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der Graf den alten Schuft, den Habernack hatte entwischen lassen, der nur gekommen wäre, um sie mit falschen Nachrichten in Sicherheit zu wiegen und dann den Feinden zu verraten, wie wenig sie auf dem Regenstein auf einen Angriff vorbereitet waren. Er schwur dem Verräter tödliche Rache.

      Der Feind rührte sich nicht, sondern lag ruhig auf derselben Stelle, in der Hoffnung, die Burg durch Aushungerung zu Falle zu bringen. Vom dritten Tage an war auf der Höhe des Felsens Tag und Nacht ein Posten aufgestellt, der nach Annäherung des Entsatzes spähen und auf das mit Albrecht verabredete Hornzeichen lauschen sollte.

      Endlich, am fünften Morgen, meldete dieser: Sie kommen! und die Hinaufeilenden erblickten einen anrückenden Heerhaufen, den sie in Anbetracht der Stärke des Feindes allerdings etwas größer wünschten. Sie wußten nicht, daß dies nur die Hälfte war und die andere Hälfte, die sie von hier oben nicht sehen konnten, den Regenstein südlich umging, um gleichzeitig den Feind auch von dieser Seite anzugreifen. Sofort sammelte Siegfried die Seinigen zum Ausfall, und als der Posten oben das Zeichen gab, daß er Albrechts Hornruf vernommen, brachen sie aus dem Tore heraus und faßten den Feind nun von der dritten Seite, ohne selbst von diesem Vorteil Kenntnis zu haben.

      Trotz der tapfersten Gegenwehr der Angegriffenen, die in heißem Ringen das Gefecht eine Zeitlang zum Stehen brachte, war der Sieg der Regensteiner und ihrer Bundesgenossen ein vollkommener. Der Feind wurde mitsamt den ihm zu Hilfe kommenden Belagerern der Heimburg, denen Graf Bernhard mit seiner Besatzung auf dem Fuße folgte, geschlagen und versprengt, außer den Toten und Verwundeten, an denen es auch auf seiten der Angreifer nicht fehlte, eine beträchtliche Zahl Gefangener in den Händen der Sieger zurücklassend.

      Als nach erzwungener Durchbrechung der feindlichen Macht die Eingeschlossenen des Regensteins mit ihren Befreiern auf dem Kampfplatze zusammentrafen und ihren heldenmütigen Herrn, den Grafen Albrecht, nach seinem gefährlichen Wagnis wiedersahen, jauchzten sie ihm zu und schwangen die Waffen; selbst Bock vergaß seine strenge Würde, hob sich im Sattel seines steifbeinigen Schecken und schrie aus Leibeskräften: »Viktoria! Viktoria!«

      Mit herzlicher Freude begrüßten sich nach dem erfochtenen Siege die gräflichen Brüder, die außer dem Domherrn Ulrich nun wieder einmal alle beisammen waren, denn auch Günther und Poppo waren auf Albrechts Ruf mit ihren Knechten von Gersdorf und Crottorf zum Entsatz ihrer Stammburg herbeigeeilt. Bernhard, der ja selbst eingeschlossen gewesen war und daher Albrechts Erscheinen an der Spitze der Verbündeten nicht begreifen konnte, hörte nun mit Staunen den Bericht von seiner nächtlichen Fahrt vom Felsen hinab. Siegfried drückte dem Bruder von Pferd zu Pferd die Hand, konnte aber kein Wort zu Gruß oder Glückwunsch hervorbringen, und Albrecht, von Lärm und Gewühl umdrängt, nahm sein Schweigen und seinen brennenden Blick für sprachlose Freude des Wiedersehens nach solchem Abschied.

      Die wenigen ritterlichen Gefangenen, unter denen jedoch leider kein Graf von Blankenburg oder Wernigerode und auch nicht Rudolf von Dorstadt war, ließ man gegen ein mäßiges Lösegeld, dessen Zahlung sie, sobald sie etwas hätten, – aber sie hatten nie etwas – auf Ehr und Eid gelobten, frei von dannen ziehen, weil Kampf und Fehde ihr Handwerk war und man ihnen ihr lustiges Reiterleben, das sie bald im Solde eines Mächtigeren, bald auf eigene Faust abenteuernd führten, nicht verkümmern wollte.

      Als sich aber bei Musterung der gefangenen Knechte herausstellte, daß nicht allein Reisige des Bischofs, sondern auch der Städte Halberstadt, Aschersleben und Quedlinburg an der Belagerung teilgenommen hatten, wollte sich Graf Albrecht diesen gegenüber nicht zu der gleichen Großmut verstehen, sondern die unvermutete Entdeckung gründlicher prüfen. Da erfuhr er denn von einem mit der Sache vertrauten Halberstädter, daß der Bischof schon vor längerer Zeit ein geheimes gegen ihn gerichtetes Schutz- und Trutzbündnis mit diesen drei Städten geschlossen hatte. Albrecht war entrüstet darüber, aber am meisten ergrimmte ihn diese Heimtücke von der unter seiner Schirmvogtei befindlichen Stadt Quedlinburg, von deren Feindschaft er auf einem eiligen Ritt durch den Gau noch weit Schlimmeres erfahren hatte. Während daher die übrigen Gefangenen nach Ablieferung ihrer Rüstungen und Waffen ungekränkt entlassen wurden, war er nicht zu bewegen, auch die Quedlinburger freizugeben, ja, er wollte sie als Empörer und Verräter sämtlich über die Klinge springen lassen, und die Freunde hatte große Mühe, ihn davon abzubringen; aber frei gab er sie nicht, sondern ließ sie in die Felsenkammern des Regensteins sperren.

