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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nach Quedlinburg ritt Albrecht heute nicht mehr, und Bernhard blieb bei ihm, bis am Abend Siegfried, Bock und die ausgesandten Knechte, einer nach dem andern, zurückkehrten. Keiner von ihnen hatte etwas Auffälliges bemerkt. Wer aber nicht wiederkam, war Hinze Habernack, woraus die Brüder, seinem trügerischen Versprechen gemäß, schlossen, daß der feindliche Angriff so bald noch nicht zu erwarten wäre.
Als Bernhard aufbrach, um zu seiner in Ungeduld und Neugier harrenden Reginhild heim zu reiten, wollte ihn Albrecht bis zum Burgtor geleiten und er dort erst zu Pferde steigen. Wie sie nun beide gemächlichen Schrittes in der Dämmerung nicht den Reitweg, sondern in einem Bogen an dem aufragenden Felsen entlang gingen, blieb Albrecht plötzlich vor der dunklen Öffnung im Boden, wo der halb verschüttete Gang schräg nach unten in den Felsen hinein führte, stehen und sagte: »Horch! – hörst du's?«
»Was?« frug Bernhard.
»Den Tempelherrn; er klopft und bohrt wieder mächtig,« sprach Albrecht leise.
»Ich höre es,« sagte Bernhard, »er will uns melden, was wir schon wissen, daß uns harte Kämpfe bevorstehen.«
»Ein böses Zeichen, daß er sich heute so laut vernehmen läßt!« erwiderte Albrecht in anfallender Sorge.
Bernhard bewegte langsam nickend das Haupt, und sie gingen schweigend weiter.
Aus der Tiefe drang ein dumpfes Geräusch, das sich nicht mit Bestimmtheit auf natürliche Weise erklären ließ. Der dunkle Gang war das Tempelherrnverlies, und bei den Regenstein'schen ging seit Menschenaltern folgende Sage darüber.
Ein Vorfahr der jetzt lebenden Grafen hielt dort im tiefen Verlies Jahre lang einen Tempelherrn gefangen, der sich rastlos in verzweifelter Anstrengung quälte, den Felsen mit einem Stück alten Eisens zu durchbrechen, um sich aus seinem Kerker einen Weg zur Flucht zu bahnen. Man ließ ihn gewähren, weil er sich in vergeblichem Mühen nach dem jähen Absturz des Felsens hin bohrte. Er kam auch in dem harten Gestein nicht weit und sah das Licht des Tages niemals wieder; das Pochen da unten verstummte endlich, der Tempelherr war tot. Aber sein Geist fand keine Ruhe; der setzte die hoffnungslose Arbeit in sehnsüchtigem Drange nach Erlösung noch immer fort, und wenn dem Regenstein'schen Hause irgendein besonders gefahrdrohendes Ereignis bevorstand, dann war sein Klopfen und Bohren in der Stille des Abends und der Nacht deutlich zu hören. Vor einem großen Unglück aber, das nicht immer gleich einzutreten brauchte, jedoch nie länger als höchstens ein Jahr auf sich warten ließ, wollte man den Geist schon mit Augen gesehen haben, wie er nächstens in seinem weißen wallenden Tempelherrenmantel auf der Höhe des Felsens rundum wandelte und dann die Stufen langsam hinabschreitend wieder in sein dunkles Verlies zurückkehrte.
