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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Es kommt auf den Wolken geschritten,« sprach Jutta, »der Himmel kracht und die Erde bebt; ich fühle, wie sich der Boden unter meinen Füßen bewegt. Oder bin ich es, die von wirbelnden Fluten umbraust bis in des Lebens Grund an allen Fasern gepackt wird? Denn Euer Regenstein steht fest, Graf Albrecht, der wankt nicht in allen Wettern, so wenig wie Ihr selbst. Seid Ihr ein Prometheus hier auf dem starrenden Felsen, Graf Albrecht? angeschmiedet, ewig einsam hier oben zu hausen? Womit habt Ihr den Zorn der Götter verschuldet? Sie grollen Euch und rütteln am Berge und donnern und drohen Euch Rache. Rache, wofür? Für ein gebrochenes Wort? ein zerschmettertes Glück? Redet, Graf Albrecht! die Blitze leuchten ins Herz.«
»Ich brach niemals mein Wort und fürchte keine Rache,« erwiderte Albrecht. »Seid ruhig Gräfin Jutta! um den Regenstein hat schon manches Gewitter getobt und ihn nicht zum Wanken gebracht.«
Aber je näher das Gewitter heranzog, je häufiger die Blitze, je heftiger der Donner wurde, desto aufgeregter wurde die Äbtissin. Das gewaltige Naturereignis übte eine wundersame, unbegreifliche Wirkung auf sie aus, der sie nicht widerstehen und von der sie sich auch keine Rechenschaft geben konnte; es war, als bestände zwischen ihr und den wettergeladenen Wolken eine geheimnisvolle Verwandtschaft. Wenn Adelheid und Oda sich bei den Blitzen mit der Hand die Augen bedeckten und bei den Donnerschlägen zusammenfuhren, und während auch die Männer unter dem großen Schauspiel ernst dasaßen und nur kurze Bemerkungen darüber austauschten, war Jutta von einer tiefen Unruhe und einer tollkühnen Lust ergriffen, die sich in Blicken und Bewegungen und in überschwenglichen Worten kundgab.
Oda war diese grenzenlose Erregung der Äbtissin unheimlich, und sie sagte in ihrem Grausen davor: »Gnädige Domina, fordert den Himmel nicht heraus!«
»Tu ich das, Kind?« erwiderte sie trotzig. »Komm heraus, komm auf die oberste Höhe mit mir, du bleiche Lilie, ob du dem Sturme standhältst wie ich, wo uns die Blitze umtanzen und die Donner um die Felsen kriechen wie heulende, brüllende Drachen in Rauch und Nebeldampf!« Sie sprang auf, als wollte sie wirklich hinaus mitten zwischen Blitz und Donner.
Auch die anderen erhoben sich. Adelheid hing sich an den Arm der Überreizten und sprach auf sie ein: »Jutta! wohin? du rasest! Da oben schlagen die Blitze ein.«
»Laß mich!« rief sie, »was zündet und brennt, trag' ich in mir!«
Sie stand hochaufgerichtet und blickte herausfordernd auf Albrecht, als erwarte sie ein Wort von ihm. Der aber schwieg und sah nach Oda, die halb von Unmut, halb von Entsetzen erfaßt war. Siegfried stellte sich wie schützend vor sie; auch ihm war es schwer in Haupt und Gliedern. Florencius näherte sich der Kanonissin und raunte ihr zu: »Laßt die Domina sich nur aussprechen, Gräfin Adelheid; mit dem da draußen geht auch das Donnerwetter bei ihr vorüber.« Der Ritter Bock schien zur Bildsäule erstarrt; regungslos hielt er seinen Herrn im Auge, die Entwicklung der Dinge ruhig abwartend.
So war die fröhliche Gesellschaft durch den ungestümen Drang der einen aufgescheucht und auseinandergesprengt. Aber es dauerte nur wenige Minuten, da öffneten sich die Wolken, und stürzender Regen ergoß sich.
»Ach!« sagte Jutta tief Atem schöpfend, »da kommt's, da strömt das erquickende Bad. Macht auf! laßt Luft herein und den sprühenden Tau! ich lechze danach. Jetzt möcht' ich erst recht hinaus und mit fliegenden Haaren über die Berge stürmen, mir das heiße Blut im Herzen zu kühlen.«
Sie riß selber ein Fenster auf und lehnte sich hinaus, daß ihr die am Gesims aufschlagenden Tropfen die erhitzten Wangen benetzten. Der Regen verursachte auf dem harten Gestein ein lautes Plätschern und Rauschen, und der volle weiche Ton hatte etwas unendlich Wohltuendes und Erlösendes. In zahllosen kleinen Rinnsalen floß das Wasser von den Felsen herab. Das Laub der Bäume und Sträucher, die lange Zeit gedürstet hatten, belebte sich mit einem farbensatten Grün, und Blumen und Kräuter begannen zu duften.
