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begreifend, sein graues Haupt und suchte der Herrin in scharfem Galopp zu folgen. Die gepanzerten Stadtknechte rasselten auf ihren schweren Gäulen staubwirbelnd hinter ihm her.

      Auf dem Schloßhofe angekommen, sprang die Äbtissin ohne Hilfe vom dampfenden Pferde, flog die Treppe hinauf und stürmte durch die Vorhallen in ihr einsames Zimmer, dessen Tür sie schnell hinter sich verriegelte.

      Neunzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Mit einem schmetternden Hornruf verkündete der Türmer die Ankunft Siegfrieds auf dem Regenstein, und der Liebling des ganzen Burggesindes winkte beim Eintritt dem Bläser auf dem Turme freundlich zu.

      »Gott sei Dank! da ist er; nun wird alles gut werden«, sprach Graf Albrecht zu sich, als er den Ruf hörte.

      Oda fuhr bei den lustigen Klängen zusammen, denn sie rüttelten an ihrem Herzen, daß es sich mit Gewalt von dem einen Bruder zum andern wenden und fortan dem gehören sollte, den alle hier freudiger willkommen hießen, als gerade sie.

      Als ihr jedoch Siegfried, den zu empfangen sie mit Albrecht in den Burghof hinabstieg, in voller Rüstung mit innigem Gruß entgegen trat, eine Welt voll Hoffnung und Liebe im blühenden Antlitz, da empfand sie doch ein herzliches Wohlgefallen an seiner jugendlich kräftigen Rittergestalt, und sie erwiderte ihm Blick und Handdruck mit einer Wärme, die ihn vom Wirbel bis zur Sohle durchschauerte.

      Sie war es sogar, die zuerst dabei Worte fand. »Nun?« frug sie lächelnd, »ich dachte, Ihr würdet bei Eurer Heimkehr die Blume von der Lauenburg an Eurem Kettenhemd tragen; habt Ihr sie denn nicht gefunden?«

      »Die Blume von der Lauenburg habe ich nicht gesucht,« erwiderte er ihr mit einem vollen Blick; »ich mußte nur immer an die schlanke Lilie des Regensteins denken.«

      Sie schlug die Augen nieder, erhob sie aber wieder mit innigem Ausdruck zu Albrecht, als dieser sagte: »Ich habe sie gehütet und gepflegt, wie ich konnte, aber sie ließ manchmal das Köpfchen hängen.«

      Siegfried deutete sich das als ein Zeichen ihrer Sehnsucht nach ihm, und froh bewegt sagte er: »Das dürft Ihr nun nicht mehr, liebe Gräfin Oda! Wir wollen wieder reiten, beizen und jagen und fischen und allerlei fröhliche Kurzweil treiben, wozu der für uns alle sorgende Bruder nicht Zeit hat.«

      Albrecht nickte ihnen liebevoll zu und sagte: »Du bist wohl ganz gern wiedergekommen, Siegfried?«

      »Das siehst du mir doch an«, lachte der Jüngere mit dem ganzen Gesicht. »Ich kann ja auch hier auf dem Regenstein Burgvogt sein, wenn du außen bist und dich mit dem Bischof und der Äbtissin schlägst oder verträgst. Doch eh' ich's vergesse, – sie sendet dir freundliche Grüße, Albrecht!«

      »Wer? die Äbtissin? mir?« frug Albrecht verwundert.

      »Jawohl!« erwiderte Siegfried. »Sie begegnete mir unweit Quedlinburg, mit dem Stiftshauptmann und sechs Stadtknechten von Halberstadt kommend, und war sehr gnädig.«

      »Von Halberstadt kommend? was hat sie denn in Halberstadt gemacht?«

      »Weiß ich's. Sie wollte mir gar nicht glauben, daß du nur auf ihren Wunsch mich von der Lauenburg abberufen hast; ich habe ihr dafür gedankt.«

      »Ja so!« sagte Albrecht, »das ist richtig; fast hätte ich's vergessen.« Dabei warf er einen Blick auf Oda, die still aufhorchend daneben stand und nicht mitsprach. So hat also Eilika doch recht, sagte sie sich, wenn sie behauptet, Graf Albrecht täte alles, was die Äbtissin will.

      Dem Grafen ging der Ritt der Äbtissin nach Halberstadt durch den Kopf, aber die Lösung dieses Rätsels fand Albrecht nicht; ihren Gruß an ihn wußte er sich leichter zu erklären.

      »Sage mal, Bruder, hat Ursula gewußt, daß ich heute kommen würde?« frug Siegfried jetzt. Albrecht hatte die Frage überhört, aber Oda antwortete statt seiner: »Es ist alles bereit, legt nur den Panzer ab, Graf Siegfried! Ursula hat Euch ein Mahl gerüstet, als wäre auf der Lauenburg Herr Schmalhans Euer Küchenmeister gewesen.«

      »Viel besser war's auch nicht«, versetzte er heiter. »Wenn wir einen Braten haben wollten, so mußten wir ihn uns erst im Forste birschen, und Leutholds Nachlaß im Keller war auch nur ein nothafter Rest.«

      »So muß ich doch noch ein Wort mir der Ursula reden,« sagte sie lächelnd und ging in den Palas voraus. Siegfried blickte der Enteilenden mit glückstrahlenden Augen nach.