Als sich Bernhard am Burgtor zu Pferde geschwungen hatte, ging Albrecht denselben Weg zum Palas zurück. Am Tempelherrenverlies blieb er wieder stehen und horchte. Das Klopfen tönte noch. »Wenn ich wüßte, wie ich dich erlösen könnte, armer, ruheloser Geist,« sprach er leise, »ich tät' es. Aber wider dich hilft kein Beschwören, du bist die Schicksalsstimme für uns Regensteiner und unser treuer Wächter und Warner. Kampf ist mir allstunds willkommen, aber du weissagest Unheil, du ewig Gefangener, den kein Gnadenwort und keine Gewalttat befreit! Und von Oda soll uns aller Unsegen kommen, meint Bernhard? Töricht Geschwätz! er muß immer murren und mäkeln und kann einem den lustigsten Fehderitt mit seinen endlosen Bedenken vergällen. – Und Oda! ach! ein Blick in ihre blauen Augen macht Leid und Sorge vergessen.«
Und ruhig schritt der Graf durch das Dunkel hinauf zum Palas.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Als sich im Osten über den weit sichtbaren Klippen der Gegensteine die Sonne erhob und von der Talsenkung aus Gründen und Schluchten die weißen Nebel vertrieb, da ward es lebendig um den Regenstein, und an seinem nun taufeuchten, bewaldeten Abhange blinkten spiegelnde Waffen. Vor dem Burgtor erschien ein Hornbläser und schmetterte einen Anruf hinauf, den der Türmer sofort erwiderte. Neben ihm stand ein Gepanzerter, der den Rittergurt trug und einen Fichtenzweig in der Hand hielt zum Zeichen, daß er als Herold kam. Er verlangte den Burgherrn zu sprechen oder seinen ersten Dienstmann. Graf Albrecht sowohl wie Bock waren bereits geweckt, und letzterer eilte soeben herbei. Er frug von der Mauer herab nach dem Begehren des Fremden, und der sprach nun mit lauter Stimme:
»Ich bin der Ritter Bosse von Silda. Mein Lehensherr, der hochedle und hochgeborene Graf Hoyer von Falkenstein, entbietet durch mich dem Grafen Albrecht von Regenstein seinen ritterlichen Gruß und verlangt, daß ihr uns sein Schwesterlein, die Gräfin Oda, die ihr wider Recht und Billigkeit hier gefangen haltet, stracks herausgebt. Sofern ihr das aber nicht ohne Verzug in gutem Frieden tut, wollen wir euch mit Heimsuchung anfallen, vor eurer Burg lagerhaftig bleiben, mit Feuer und Schwert, mit Berennen und Stürmen euch Schaden und Abbruch tun, wie wir nur wissen und können, und nicht eher abweichen, als bis ihr uns das Tor auftut und das Fräulein ungekränkt und unversehrt in unsere Hände liefert. Wir sind mit unseren guten Freunden und Genossen an die vierhundert Mann zu Roß und zu Fuß mit Sturmzeug und Kriegsgerät, und ihr dürft keinen Zuzug erwarten, weder an reisig Volk, noch zu eures Leibes Nahrung und Notdurft. Damit habt ihr unsere Absage; nun sorget um eine wohlbedachte Antwort von Eurem Herrn.«
»Die kann ich euch gleich selber geben,« rief Bock von oben herab. »Ich bin der Ritter Bock von Schlanstedt und schere mich mitsamt meinem gnädigen Herrn den Teufel um eure Heimsuchung. Das Fräulein kriegt ihr nicht, und Zuzug brauchen wir nicht, haben reisig Volk und Kriegszeug eher zu viel als zu wenig, und unsere Kammern, Scheunen und Ställe sind rammel-stoppen-voll, denn wir wußten, daß ihr kommen würdet. Wenn ihr also nicht mit langer Nase wieder abziehen wollt, so bleibt meinetwegen liegen, wo ihr liegt; wer uns aber von euren Vierhundert zu nahe an die Mauern kommt, dem schmieren wir eins über den Kopf! Damit habt ihr unsere Antwort, wenn ihr sie von dem Grafen selber noch einmal hören wollt, so will ich ihn rufen lassen; ist aber nicht nötig.«
»Nein, ist nicht nötig,« sprach Graf Albrecht, der jetzt ebenfalls auf den Zingeln des Torturmes erschien. »Was ist der Herren Begehr?« frug er den Untenstehenden.
»Die Auslieferung der Gräfin Oda von Falkenstein,« rief der Herold herauf.
»Wird verweigert ohne jede Verhandlung darüber!« rief Albrecht hinab. »Wer führt euch als Feldoberster?«
»Graf Berthold von Blankenburg.«
»Ich dachte mir's,« lachte der Graf. »Und wer ist der Hauptmann der Bischöflichen?«
»Ritter Rudolf von Dorstadt.«
»Natürlich! Also sagt den Herren, sie möchten sich die Zeit nicht lang werden lassen, bis wir das Tor auftäten und sie zum Imbiß lüden,« sprach Albrecht und stieg wieder vom Turme herab, um die nötigen Befehle zu geben.
»Hätt' ich doch nur den gottverfluchten Hund von Verräter, den Schabernack gestern nicht auf den Klauen gelassen!« sagte Bock, als er an der Brustwehr der Mauern entlang schritt und der Besatzung den Verteidigungsdienst einschärfte.
Trotz der großen Worte Bocks vom Turme herab war die Lage der Burgbewohner eine sehr ernste. Der Regenstein war ja vermöge seiner natürlichen Beschaffenheit mit einer verhältnismäßig geringen Mannschaft leicht zu verteidigen und bei gehöriger Wachsamkeit eine Überwältigung mit stürmender Hand kaum zu befürchten. Aber eine dauernde Belagerung brachte darum eine große Gefahr mit sich, weil man sie nicht im entferntesten vermutet und daher nicht daran gedacht hatte, die Burg mit für längere