Скачать книгу

Trümmern liegenden Gunteckenburg an ihr rächen zu können.

      Siegfried hatte weder den älteren Bruder bei seinem Besuch auf dem Schlosse begleitet, noch war er allein oben gewesen. Albrecht legte ihm diese große Enthaltsamkeit als Ehrgeiz aus, mit dem Siegfried sich vielleicht Oda gegenüber vermessen oder wohl gar durch ein Gelübde gebunden hatte, erst als Sieger und Eroberer der Stadt wieder vor der Geliebten zu erscheinen. Er frug ihn nicht, aber seine Vermutung wurde bestärkt durch Siegfrieds verwegenes Vordrängen und Sichpreisgeben bei jedem Angriff und durch sein ungeduldiges Verlangen, daß sich die Belagerten endlich zu einem Ausfall und einem Waffengang auf freiem Felde entschließen möchten.

      Aber damit hatten es die Quedlinburger nicht eilig. Laut des abgeschlossenen Schutz- und Trutzbündnisses mußten ihnen der Bischof und die Städte Halberstadt und Aschersleben zu Hilfe kommen, und darauf warteten sie. Wenn sie von ihren Türmen aus gewahrten, daß die Bundesgenossen heranrückten, dem Feinde in den Rücken, dann wollten sie selber aus den Toren aus fallen und mit draufschlagen, bis dahin aber ihre Kräfte einem so ausgezeichneten Kriegsführer gegenüber, wie der Graf von Regenstein war, wohlweislich schonen. Inzwischen hielten sie gute Wache, wehrten die Sturmversuche an den Toren ab und sahen ruhig am Tage die Zelte und nachts die Lagerfeuer jenseits ihrer breiten Gräben. Ausgehungert konnte die Stadt von den Regenstein'schen nicht werden, trotzdem die Handelswege durch die Belagerung abgeschnitten waren. Einen Frachtzug mit Güterladung, der für einen Quedlinburger Kaufherrn bestimmt und die Gefahr nicht kennend, die alte Heerstraße von Nordhausen über den Harz kam, hatte der Feind schon abgefangen und ausgeraubt. Aus diesem Grunde war den Bürgern das lange Ausbleiben der zu erwartenden Hilfe sehr unbequem. Dem Grafen Albrecht dagegen kam diese Verzögerung ihrer Ursache wegen sehr zustatten, und als ihm die letztere durch einen reitenden Boten aus Burg Schwanebeck gemeldet wurde, verwandelte sich seine Verdrossenheit in helle Freude.

      Der Fehdebrief an den Rat zu Halberstadt hatte eine Wirkung gehabt, die Albrechts kühnste Hoffnung überstieg: der Bischof war aus der Stadt vertrieben und hatte flüchten müssen.

      Und das war so gekommen. Graf Albrecht von Regenstein war beim gemeinen Volke weit und breit beliebt im Lande, weil der die armen Leute nicht schindete und plagte, wie das andere ritterliche Lehensherren taten, sondern sie mit milder, wohltätiger Hand unterstützte und ihnen selbst gegen ihre weltlichen und geistlichen Bedrücker beistand. Um so weniger Freunde hatte der Bischof, der seine Güter und Zehnten mit unnachsichtiger Strenge eintrieb, so daß der Graf bei seinen Streitigkeiten mit ihm, von denen die Kunde in alle Schichten der Bevölkerung drang, die große Masse des ärmeren Volkes auf seiner Seite hatte. Als nun der Absagebrief der Verbündeten, der die Stadt nur des Bischofs wegen mit einer scharfen Fehde bedrohte, bekannt wurde, ergriffen die Handwerksgilden und die kleineren Leute offen Partei für den Grafen gegen den Bischof, und es kam in Halberstadt zu einem gewaltsamen Aufstande. Der Rat und die Geschlechter taten wenig oder nichts zur Unterdrückung desselben, teils weil ihnen die Macht dazu fehlte oder ihnen um ihr eigen Gut und Blut bangte, teils weil sie dem Bischof für sein oft hochmütiges Auftreten und seine vielfachen Übergriffe in das Stadtregiment diese bittere Lehre gönnten, damit er einsehen sollte, daß ein guten Einvernehmen mit Rat und Geschlechtern sein eigener Vorteil wäre. Es mochte auch wohl von seinen alten Gegnern im Domkapitel heimlich geschürt und gehetzt werden, kurz, die erregten Volkshaufen machten Anstalt, die bischöfliche Burg zu stürmen, und um sein Leben zu retten, blieb dem Bischof nichts übrig, als zu fliehen. Es hieß, er habe sich bei Nacht über die Stadtmauer gerettet und über Osterwiek nach seiner Feste Hornburg ganz im nordwestlichen Winkel des Harzgaues, an der Ilse oder nach seiner Burg Wiedelah zwischen Stötterlingenburg und der Oker gewandt, von wieder er leicht in noch größere Sicherheit nach der Harzburg, der sehr starken Bergfeste der Grafen von Wernigerode, kommen konnte.

      Diese wichtige Nachricht war dem Grafen Albrecht begreiflicherweise sehr willkommen, denn wenn er auch weit davon entfernt war, zu glauben, daß der vertriebene Bischof sich gottergeben in sein Schicksal fügen und lange untätig stillsitzen würde, so hatte er doch vorläufig Ruhe vor ihm und durfte hoffen, daß die Halberstädter unter diesen Umständen von der Entsendung einer Streitmacht zu Hilfe der Stadt Quedlinburg absehen würden.

