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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Habt Ihr mich erwartet, hochwürdigster Herr?« frug die Äbtissin, von den Anstalten zu ihrem Empfange überrascht.
»Tag für Tag, meine gnädige Frau!« erwiderte der Bischof, »und so bestimmt wie die leuchtende Sonne nach den Schatten der Nacht.«
Er hatte sie zu der Polsterbank geleitet und nahm ihr gegenüber auf einem Sessel Platz. Sie hatte den Mantel abgelegt, und ihre recht weltliche Tracht war dazu angetan, die volle Schönheit ihres Wuchses in der glänzendsten Weise hervorzuheben. Sie trug ein anschließendes hellblaues Kleid, dessen mit weißer Seide gefütterte Ärmel, vom Ellenbogen an offen, bis zur Erde hinabhingen. Die engen, bis zum Handgelenk reichenden Ärmel des Untergewandes waren bernsteinfarben. Auf der Brust hing das Abtskreuz an der Goldschnur um den schimmernden Nacken; über den Hüften umschloß ein kostbarer Gürtel den Leib, und in dem dunklen Haare blitzte ein Diadem von Edelsteinen. Es entging ihr nicht, mit welchem Entzücken des Bischofs Augen auf ihr ruhten.
»Wenn Ihr mich so bestimmt erwartet habt,« sprach die Äbtissin, ihr Erstaunen über des Bischofs Versicherung nicht verbergend, »so wißt Ihr auch wohl, weshalb ich komme?«
»Wenn ich's auch weiß oder vermute, gnädigste Domina,« erwiderte er klug, »so höre ich's doch gern mit Euren Worten aus Eurem eigenen schönen Munde.«
»Der Graf von Regenstein hat mich beleidigt, und ich bitte um Euren Rat, hochwürdigster Herr, wie ich ihn zwingen kann, meine Rechte zu achten,« sagte die Äbtissin mit einem leisen Beben in der Stimme.
Wie sehr auch der Bischof innerlich jubelte, keine Miene regte sich in seinem Antlitz; er neigte nur zustimmend das Haupt, als wüßte er schon alles. »Bisher, gnädige Frau, pflegtet Ihr mehr dem Rate Eures trotzigen Schirmvogtes zu folgen, als dem Eures einstigen Freundes vom Hofe Landgraf Friedrichs des Ernsthaften von Thüringen,« sagte er im Tone des Vorwurfs, fügte aber dann schmeichelnd hinzu: »Aber Ihr habt hoffentlich nicht vergessen, daß Ihr mit einem Blick aus Euren Augen über mich gebietet, wenn Ihr nur wollt. Ich dachte, Ihr stündet mit dem Grafen auf so traulichem Fuße, daß er Euch jede Rücksicht schuldet. Für alle Beweise der Huld und Liebe noch Undank zu ernten und Beleidigungen zu erdulden, wollte ich Euch hoch verdenken.«
»Der Graf ist der Schirmvogt des Stiftes,« sprach die Äbtissin etwas verlegen; »sonst hat er sich keiner Gunst und Huld von mir zu rühmen.«
»So sprach der Neid aus mir, vielschöne Domina!« lächelte der Bischof. »Doch wie meint Ihr, daß ich Euch gegen den Grafen helfen kann?«
»Nicht helfen, nur raten, hochwürdigster Bischof,« sagte Jutta. »Zunächst wegen der Lauenburg. Er hat sich ohne meinen Willen der Burg bemächtigt und sie unter den Befehl seines Bruders Siegfried gestellt, was ich mir nicht gefallen lassen will. Ich will keinen Regensteiner zum Burgvogt, am wenigsten Siegfried.«
»Am wenigsten Siegfried!« wiederholte der Bischof. »Hat Euch der auch beleidigt?«
»Nein, aber –,« sie stockte und wußte nicht weiter.
»Aber Ihr wollt ihn nicht auf der Lauenburg haben,« half ihr der Bischof.
»Ich sagte es Euch,« sprach sie ungeduldig. »Leuthold ist tot; ich wollte nun den Grafen Albrecht von Regenstein oder die Stadt Quedlinburg mit der Burg belehnen, aber –«
»Keinem von beiden würde ich sie geben,« fiel der Bischof rasch ein, »denn sie sind beide schon mächtiger, als uns lieb sein kann.«
»Aber ich würde gewisse Bedingungen an die Belehnung knüpfen,« fuhr die Äbtissin fort, ohne den Einwurf des Bischofs zu beachten.
»Und diese wären?« forschte er.
Die Äbtissin zögerte mit der Antwort und hielt den Blick auf ihre Füße gesenkt, die in kleinen, goldgestickten Schuhen unter dem Saume des Kleides hervorsahen. »Euch ist bekannt,« sprach sie, ohne die Wimpern zu erheben, »daß Albrecht die Gräfin Oda von Falkenstein, die als Konventualin in unser Stift treten wollte, immer noch auf dem Regenstein festhält. Meinen dringendsten Vorstellungen zum Trotz verweigert er mir ihre Auslieferung, und diese ist die Bedingung für die Belehnung mit der Lauenburg.«
»Wißt Ihr einen Grund, warum Graf Albrecht die Gräfin auf dem Regenstein festhält?« frug der Bischof.
