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in kaum zu beherrschender Wut, während sie den Mantel um die Schultern warf.

      »Er steht Euch jederzeit zu Diensten, gnädige Frau!« sagte der Bischof mit schneidender Höflichkeit. »Wenn Ihr mich ruft, so komm' ich.«

      »Ich werde es nicht vergessen, hochwürdigster Herr!« erwiderte sie beim Abgehen in demselben Tone, der aber wie eine Drohung klang.

      Der Bischof hob mit eigener Hand den Vorhang, um ihr den Ausgang zu erleichtern.

      »Immer noch wie damals Sonnenschein und Sturm dicht nebeneinander!« sprach er, als sich die Tür hinter der Zürnenden geschlossen hatte. »Nun, kein Baum fällt auf den ersten Hieb. Sie wird mich rufen, wenn sie mich braucht, und der Tag wird kommen! und dann – ›fordert, wo Ihr auf Zahlung hoffen könnt‹! sagte sie. O du zahlst noch, was ich fordere!« lachte er laut. – »Was schadet es, wenn sie Albrecht warnt? er weiß ja, wie ich ihn liebe,« fuhr er in seinem Selbstgespräch fort. »Daß die Quedlinburger jetzt mit ihm anbinden wollen, kommt mir sehr gelegen; hoffentlich ahnt Jutta mein Bündnis mit ihnen nicht. Aber Gräfin Oda! – ins Kloster mit ihr! kein Regensteiner darf sie gewinnen. Wir müssen unserm Freund Hoyer die Hölle ein wenig heißer machen.« –

      Als die Äbtissin wieder im Sattel saß und mit ihrem Gefolge davonritt, sagte sie zum Stiftshauptmann: »Macht Euch keine Hoffnung auf die Lauenburg, Herr Willekin! Der Bischof hilft Euch nicht; er hat mir geraten, sie dem Grafen Albrecht als Lehen zu lassen.«

      »Das hat Euch der Bischof geraten, gnädige Frau?« sprach der Stiftshauptmann höchst verwundert.

      Sie antwortete nicht weiter, sondern trabte ein paar Pferdelängen voraus, um ungestört ihren Gedanken nachhängen zu können.

      Nun lag der Schritt hinter ihr, den sie nicht rückgängig machen konnte. O hätte sie ihn doch nicht getan! hätte sie doch der warnenden Stimme ihres Innern gefolgt, die sie noch vor den Toren Halberstadts zur Umkehr bewegen wollte! Denn was hatte sie mit dem Wagnis erreicht? nicht das Geringste. Sie hatte dem Bischof mit ihrem augenblicklichen Groll zugleich ihre Leidenschaft zu Albrecht und ihre Eifersucht auf Oda verraten; das konnte der ruhelose Ränkeschmied benutzen, wie er wollte und es ihm zufällig in seine Pläne paßte. Auf der anderen Seite hatte sie die schmeichelnde Erfahrung gemacht, daß der Bischof mit seinem entzündbaren Herzen und begehrlichen Sinn immer noch in ihren Banden lag, und das konnte nun wiederum sie nach Belieben gegen ihn benutzen. Es hatte sie nicht einmal beleidigt, daß er Liebe von ihr gefordert, denn in ihrer beider Vergangenheit lagen Stunden und Tage, die ihm zwar noch kein Recht zu solchem Verlangen gaben, es aber auch nicht zu einem Verbrechen machten.

      Daß sie nahe daran gewesen war, den Grafen an den Bischof zu verraten und gegen ihren eigenen Schirmvogt dessen Todfeind zu Hilfe zu rufen, wollte sie sich jetzt nicht mehr eingestehen. Sie hatte, so redete sie sich vor, nur ihr den Ratsherren gegebenes Wort der oberflächlichen Form nach eingelöst und weitergehende Absichten durchaus nicht gehabt. Wenn sie aber die geschmeidige, trügerische Sinnesart des in Listen bewanderten, zu allen Untaten fähigen Bischofs, der, um sie zu betören, vielleicht gar einen Liebestrank in den Wein gemischt hatte, mit dem derb zufahrenden, aber auch treu stichhaltenden Wesen des immer groß denkenden, immer offen handelnden Grafen verglich, so konnte sie sich eines Gefühls tiefer Beschämung nicht erwehren, daß sie jenen zu ihrem Berater und Richter über diesen gestellt hatte.

      Ihr Zorn gegen den letzteren, den der Bischof so schändlich bei ihr verleumdet hatte, war verraucht, und in dem völligen Umschlag ihrer Stimmung war sie ihm dafür nach Urteil und Spruch ihres Herzens eine Genugtuung schuldig. Damit hatte sie nun einen Grund, der wenigstens vor ihr selber Albrechts Belehnung mit der Lauenburg rechtfertigte, zumal sie ihm dieselbe vor seiner Gewalttat ohnehin schon bestimmt hatte. Ihm diese Gewalttat und noch manches andere zu verzeihen und sogar mit Huld und Gnade zu vergelten, sollte nun ihre nächste Sühne sein.