      Demgemäß fiel auch sein Bescheid auf eine Anfrage der verbündeten Grafen aus, als sie ihm die Einnahme des Falkensteins melden ließen. Graf Hoyer, oder vielmehr die Besatzung der Burg, hatte sich, um der Waffenehre und der Treue gegen ihren Lehensherrn einigermaßen zu genügen, drei Tage lang standhaft gewehrt, dann aber die Burg übergeben, und Graf Hoyer war mit seiner frommen Gemahlin und seinem bischöflichen Burgkaplan grollend und grämlich abgezogen. Die Grafen machten sich auf dem schön gelegenen Falkenstein nun gute Tage und pflegten des edlen Waidwerks in den wildreichen Forsten. Sei frugen aber doch bei Albrecht an, ob sie ihm gegen die Stadt Quedlinburg zu Hilfe kommen sollten. Wenn nicht, so würden die Grafen Heinrich und Dietrich den Falkenstein für Albrecht besetzt halten – mit anderen Worten, so lange weiter zechen und pirschen – bis er oder einer seiner Brüder sie ablöste. Graf Burchard aber wollte dann mit seinem Volke auch noch die zur Grafschaft Falkenstein gehörige Herrschaft Arnstein mit der Rammelburg und Hettstedt besetzen.

      Albrecht verstand recht gut, wie das gemeint war. Die Herrschaft Arnstein mit dem herrlichen Schloß grenzte an Burchards Grafschaft Mansfeld, und wenn er sie besetzen wollte, so hieß das soviel, als daß er sie für sich besetzen und behalten wollte. Darüber war nun zwar nichts abgemacht, allein Albrecht sah ein, daß er dies seinem treuen Bundesgenossen nicht verwehren und ihm den Lohn für seine bereitwillig geleistete Hilfe nicht verweigern konnte. Außerdem lag dem Grafen Albrecht daran, den Quedlinburgern zu zeigen, daß er allein stark genug wäre, sie zu züchtigen, damit sie in Zukunft die nötige Achtung vor seiner Gewalt hätten und nicht etwa meinten, er könnte ihnen ohne den Beistand Verbündeter nichts anhaben. Er antwortete daher auf die Anfrage der Freunde, er bedürfe ihres Zuzuges nicht; Burchard möchte sich in Gottes Namen der Herrschaft Arnstein bemächtigen, und Heinrich und Dietrich möchten den Falkenstein und die Gegend um Ermsleben besetzt halten, bis er einen seiner Brüder zur Übernahme schickte, was hoffentlich bald geschehen würde. Aber sie möchten die Stadt Aschersleben durch streifende Reiter beobachten lassen, daß ihm von dort nicht unvermutet reisig Volk in den Rücken fiele, und wenn es ihre Zeit irgend erlaubte, so möchten sie die anhaltinischen Fürsten, namentlich Bernhard den Beraubten ansprechen und ihn zur Teilnahme an ihrem Bündnis gegen den Bischof zu gewinnen suchen.

      Den Quedlinburgern kam die Säumigkeit der beiden anderen Städte doch nachgerade verdächtig vor, und man beschloß, bei ihnen anzufragen, ob sie denn bundbrüchig werden wollten, oder warum sie der bedrängten Schwesterstadt keine Hilfe schickten. Da die Umschließung der Stadt seitens der Belagerer eine sehr lückenhafte war, so kamen die in der Dunkelheit der Nacht aus einem versteckten Mauerpförtchen gelassenen Boten glücklich durch die Feinde durch und in der darauffolgenden Nacht auch wieder in die Stadt hinein.

      Da erfuhr man denn nun die Geschichte von der Verjagung des Bischofs. Aber Bürgermeister und Rat von Halberstadt ließen denen von Quedlinburg sagen, sie dächten nicht daran, bundbrüchig zu werden und würden die liebe Schwesterstadt gewiß nicht im Stich lassen, wenn sich diese nur noch einige Tage gedulden und gegen den Feind halten könnte. Sie stünden mit dem Bischof über seine Rückkehr in Unterhandlung, die, wenn sie nicht überstürzt würde, einen für ihre Stadt sehr wünschenswerten Ausgang verspräche. Dann wollten sie mit einem namhaften Volk zu Roß und zu Fuß kommen und durch ein Fahnenzeichen von der Hamwarte ihr Nahen kundgeben. Die Quedlinburger möchten nur immer scharf auslugen und dann zu rechter Zeit durch einen Ausfall auf den Feind kräftig zudrucken.

      Der Bescheid der Ascherslebener lautete nicht so günstig. Sie könnten nicht durch, hieß es, denn die Stolbergischen und Hohnstein'schen lägen ihnen im Wege und bewachten sie unablässig.

      Dabei mußten sich die Quedlinburger wollend oder nichtwollend beruhigen, und im Hinblick auf die tröstliche Nachricht aus Halberstadt konnten sie es auch; aber die auf die Wegelagerei der Harzgrafen gestützte Entschuldigung Ascherslebens sah doch einer willkommenen Ausrede zum Verwechseln ähnlich, und es wollte die Quedlinburger dünken, als wäre die neue Bischofsstadt ihnen nicht so bundestreu wie die alte.

      Selbst von Quedlinburgs höchstem Kirchturme war der umliegenden Berge wegen die Straße nach Halberstadt

Скачать книгу