      Albrecht folgte dem Bruder in dessen Kammer, um sich während des Kleiderwechsels manches über die Lauenburg berichten zu lassen. Beim Eintritt sah er sich flüchtig darin um; kein frischer Blumenstrauß, wie er bei seiner Rückkehr in seinem Gemache gefunden hatte, stand auf Siegfrieds Tische.

      Danach begaben sich beide in den Saal und saßen mit Oda fröhlich beim Mahle. –

      Für Siegfried kamen nun Tage des Glückes. Er widmete sich Oda von früh bis spät und suchte sie durch Vergnügungen und tausend kleine Aufmerksamkeiten zu erfreuen, die sie durch ein stets bereites Eingehen auf seine Vorschläge wie durch ein heiter vertrauliches Wesen zu erwidern bestrebt war.

      Vorzugsweise gern drang er mit ihr in den Wald. Dort wandelten sie plaudernd oder sinnend und schweigend unter den Wipfeln der Eichen und Buchen und kamen dann oft, ohne es zu wollen, nach Kloster Michaelstein. Schon beim erstenmal, daß dies geschehen war, hatte Siegfried die Geliebte in den schönen, mit steingemeißeltem Laubwerk geschmückten Kreuzgang geführt und ihr die Grabsteine seiner Ahnen gezeigt, soviele der Grafen und Gräfinnen von Regenstein in den zwei Jahrhunderten seit Erbauung des Klosters hier zum ewigen Schlafe gebettet waren.

      Da war der würdige Abt mit seinem langen weißen Barte dazu gekommen und kam nun jedesmal, wenn die beiden Grafenkinder sein Kloster betraten, und lud sie in das große Refektorium neben der Krypta, dessen hohe Gewölbe fünf Säulen mit romanischen Kapitälen trugen, zu einem erfrischenden Trunk Wein oder Milch. Mit stiller Freude ruhten seine Augen auf den jugendlichen Gestalten seiner Gäste, und er dachte und wünschte dasselbe, was Siegfried hoffte. Gern saßen sie auch an dem murmelnden Goldbach und an den stillen Klosterteichen, die von Erlen, mannshohem Schilf und quirlstieligem Schachtelhalm umwachsen waren. Auf den Teichen schwammen zwischen ihren breiten, runden Blättern wundervolle Wasserrosen, an deren großen, schneeweiß leuchtenden Blüten sich Oda nicht satt sehen konnte.

      Auf dem Heimwege, wenn ihnen das Herz voll war von Glück und Sehnsucht, die doch nicht bei beiden dieselbe Quelle und das gleiche Ziel hatten, glaubte Siegfried manchesmal den Augenblick zum Reden gekommen. Aber der ritterliche Jüngling, der sich, wo es galt, furchtlos an jeden Feind wagte, fand nicht den Mut, dem holden Mädchen seine Liebe zu gestehen. »Gräfin Oda –« hatte er schon mehr als einmal begonnen, aber dann war sie von dem feierlichen Tone und der unsicher bebenden Stimme erschrocken und hatte ihn mit einem ängstlich flehenden Blick angesehen wie ein zages Reh, das den zielenden Jäger um sein Leben bittet. Dann hatte er verwirrt und stotternd seiner Rede eine andere Wendung gegeben, als hätte er seine liebe Gefährtin nur auf eine Blume oder einen Vogel aufmerksam machen wollen; ein Seufzer der Beklemmung bei ihm und der Erleichterung bei ihr endete das kurze Gespräch, und niemals wiederholte Siegfried den Versuch an demselben Tage.

      Einmal jedoch, als ihm Oda besonders froh gestimmt erschien, ermannte er sich zu einer schüchternen Frage. Es war in dem Gewirr von steilen Klippen auf der östlichen Abdachung des Regensteins, zwischen denen junge Eichen im dichten Gebüsche standen. Diese hatte jetzt frische Triebe, und die Blätter an den Spitzen der Zweige waren schön rot, mit hellbräunlichem Ton in die grüne Farbe des älteren Laubes übergehend. Von solchen jungen Eichentrieben hatte Oda, mit Siegfried im Schatten breit überhängender Äste sitzend, einen Kranz geflochten und dem Freunde mit einer scherzenden Erinnerung an das Ballenstedter Turnier auf die blonden Locken gedrückt. Er sah prächtig aus in dem prangenden Waldschmuck. Wie er ausgestreckt und auf den linken Arm gestützt, das Haupt zur Erde neigte, streifte ein Sonnenstrahl seinen Scheitel, daß das Haar inmitten des roten Kranzes goldig erglänzte. Sie betrachtete ihn heimlich, während sie

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