      Auf den Feldern wogten die Ähren, von einem sanften Winde bewegt, und ein sonniger Friede lag über der Landschaft. Zur Rechten der wieder heiter um sich Schauenden dehnte sich das Gebirge in dunkelgrünen oder bläulichen Farbentönen, wie sich näher oder ferner Täler und Berge durcheinander schoben oder zurückstehende Gipfel über die bewaldeten Vorberge in die Ebene herniederschauten. Dort lag das Schloß und die rings umwallte Stadt mit ihren Mauern und Türmen, und die Äbtissin kehrte mit weit leichterem Herzen dahin zurück, als sie davon ausgeritten war. Da der Bischof seine Einmischung in den Streit der Stadt mit dem Grafen versagt hatte, so hoffte sie, allein mit der Bürgerschaft zugunsten Albrechts fertig zu werden und überlegte sich, mit welchen Mitteln und Worten sie Rat und Bürgerschaft beschwichtigen und zu Frieden und Eintracht mit ihm bewegen wollte.

      Plötzlich hielt sie ihren Zelter an und wandte sich an das absichtlich etwas zurückbleibende Gefolge mit der Frage: »Wer sind die Reiter da drüben?«

      »Graf Siegfried von Regenstein und Bock von Schlanstedt mit drei Knechten«, erwiderte Herr Willekin von Herrkestorf.

      »Graf Siegfried? Ihr irrt Euch wohl, Herr Stiftshauptmann!« sprach die Äbtissin. »Was hätte der hier zu schaffen?«

      »Ich irre mich nicht, gnädige Frau«, entgegnete der Stiftshauptmann.

      »Nein, nein,« riefen nun auch die geleitenden Stadtknechte, »es ist Graf Siegfried und Ritter Bock mit Dreien von den bösen Sieben.«

      Jetzt überzeugte sich Jutta mit eigenen Augen, daß die Ihrigen recht hatten, und auch sie mußte von den Reitern, die noch in ziemlicher Entfernung rechts auf einem anderen Wege daher kamen, erkannt sein, denn eben setzte der jüngste der Regensteiner sein Pferd aus dem Schritt in den Galopp und sprengte auf die Äbtissin zu. Dieser war die Begegnung mit Siegfried durchaus nicht angenehm, doch hier auf freiem Felde konnte sie ihr nicht ausweichen. Erst als der Graf heran war, blieb sie halten, seiner Anrede gewärtig. Siegfried grüßte sie ritterlich und rief froh bewegt: »Der seines Amtes entsetzte Burgvogt sagt der gnädigen Frau den innigsten Dank für seine Ablösung!«

      »Ich verstehe Euch nicht, Herr Graf«, erwiderte Jutta erstaunt.

      »O gebt es nur zu, gnädige Frau! ich weiß es ja«, lachte der Jüngling. »Nur auf Euren Wunsch hat Albrecht einen anderen Vogt auf die Lauenburg geschickt und mich nach dem Regenstein zurückberufen.«

      »Wer hat Euch das gesagt?« frug Jutta freudig überrascht.

      »Wer mir das gesagt hat?« wiederholte Siegfried. »Ei, gnädigste Frau, mein Bruder selber hat es mir durch den Ritter Bock so bestellen lassen, und eine größere Freude konntet Ihr mir nicht machen, als mich von der Lauenburg los sein zu wollen.«

      »Und Ihr glaubt, daß mein Wunsch, – den Ihr verzeihen werdet, Graf Siegfried! – mein Wunsch allein den Graf Albrecht bestimmt hat, Euch zurückzurufen?« frug sie immer noch ungläubig.

      »Ohne alle Zweifel, gnädigste Domina!« sprach Siegfried, »aber –«; er lenkte sein Pferd näher an sie heran und sagte dann etwas leiser: »Albrecht scheint allerdings noch einen anderen Grund dabei zu haben. Wie sag ich's nur?« fuhr er verlegen und zögernd fort. »Ihr wißt, gnädige Frau, die Gräfin Oda ist auf dem Regenstein, und Albrecht wünscht, daß ich – daß ich in freundschaftlichem Verkehr mit ihr bleibe und ihr stetig Gesellschaft leiste; er hat mich selber zu ihrem Ritter gemacht, und der soll ich nun auch bleiben, soll mich um ihre Gunst bemühen, und – gnädige Frau, ich tue das sehr gern«, schloß er errötend.

      Jutta traute ihren Ohren nicht; aber sie fühlte ihr Herz klopfen. Kaum brachte sie vor tiefer Erregung die Frage heraus: »Hat Euch das auch Graf Albrecht sagen lassen?«

      »Jawohl!« antwortete Siegfried, »nur ein wenig verblümt und verschnörkelt kam es von des biederen Ritter Bocks ungewandten Lippen. Der hat mir noch mehr gesagt, fast zu viel und zu Schönes, um es alles glauben zu können«, plauderte Siegfried in der überquellenden Freude seines Herzens.

      »Dann macht nur, daß Ihr heim kommt!« lächelte die Äbtissin, selbst in hellem Jubel über das Gehörte. »Und, Graf Siegfried,« setzte sie, ihm die Hand reichend hinzu, »sagt Eurem Bruder Gruß und alles Liebs genug von mir!«

      Sie wußte kaum, was sie sprach, hörte auch nicht auf des jungen Grafen Dank, sondern

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