann auszuhalten. Siegfried hatte sich während der ganzen Belagerung über alle Maßen vorgewagt, freiwillig, selbst gegen die Mahnungen seiner Brüder; was würde erst tun, angefeuert von einem solchen Befehl! Es konnte ein Todesritt sein, zu dem Albrecht den Bruder ausgesandt hatte. Ihm wurde bang ums Herz, sein Traum fiel ihm ein, und mit jedem Schritte wuchs seine Unruhe. Er setzte sein Pferd in Trab und auf dem Trab in Galopp, spornte es immer schärfer und schärfer und fegte endlich wie von einem bösen Geiste gehetzt querfeldein dem Hohlwege zu. Und als er hinter der Biegung desselben auf den Kampfplatz kam, da sah er die Verwundeten liegen und dort am Wegrain – er wußte nicht, ob lebend oder tot – seinen Bruder Siegfried.

      »Siegfried! Siegfried! barmherziger Gott! Siegfried!« rief er, sprang aus den Bügeln und beugte sich über ihn.

      Siegfried sah ihn mit brechendem Blick an; ein trübes Lächeln glitt über seine bleichen Züge, und leise sprach er: »Wir haben gesiegt, Albrecht, aber – es kostet dich einen Bruder.«

      »Siegfried! o Gott!« rief Albrecht, »und ich, ich habe dich in den Tod geschickt!«

      »Nein – nein –« flüsterte der Wunde.

      Albrecht lag auf den Knien, in des geliebten Bruders Antlitz blickend. »Mein Traum! mein Traum! den hatte ich vergessen, der hat mich umsonst gewarnt,« jammerte er.

      Siegfried verstand ihn nicht. Er versuchte Albrechts Hand zu fassen, war aber schon zu schwach, die seine zu erheben. Albrecht ergriff sie sanft und fühlte ein leises Zucken. Siegfried wollte ihn zu sich herabziehen, weil er kaum noch fähig war zu sprechen. »Albrecht, grüße Oda; – nun bin ich euch – nicht mehr – im Wege,« hauchte er kaum hörbar mit bebenden Lippen.

      »Siegfried! was sagst du da? Siegfried! Du darfst nicht sterben mit dem Gedanken, daß du mir im Wege warst,« rief Albrecht. »Du warst mir nicht im Wege, Siegfried! Ich wollte dich glücklich machen, dich und Oda!«

      Aber Siegfried hörte ihn nicht mehr. Albrecht nahm den Sterbenden in seine Arme und lauschte auf den erlöschenden Atem.

      Das Fähnlein Fußknechte hatte ihn mittlerweile erreicht und blieb nun um des Weges Breite von ihm entfernt flüsternd stehen in scheuer Ehrfurcht vor dem tiefen Schmerze ihres heldenhaften Gebieters, den sie noch niemals so gesehen hatten. Sie frugen ihn nicht nach Befehlen, und er achtete ihrer nicht, wußte vielleicht kaum, daß sie da waren. Alles um sich her vergessend saß er von Schmerz überwältigt bei dem verscheidenden Bruder, dessen Haupt auf seinem Schoße haltend. –

      Die von Bock und seinen Reitern verfolgten Halberstädter hatte sich jenseits der Weinberge von der Straße abgewandt und links im offenen Felde zerstreut, wo ihnen die Regensteiner immer noch nachsetzten. Endlich gaben diese die Verfolgung auf, konnten aber nun nicht denselben Weg zurück, weil inzwischen die feindliche Hauptmacht herangekommen war und ihnen diesen Rückweg abgeschnitten hatte.

      Der Kampf vor der Stadt verlief für die Regensteiner sehr unglücklich. Anfänglich machten die Quedlinburger aus zwei Toren nur Scheinangriffe, um die davorstehenden Feinde dort festzuhalten. Aus dem dritten und mittelsten aber, dem Gröper Tor, fielen sie bald in einer unerwarteten Stärke aus, drängten Poppo mit Übermacht zurück und schoben sich nun wie ein Keil zwischen Bernhard und Günther, beide von der Seite anfallend, während gleichzeitig nun auch die Angriffe aus dem Öhringer und dem Hohen Tore mit großer Gewalt erfolgten. So wurden die Belagerer aus ihrem Zusammenhange gerissen, durchbrochen und geworfen. Ein Teil des Halberstädtischen Fußvolkes hatte die Weinberge umgangen und kam Poppo und Günther, die, auch im Rückzuge noch tapfer kämpfend und beide leicht verwundet, sich am Hungerplane vereinigt hatten, in den Rücken, so daß sie, um nicht gefangen zu werden, auf Westerhausen zu weichen mußten. Dort im Felde stieß Bock zu ihnen und brachte ihnen die erschütternde Kunde, daß Siegfried gefallen. Sofort kehrten sie mit ihren Knechten, soviel sie deren noch bei sich hatten, nach der Stelle des Reitergefechtes um, bis zum letzten Blutstropfen entschlossen, den Bruder oder seinen Leichnam aus den Händen der Feinde zu erretten. Wo Albrecht und Bernhard waren, wußte keiner von ihnen.

