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      »Sahen die beiden Damen etwa so klösterlich aus, die vor vierzehn Tagen hier waren?« frug Oda.

      »Nein! da habt Ihr recht, das müßte man lügen!« lachte Eilika. »Und dann der Herr Stiftsschreiber Florencius – –«

      »Nun?«

      »Der wohnt auch auf dem Schlosse und ist viel unterhaltender und lustiger als der Ritter Bock.«

      »So! den scheinst du dir also schon zu deinem Troste ausersehen zu haben.«

      »Lieber Gott, gnädiges Fräulein, unsereins will doch auch seinen Spaß haben.«

      »Nun, wenn du dich schon auf deinen Spaß mit dem Stiftsschreiber Florencius freust, so jammere wenigstens nicht über deinen Abschied vom Regenstein, als solltest du statt in das Schloß der Äbtissin gegenüber in das Marienkloster auf dem Münzenberge,« verwies Oda ihre leichtfertige Zofe.

      Darauf schwieg diese.

      Oda tat sich Zwang an, als sie beim Einpacken mit Eilika scherzte, um sich über die Traurigkeit ihres letzten Tages auf dem Regenstein hinwegzutäuschen. Ihr war das Herz unendlich schwer. Eilika hatte recht: was hatte sie hier nicht alles erlebt! Als Gefangene eingebracht, hatte sie hier beinahe fünf Monate wie die Herrin gehaust, sich in der Gegenwart zufrieden und glücklich gefühlt und kaum an die Zukunft gedacht, die nun auf einmal, nachdem der schöne Traum verflogen, wieder in ihre grausamen Rechte trat. Der Mann, der große Graf, der weit über seinen Gau hinaus geachtete und gefürchtete Held, zu dem sie seit Jahren schon in schwärmerischer Bewunderung aus der Ferne emporgeschaut hatte, der war ihr Beschützer geworden, dem gerade hatte das Schicksal sie so nahe gebracht, daß sie ihn mit der vollen Glut erste Liebe umfaßt hielt und der, der entschwand nun ihren sehnsüchtigen Blicken im wilden Kriegsgetümmel, und wenn sie ihn wiedersah, so war es vielleicht, weil er kam, um vor ihren sehenden Augen eine andere in seine Arme zu schließen, sich die schöne stolze Domina zu holen, bei deren Vermählung mit ihm in der alten, hochragenden Stiftskirche sie vielleicht eine brennende Kerze tragen durfte. So schied sie von der hohen Felsenburg und den beiden Grafen, von denen der eine, der Geliebte, sie ruhig ziehen ließ, sie fortschickte, und der andere nun wiederum ihr mit dem Gram und Groll verschmähter Liebe nachschaute. Was blieb ihr? Nichts, als die Erinnerung. Und um sich von dieser so viel wieder möglich in die Verbannung hinüberzuretten, beschloß sie, noch einmal zu der Felsbank hinaufzusteigen und sich die Augen und die Seele noch einmal mit dem Bilde zu füllen, das sie so oft mit Entzücken von dort oben betrachtet hatte und nun wohl niemals wiedersehen würde. Heute war sie auch sicher, daß der eine, der Geliebte, sie dort nicht überraschen würde; er hatte ja heut überhaupt kaum einen Blick für sie. –

      Von Graf Albrechts ernsten Lippen kam heute Befehl auf Befehl, und mit einer Schärfe, die den Gehorchenden Schwingen an die Sohlen band. Am Nachmittage, als die Vorbereitungen zum Abmarsch beendet waren, frug er seinen getreuen Paladin: »Sind die Boten alle zurück?«

      »Alle noch nicht,« erwiderte Bock; »drei fehlen noch.«

      »Wer hat die Absage nach Halberstadt gebracht?«

      »Nothnagel; aber er ist noch nicht zurück.«

      »Hm! sollten sie ihn gefangen haben?«

      »Schwerlich, und lebendig gewiß nicht,« sagte Bock.

      Der Meinung war auch der Graf, denn er kannte seine Leute, und ohne weitere Sorge um Nothnagel ging er jetzt in den Marstall, um sich von dem tadellosen Hufbeschlag der Rosse zu überzeugen. Bock begab sich in seine Felskemenate, wo er noch dieses und jenes für sich selber zu schaffen hatte.

      Am Abend trafen die bis jetzt Ausgebliebenen alle drei zusammen ein. Bock kam dazu, als sie eben von den Gäulen stiegen.

