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sich lebhaft hob und senkte, während sie die Blicke fröhlich in die Runde schweifen ließ. Sie stand mit dem Gesicht gegen den Wind, der ihr das Haar kräuselnd durchwehte, ihr Gewand flattern machte und es anschmiegend gegen ihren wohlgeformten Körper drückte.

      Albrecht sah es und rastete vor den zwei obersten Stufen, sich an dem entzückenden Bilde zu weiden. Mit dieser herrlichen Maid, deren Liebe ihn zum glücklichsten Menschen gemacht hätte, war er nun hier allein und durfte sie nicht, was er doch von Herzen gern getan hätte, in seine Arme schließen, sondern sollte dieses wonnevolle Recht dem Bruder erkämpfen.

      Ihm schwindelte fast vor Gram und Herzeleid, und es war, als wollten ihm die Füße den Dienst versagen. Da wandte sich Oda nach ihm um und rief ihm neckisch zu: »Nun, Herr Graf? könnt Ihr nicht herauf? Hier, nehmt meine Hand! – Haltet fest!«

      Lachend streckte sie ihm die rechte Hand entgegen, und er, auf den Scherz eingehend, tat so, als müßte er sich von ihr heraufziehen lassen; aber wunderbar ward ihm zu Sinne, als sie ihm in dieser Stunde ihre Hand bot.

      »Worauf horchtet Ihr denn? oder wonach spähtet Ihr?« frug sie unbefangen, als er nun oben war und ihre Hand noch immer festhielt.

      »Ich sah nach Euch, Gräfin Oda,« sprach er bewegt, »denn Ihr standet vor meinen Augen wie eine gnadenbringende Erscheinung, die dem glücklich Schauenden die Seligkeit verheißt.«

      »Welche Seligkeit hätte ich zu bringen!« erwiderte sie, ihre Hand aus der seinigen lösend.

      »Die höchste – dem, der sie eben jetzt von Euch erbitten will.«

      Sie trat unwillkürlich einen Schritt zurück, zitternd, marmorbleich, mit stockenden Pulsen.

      »Erschreckt nicht,« fuhr er mit einem trüben Lächeln fort; »nicht für ich selber will ich bitten. Ihr müßt denken, statt meiner stünde Siegfried hier. Kommt, setzt Euch her und hört mich freundlich an.«

      Sie ließ sich auf die Bank mehr niedersinken, als daß sie sich setzte.

      »Ich brauche Euch wohl nicht zu sagen,« fuhr er alle Kraft zusammennehmend fort, »daß Euch mein Bruder Siegfried von ganzem Herzen liebt. In seinem Namen und Auftrag werbe ich bei Euch um Eure Hand, Gräfin Oda! Wollt Ihr sein ehelich Gemahl werden, so laßt es mich hier aus Eurem Munde hören.«

      Oda mußte Haupt und Rücken an die Steinwand lehnen; ihre Augen waren geschlossen, ihre Arme hingen matt und schlaff herab. Dann sah sie Albrecht mit einem Blicke an, wie ihn nur hoffnungslos verzweifelnde Liebe hat, und sagte langsam und leise: »Wünschet Ihr's, Herr Graf?«

      »Wenn Ihr meinen Bruder liebt und mit ihm glücklich zu werden glaubt, so ist es mein größter Wunsch auf Erden,« erwiderte er, aber es klang wie im Traume gesprochen.

      Sie starrte wieder vor sich hin und schüttelte das Haupt. »Ich kann Euch auf Eure Frage – keine Antwort geben, Herr Graf,« sprach sie endlich mit halb von Tränen erstickter Stimme, »weder ein Ja, noch ein Nein. – Ich bin Graf Siegfried von Herzen zugetan, – aber die Seine zu werden, –«

      »Ihr habt ihm doch gesagt, daß Ihr gern Euer Leben lang hier auf dem Regenstein bliebet; damit meintet Ihr doch an Siegfrieds Seite?« sprach er die tief Erregte gespannten Blickes ansehend.

      »Nein, nein! so hab' ich es nicht gemeint; ich meinte den Wald, die Ruhe, das Wandern und Leben im Walde,« gab sie ganz verwirrt zur Antwort, und eine dunkle Röte ergoß sich über ihr Antlitz.

      »Aber was soll ich Siegfried sagen? weiset Ihr ihn ab?« frug er dringend und mit klopfendem Herzen.

      »Nein, Graf Albrecht! das tu' ich nicht, denn ich sehe, – es ist Euer Wunsch,« sprach sie ergebungsvoll, »und was ich vermag –«

      »Halt, Oda!« unterbrach er sie jäh, »nicht mein Wunsch, um alles in der Welt! nicht mein Wunsch, Ihr, Ihr selber sollt wählen, Euer Wille nur soll entscheiden.«

      Sie schüttelte das Haupt und sagte: »Ich habe keinen Willen. Laßt mir Zeit, mich hierin zu finden, einen Entschluß zu fassen; ich hoffe –, Ihr sollt nicht unzufrieden mit mir sein.«

      Ihre Augen blinkten; sie erhob sich und wollte hinab.