      Von den Mauertürmen hatte man sowohl Siegfrieds Ritt mit den Gepanzerten als Albrechts Abmarsch mit einem Häuflein Knechte nach den Weinbergen, also den anrückenden Halberstädtern gerade entgegen, wohl bemerkt und schickte sich eben an, ihnen mit einem abgesonderten Haufen dahin nachzuziehen, als sich Überraschendes ergab.

      Mit verhängten Zügeln kam Graf Albrecht aus dem Hohlwege gejagt, und hinter ihm her in rasender Verfolgung wohl zwanzig bischöfliche Reiter.

      Auf den ersten Blick sah er, daß die Schlacht für ihn verloren, sein Volk vollständig zersprengt und ein Sammeln desselben unmöglich war. Der nächste Weg nach Burg Gersdorf ging links um die Stadt herum. Dorthin wandte er sich, nur der Schnelligkeit seines Rosses vertrauend. Aber wie die Reiter auf seinen Spuren, so verfolgte ihn überall das Geschrei der über seine Flucht frohlockenden Feinde, von denen sich ein großer Teil auch noch hinter ihm hermachte. Er mußte an dem Öhringer Tore vorüber, und das war sein Verderben. Hier begegnete ihm eine Schar reitender Knechte und Bürger, die noch nicht am Kampfe teilgenommen und daher noch frische Pferde hatten. Diese Schar nahm Albrechts Verfolgung in der Richtung nach Gersdorf auf und bedrängte ihn so hart dabei, daß er in seiner Not und Verwirrung in den Bruch des Hackelteiches geriet, wo sein erschöpftes Pferd bis an den Bauch im Moraste versank und nicht mehr herauskonnte.

      Nun wurde er von den immer zahlreicher herbeistürmenden Feinden umzingelt. Viele auf einmal wagten sich trotz der Gefahr in Bruch und Morast. Ein verzweifelter, furchtbarer Kampf fand noch statt, in dem sich Albrecht wie ein wütender Eber wehrte, bis sie mit Spießen und Stangen auf ihn losschlugen und auch sein starker Schwertarm erlahmte.

      Da geschah das Unglaubliche: Graf Albrecht von Regenstein wurde von den Quedlinburgern gefangen genommen.

      Wie ein Flugfeuer über Strohdächer pflanzte sich der Ruf: Wir haben ihn! wir haben ihn! bis zur Stadt fort, in deren Gassen bald tausend und abertausend Kehlen jauchzten und brüllten: Der Raubgraf ist gefangen! der Raubgraf kommt, mit Ketten beladen!

      Bernhard hatte es trotz der größten Anstrengungen nicht gelingen wollen, sich zu Poppo durchzuschlagen, und um seine Streitkräfte nicht gänzlich aufreiben zu lassen, sondern für spätere Kämpfe zu sparen, zog er sich fechtend zurück, um in einem Bogenmarsche den von Albrecht befohlenen Sammelplatz, Burg Gersdorf zu erreichen. Da sah er von weitem einen fliehenden und heftig verfolgten Reiter, in dem er seinen Bruder Albrecht zu erkennen glaubte. Er versuchte, ihm zu Hilfe zu eilen, kam aber zu spät. Von den schnell in großer Zahl nachrückenden Feinden wurde er sofort aufs neue angegriffen und zurückgewiesen, ohne jedoch weiter verfolgt zu werden.

      Der Kampf war zu Ende, die Regenstein'sche Macht aufgelöst und so gut wie vernichtet. Die Sieger begnügten sich mit ihrem überaus wichtigen Fange und kümmerten sich nicht um die hier und da vereinzelt umherirrenden Trupps von Feinden, die der geschlossenen Masse der Städter keinen Schaden tun konnten.

      Als Bernhard dessen inne wurde, ritt er nicht nach Gersdorf, sondern folgte in einiger Entfernung dem allmählich zu einem großen Heerhaufen anschwellenden Zuge, der den Gefangenen nach der Stadt führte. Mit trüben und bitteren Gedanken und unter den schwersten Sorgen um Albrechts Schicksal ritt er in einiger Entfernung hinter dem gefesselten Oberhaupte seines ruhmreichen Hauses langsam einher. »O Albrecht, Albrecht!« seufzte er. »Du wolltest den Harzgau erobern und zu einem Regenstein'schen Fürstentume machen, und nun wird eine Kerkerzelle dein leidvolles, schmachvolles Los! Und was wird das Ende sein? – Oder ist es alles nur um jenes Mädchens willen, vor dessen unheilbringender Nähe ich vergeblich warnte? Hier an dieser Stelle wurde sie gefangen; – o hätten wir sie nie gesehen!«

      Er beschloß seine drei

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