      »Besorgt!« sagte Nothnagel zu ihm, »ich habe den Brief am Johannistor abgegeben.«

      »Was sagten sie?«

      »Wir sollten nur kommen, wenn wir Hiebe haben wollten.«

      »Daß dich der Bock stößt! Wir wollen sie räuchern wie den Schinken im Schornstein! – Und das andere?« frug Bock weiter.

      »Auch besorgt! Er baumelt,« erwiderte Nothnagel.

      »An einer Weide,« sagte Hasenbart.

      »Und unter ihm fließt die Holtemme,« schloß Springwolf, und dann lachten sie alle drei wie die Kobolde.

      Bock meldete nun dem Grafen: »Der Brief ist besorgt, Herr Graf. Die drei letzten sind herein.«

      »Wo haben die Kerls so lange gesteckt?« frug Albrecht.

      Bock wollte nicht recht mit der Sprache heraus. »Laßt nur, Herr Graf,« sagte er; »sie haben ihre Schuldigkeit getan.«

      »Das dank' ihnen der Teufel!« brauste der Graf. »Wo waren sie?«

      »Sie hatten noch eine kleine Bestellung von mir auszurichten an – an einen alten Freund,« erwiderte Bock.

      »An wen? – Bock, an wen?« drängte der Graf.

      »An Hinze Habernack.«

      Da hob Albrecht den Finger und sagte: »Bock, Bock! ich will nicht wissen, was geschehen ist, aber was Frommes war's wohl nicht.«

      »Herr Graf,« antwortete Bock mit fester Stimme, »das nehm' ich auf mich!«

      Aber er ging nicht, und Albrecht sah ihm an, daß er noch etwas auf dem Herzen hatte.

      »Was hast du noch?« frug er.

      »Herr Graf, der Tempelherr rumort heut abend mit Gewalt,« sagte Bock leise.

      »Schon wieder?« sprach Albrecht betroffen. »Hat es außer dir noch jemand gehört?«

      »Ich glaube nicht.«

      »So schweige still davon und sorge, daß niemand da um das Verließ herumschleicht. Sie nehmen's sonst für eine böse Ahnung, und das taugt nichts, wenn man den Harnisch antun will. Verstehst du?«

      Bock nickte und wandte seine Schritte nach dem dunklen Schachte. Dort saß er noch lange auf einer vorspringenden Klippe und hielt Wache, daß sich niemand dem verrufenen Orte näherte. Er selber aber horchte mit trüben Gedanken auf das unterirdische Getön, das bald wie ein ununterbrochenes Rauschen und Rieseln, bald in kurzen, regelmäßigen Absätzen wie ein lauter Tropfenfall klang. Es war eine düstere Nacht; kein Stern blickte tröstlich auf den Einsamen hernieder, und um die Kanten und Ecken des hohen Felsenbaues strich leise klagend ein herbstlicher Wind. –

      Das vereinigte Heer, das mit seinem Troß von Sturmgerät am nächsten Morgen auf der Straße nach Quedlinburg dahinzog, bot ein jedes kriegerische Herz erfreuendes Schauspiel. Speerfähnlein flatterten, Stahlhauben und Blechschienen blitzten, Waffen klirrten, Ketten und Eisenringe rasselten an den Panzern, Riemenzeug knarrte und Schnauben und Hufschlag tönte. Die Reisigen und Knechte zu Fuß und zu Roß sangen und trieben allerlei Schimpf und neckischen Mutwillen, denn sie freuten sich aufs Stürmen, auf Brennen und Sengen und hofften auf Plünderung und gute Beute. Die acht Grafen ritten voran, Oda in ihrer Mitte.

      »Ihr seid gewiß die erste Kapitularin, Gräfin Oda, die mit einem Heereszuge auf das Schloß der Äbtissin geleitet wird,« sagte Graf Heinrich von Stolberg.

      »Wollt Ihr denn alle mit hinauf, Herr Graf?« lächelte Oda.

      »O nein,« erwiderte er, »wir schwenken unter dem Schlosse rechts ab und reiten –«

      »Dem Schrecken wollen wir unserer gnädigen Frau ersparen, ihr Schloß von Kriegsvolk erlaufen zu sehen,« fiel Albrecht dem Grafen Heinrich in die Rede, weil er fürchtete, dieser möchte Oda sagen, daß der Zug der drei verbündeten Grafen gegen ihren Bruder nach dem Falkenstein ging.

      »Ich würde der lieben Gräfin Eure böse Sieben als Ehrengeleit mitgeben, Albrecht,« lachte der in seinen Scherzen selten glückliche Graf Dietrich von Hohnstein.

      Albrecht warf ihm einen mißbilligenden Blick zu und sagte: »Siegfried wird Gräfin Oda er Domina zuführen.«

      Siegfried

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