Jetzt sah die Äbtissin ihn prüfend an, als überlegte sie, wieviel sie ihm von ihrem Wissen und Wünschen verraten dürfte. »Graf Albrecht hat mir vertraut,« sprach sie dann, »daß er ihre eheliche Verbindung mit seinem Bruder Siegfried erhoffte.«
»Und dann schickt er ihn fort und setzt ihn als Vogt auf die Lauenburg?« sagte der Bischof, »seltsam! höchst seltsam! Domina, glaubt Ihr an diesen Plan des Grafen Albrecht?«
»Nicht wahr? es ist nichts als ein Vorwand!« fuhr die Äbtissin heftig heraus, und ihre Augen glühten im Zorne.
»Ihr meint, er will durch die Gräfin nur die Grafschaft Falkenstein in seinen Besitz bringen?«
»Die Grafschaft mit der Gräfin!« rief Jutta erregt. »Und das dürft Ihr nicht dulden, hochwürdigster Herr! denn ich weiß, die Grafschaft ist Euch zugedacht und zugesagt.«
Der Bischof biß sich auf die Lippen, um ein lautes Frohlocken und selbst das sieghafte Lächeln zu unterdrücken, das ihn bei der eben gemachten Entdeckung anwandelte.
Die Äbtissin hatte sich ihm völlig verraten; Eifersucht auf Oda war es, was sie zu ihm trieb. Im Banne dieser Leidenschaft war sie seinem Einfluß, seiner Gewalt unterworfen und zu jedem Schritt gegen ihren Ungetreuen, des Bischofs eigenen Feind, fähig und bereit. So rechnete der Schlaue und dachte noch weiter. Ließ der Graf sie im Stiche, so hatte er selber freies Spiel, sich in ihre Gunst zu schleichen, nach der er mit heißer Begierde strebte. Nach dieser Richtung lag es in seinem Vorteil, daß Siegfried auf der Lauenburg und Oda auf dem Regenstein blieb, und daß sich Jutta von Albrecht vergessen glaubte. Aber die Grafschaft! mochte nun Albrecht oder Siegfried die Gräfin Oda freien, das Erbe der Gemahlin würde kein Regensteiner fremden Händen überlassen. Da war schwer raten. Habgier nach dem reichen Besitz, den ihm Graf Hoyer versprochen, und Sehnsucht nach der vollen Huld des blühenden Weibes, das ihm in verführerischer Schönheit hier gegenübersaß, kreuzten sich in der Brust des zugleich leidenschaftlichen und verschlagenen Mannes. Dazu kam seine Wut auf Albrecht, der ihm bei dem einen wie bei dem andern hindernd und gefahrdrohend im Wege stand.
Aber er sah in diesem Augenblick weder seinen Feind, den Grafen Albrecht, noch den Gegenstand seiner Habsucht, die Burg Falkenstein, er sah nur die wonnevoll schöne, liebeverlangende Jutta vor sich, die ihm in ihrer tiefen Erregtheit doppelt begehrenswert erschien, und die er in dem stürmischen Drange ihres Rachegelüstes, wie er wähnte, desto leichter zu gewinnen hoffte.
Nach einem längeren Schweigen begann er: »Ich sinne vergeblich, vielwerte Domina, wie ich Euch in diesem schwierigen Falle zu Eurem Rechte verhelfen könnte. Auch ich habe die Freilassung der Gräfin Oda im Namen ihres Bruders gefordert, allein umsonst. Mir scheint, die Jungfrau will den Regenstein nicht verlassen, denn sie hat dort volle Freiheit zu gehen, wann und wohin sie will, und kommt doch nicht zu Euch nach Quedlinburg. So wird denn Euer Verdacht nicht unbegründet sein, und der beste Rat, den ich Euch geben kann, ist der, Euch um eine Konventualin mehr oder weniger nicht zu grämen, Euer Leben und Eure blühende Jugend in Lust und Fröhlichkeit zu genießen und mit Eurer Huld und Schönheit Augen zu erfreuen und Herzen zu beglücken, die sie besser zu würdigen wissen, als Euer fischblütiger, mit Blindheit geschlagener Schirmvogt.«
Er hatte diese Worte mit Blicken begleitet, die eine Bewunderung ihrer Schönheit ausdrückten, und Jutta hatte ihn verstanden. Sie sah ihn mit glänzenden Augen und einem zauberischen Lächeln an, während sich ihre Brust mit einem tiefen Atemzuge hob.
»Ei Herzog Albrecht,« sprach sie, »Ihr seid auch im violetten Gewande immer noch der ritterlich höfliche Mann, der Ihr schon als stattlicher Junker im goldverzierten Wams des Edelknaben auf der Wartburg waret.«