      »Und Siegfried?« frug er noch einmal.

      »Danket ihm herzlich,« erwiderte sie mit ihrer letzten Kraft, »und er soll der Zukunft vertrauen.«

      Albrecht blieb sitzen und horchte auf die allmählich verhallenden Schritte der Hinabsteigenden.

      »Sie liebt ihn doch!« sprach er düster vor sich hin, »und du hast keine Hoffnung!«

      Bald schmerzvolle, bald trotzige und kühne Gedanken durchkreuzten sein Hirn, wie er noch lange einsam und allein hier auf der Höhe seiner gewaltigen Felsenburg saß und Pläne schmiedete.

      Endlich stand er auf und ging hinab in den Palas und in sein Gemach. Dort schrieb er auf einen Streifen Pergament die Worte: »Kein Wimpel, aber hoffe!« Mit diesem Zettel schickte er einen Reitenden seinem Bruder Siegfried auf dem Wege nach Burg Gersdorf entgegen.

      Zwanzigstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn Oda bisher noch ein bald stärkerer, bald schwächerer Strahl von Hoffnung auf Albrechts Liebe aus seinem freundlichen Benehmen gegen sie geleuchtet hatte, so war ihr heute, nachdem er für Siegfried bei ihr geworben, auch der letzte Schimmer davon erloschen. Sie hätte ihm jeden Wunsch erfüllt; aber auch den, mit der Liebe zu ihm selber im Herzen, die Frau seines Bruders zu werden? Sie empfand eine innige Neigung zu Siegfried, weil er liebenswert und weil er Albrechts Bruder und diesem in vielen Stücken, auch äußerlich, ähnlich war. Sollte sie nun dem einzig Geliebten zu Liebe das Opfer bringen und sich mit seinem Spiegelbilde begnügen, weil sie ihn selbst nicht besitzen konnte? So frug sie sich, als sie nach dem Gespräch mit Albrecht in ihrem Gemach allein war und den ersten, heftigsten Schmerz niedergekämpft hatte. Graf Siegfried, der mannhaft schöne, edelmütige Jüngling liebte sie – sie wußte es – mit der ganzen Glut seines ritterlichen Herzens und dabei mit einer Zurückhaltung und Bescheidenheit, die bei seiner sonst überall hervortretenden Lebhaftigkeit um so beredtere Zeugnisse für die Kraft seiner Liebe waren. Um ihr jede Verlegenheit ihm gegenüber zu ersparen – so sagte sie sich – hatte er nicht einmal selber um sie geworben, sondern hatte durch seinen Bruder um ihre Hand, die Hand einer Enterbten, bitten lassen. Sollte Albrecht sie vergeblich um etwas bitten? Nein! und wenn er um ihr Herzblut bäte! Aber sie wollte den Mann, mit dem sie Hand in Hand durchs Leben gehen sollte, nicht betrügen und ihm nicht Gefühle heucheln, die sie nicht hatte. Sie wollte, wenn es zum Gelöbnis kam, weil Albrecht es wünschte, offen zu Siegfried sagen: willst du mit meiner herzinnigen Neigung fürliebnehmen, so will ich dein treues Weib sein, leidenschaftliche Liebe habe ich nicht zu vergeben. Vordem sie jedoch diese Worte spräche, wollte sie versuchen, was Zeit und guter Wille über ihr Herz vermöchten. Sie wollte fortan in Siegfried ihren besten Freund sehen, wollte ihr Herz ihm näher und näher bringen, daß es sich an ihn gewöhnte, ihn lieber und lieber gewänne, bis sie es ihm vielleicht ganz zu eigen geben könnte. Wie lange Zeit sie dazu nötig haben würde, schon um auch den letzten, zitternden Faden, mit dem es noch an Albrecht hing, zu lösen, konnte sie nicht voraussehen, aber heute noch wollte sie damit den Anfang machen.

      Albrecht war nach der Unterredung von Odas Liebe zu Siegfried fester überzeugt als zuvor und konnte deshalb nicht begreifen, warum sie seine Werbung nicht auf der Stelle mit Freuden angenommen hatte. Der tapfere Kriegsheld war ebensowenig wie sein jüngster Bruder im Leben und Weben des weiblichen Gemütes bewandert und erwartete daher mit Bestimmtheit ein baldiges Nachgeben Odas. Damit war die Sache für ihn selber entschieden; er mußte nun sehen, wie er sich mit seinem Herzen abfand, ob er es durch Kriegslärm betäuben oder durch Juttas Liebe beschwichtigen und einigermaßen entschädigen sollte.

      Darüber hatte er schon oben auf der Felsbank einsam nachgedacht, und darüber sann er immer noch, als er jetzt, eine Stunde vor Mittag, in öfter stockendem Gespräch mit Oda im Baumgarten auf und nieder wandelte.

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