      Im Lager des Feindes hatte man reiche Beute an Mundvorräten gemacht, die den Insassen des Regensteins sehr willkommen war. Das Kriegsvolk der verbündeten Grafen sowie das von Gersdorf und Crottorf wurde vorläufig in den nächsten Burgen und festen Häusern untergebracht, und was dort nicht Platz fand, lagerte sich unterhalb des Regensteins, denn es gab noch Arbeit für Schwert und Spieß.

      Die Herren wollten den Sieg nun mit einem guten Trunke auf dem befreiten Regenstein feiern und ritten zusammen hinauf. Es waren außer den fünf Brüdern die Grafen Burchard von Mansfeld, Bernhards Schwiegervater, Heinrich von Stolberg und Dietrich von Hohnstein und Geldrungen mit einigen ritterlichen Dienstmannen, denen sich natürlich der höfliche Ritter Bock von Schlanstedt anschloß.

      Albrecht hatte noch mitten im Getümmel Odas gedacht und ihr sofort nach Entscheidung des Kampfes einen Boten gesandt, von dem sie auch erfuhr, daß er unverwundet war. Nun erwartete sie ihn mit sehnsuchtsvoller Ungeduld, aber in ihre Freude mischte sich ein Gefühl verschämter Bangigkeit, als wüßte er jetzt um ihre Liebe zu ihm. Nicht daß sie Siegfried zutraute, das Schweigen, das sie ihm darüber auferlegt, gebrochen zu haben, aber da das Geheimnis einmal ihrem Herzen entschlüpft und, wenn auch nicht von ihren eigenen Lippen, in deutlichen Worten ausgesprochen war, so meinte sie, es müßte dem Geliebten wie ein gezähmter, der widerwilligen Haft entflohener Falke über Berg und Tal nachgeflogen sein, ihn gefunden und sich bei ihm niedergelassen haben, so daß er es nun auch in seiner Brust trüge wie sie in der ihrigen. Der Gedanke erfüllte sie halb mit Schrecken und halb mit Seligkeit.

      Nach langem Warten kam wieder ein Bote, der der Schaffnerin Albrechts baldige Ankunft und die Zahl der Gäste ansagte.

      Oda war es nicht lieb, daß sie ihn in Gegenwart Fremder begrüßen sollte, und um ihn erst einmal ungestört und unbeobachtet, auch von Siegfried unbeobachtet, wiederzusehen, eilte sie zu jener von Gesträuch verdeckten Stelle, wo sie mit ihm zusammen die Ankunft der Äbtissin erspäht hatte.

      Da stand sie nun mit klopfendem Herzen und lauschte. Endlich erklang das Horn des Türmers, und so schmetternd und jubelnd, wie sie es noch nie gehört hatte. Und da – da kam er vor seinen ritterlichen Gästen und seinem tapferen Kriegsvolk als Vorderster einher geritten, stolz wie ein Reichsfürst, glücklich wie ein Sieger. O wie herrlich sah er aus in seiner kraftvollen, blühenden Männlichkeit hoch zu Roß in bestaubter Rüstung mit lächelndem Munde und blitzenden Augen! Und diese Augen blickten umher in der Runde und suchten, – suchten – etwa sie?! Jetzt wandte er den Kopf nach der Seite hin, wo sie stand; schnell fuhr sie zurück, daß sich die Zweige am Strauche bewegten, da suchte er nicht mehr.

      Graf Albrecht führte die Herren in den Palas und sagte fröhlich: »Günther und Siegfried, weist unseren edlen Gästen Saal und Gemach! Poppo, du sorgst für den Tisch und daß die Humpen nicht fehlen! und du, Bock, plünderst den Keller, denn darauf verstehst du dich am besten!«

      Und, Albrecht, wohin willst du? wollte Siegfried fragen.

      Albrecht stahl sich hinaus und ging, wie er vom Pferde gestiegen, in den Baumgarten hinüber zu der, die seiner dort harrte wie bei einem heimlichen Stelldichein.

      Bald stand er vor ihr, und es fehlte wenig, so hätte er sie an seine Brust gezogen, so wäre sie ihm in die Arme gesunken.

      »Oda! Oda!« sprach er nur mit bewegter Stimme und streckte ihr beide Hände entgegen. Sie zitterte und bebte, von Glut überströmt, und konnte nicht sprechen. Keiner wußte etwa von sich selbst, jeder sah nur den andern. Er hatte vergessen, daß er für Siegfried bei ihr geworben, und sie, daß ihre Liebe ohne Hoffnung war.

      »Da bin ich wieder,« sagte er endlich, um doch etwas zu sagen.

      »Seid willkommen, Herr Graf!« hauchte sie, »und alles Glück und Heil zum Siege! ich danke Euch, daß Ihr mir Botschaft gesandt habt.«

      »Seid Ihr mir auch nicht böse,«

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