Jutta winkte Albrecht zu sich in das schmale Fenster. »Kommt, Graf Albrecht!« sagte sie mit einem Blick voll Glut und Leidenschaft, »kommt doch und fühlt, wie köstlich das ist! o süß, süß wie gestillte Sehnsucht!«
Er stemmte über ihrer Schulter den Arm gegen die Mauer des Fensterbogens und blickte mit ihr hinaus. Sie mußte sich fügen, weil sie nicht anders Platz hatte; er fühlte ihren Körper an seiner Seite und erwiderte wie von ungefähr den sanften Druck der unvermeidlichen Berührung. Sie wich nicht zurück; Ihr Haupt war dicht an dem seinen, er fühlte ihr Haar an seiner Schläfe, fühlte ihren Atem, und ihm selber klopfte das Herz laut und stürmisch.
Ferner und matter grollte es in den abziehenden Wolken, der Regen ließ nach, und hier und da kam wieder blauer Himmel zum Vorschein.
»Jetzt laßt uns hinaufgehen,« sprach Siegfried, »es muß jetzt herrlich sein oben im Freien.«
Albrecht und Jutta wandten sich um. Nun war sie ruhig geworden. Auf ihrem noch geröteten Antlitz lag ein seliges Lächeln, und aus ihren Augen glänzte ein inniges Glück. Eine sanfte Ermattung überkam sie nach dem heftigen Aufruhr, den das Gewitter in ihr erzeugt hatte; sie war bald still gedankenvoll, bald heiter gesprächig, als hätte sie gern jeden so froh gesehen, wie sie selber war.
Florencius besuchte mit Bock den Marstall, den Hundezwinger und das Vogelhaus, denn der Stiftsschreiber war ein Freund von klugen Tieren.
Die anderen erstiegen die Felsenhöhe und labten sich an der erfrischenden Kühle der Luft, die nach dem Gewitter außerordentlich rein und durchsichtig war. Die Äbtissin freute sich, als sie in der Ferne ihr Schloß erblickte; sinnend schaute sie ringsum in das Land und dann wieder hinab auf Palas und Burghof des Regensteins.
Da trat Gräfin Adelheid zu ihr und flüsterte: »Hältst du Umschau über dein Reich und deinen künftigen Felsenthron, du glückliche Braut?«
Jutta schüttelte das Haupt und erwiderte: »Er hat mir kein Wort gesagt.«
»Aber dein Herz sagt dir's?« sprach die Kanonissin.
Jutta nickte der Freundin lächelnd zu.
Albrecht kam zu Ihnen und erklärte ihnen dieses und jenes im Bilde der Landschaft. Auch er war stiller und ernster geworden, als wäre ihm ein Rausch verflogen, nachdem er aus der dumpfen Schwüle des Saales heraus war.
Während er beim Sprechen mit der Hand deutend in die Ferne zeigte, schweiften seine Augen hinüber zu Oda, die mit Siegfried seitab auf einer anderen Erhöhung und jetzt dicht am Rande des Felsens stand. Das Gestein war noch naß und daher glatt und schlüpfrig. Oda stützte sich auf Siegfrieds Schulter, und er hielt sie am Arme, während sie sich vornüber beugte, um in die Tiefe hinabzuschauen.
Dem Grafen stockte das Wort im Munde, als er das sah, und Jutta, der seine plötzliche Zerstreutheit auffiel, folgte der Richtung seiner Blickes. Da war es mit ihrer harmlosen Fröhlichkeit wieder vorbei; der Argwohn regte sich wieder, und spöttisch sagte sie: »Es ist rührend, Herr Graf, mit welcher liebevollen Sorge Ihr Eure keusche Lilie behütet. Aber Graf Siegfried hält sie ja fest genug, um sie nicht fallen zu lassen, und sie muß da unten sehr Wichtiges zu sehen haben, daß sie sich so lange von ihm halten läßt.«
Albrecht antwortete nicht, und zu ihrem Glücke sah die Äbtissin den finsteren Blick nicht, den er ihr zuwarf.
»Endlich! jetzt treten sie zurück,« sprach sie weiter, »sie hat gewiß Eure Angst um sie ahnungsvoll gefühlt. Und wie verschämt sie ihrem Ritter zulächelt! mich dünkt, sie wird rot; was mag er ihr gesagt haben? O diese Empfindsamkeit schmachtender Liebe!«
Albrecht erwiderte ihr auch jetzt nichts; er fühlte sich von ihrem herzlosen Spotte verletzt und verstimmt, und als bald nachher die Kanonissin zum Aufbruch mahnte, erhob er keine ernstliche Einsprache dagegen.
Ihr gebt uns doch ein Stück Weges Geleit, Herr Graf?« sagte Jutta.
»Das ist die Pflicht Eures Schirmvogtes, gnädige Frau,« erwiderte er.
Man ließ satteln, und die beiden Damen verabschiedeten sich von Oda in einer durchaus freundlichen Weise.
»Ihr habt zwar eine Kemenate in unserem Schlosse