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stillen Anschauen ihrer verlebt hatte. Die waren unwiederbringlich dahin, denn wo Oda war, da war auch Siegfried; er konnte ihn nicht entfernen, konnte sie nicht von ihm fortlocken, daß sie ohne Siegfried ihm folgte, und es kamen Augenblicke, in denen er die Rückberufung des Bruders bereute.

      Was er davon erwartet und gewünscht, hatte sich in das Gegenteil verkehrt; seine Leidenschaft war nicht geschwunden, vielmehr im steten Anblick von Siegfrieds Liebe noch mächtig gewachsen. Wie lange war es denn her, daß er sich Vorwürfe gemacht, ihn nicht schon früher zurückberufen zu haben, daß er sich geschämt hatte, sich erst von Bernhard und Reginhild dazu überreden lassen zu müssen; jetzt zürnte er den Geschwistern, daß sie ihn mit Gründen, die er heute nicht mehr als stichhaltig anerkennen wollte, dazu förmlich überlistet hatten. Er hatte vergessen, warum er eigentlich so schnell in ihren Vorschlag gewilligt, und daß es geschehen war, um Siegfried als Schild und Schirm zwischen sich und Oda zu stellen. Er wußte nicht mehr, ob er den Schritt mehr Reginhild oder mehr Jutta zu Gefallen getan hatte, von denen sich die eine unbefugter Weise in seine Herzensangelegenheiten mischte und die andere voll Eifersucht selber nach seiner Liebe begehrte. Das wenigstens hatte Jutta nun erreicht, daß Siegfried wieder bei Oda auf dem Regenstein war, darum hatte sie ihn durch jenen so freundlich grüßen lassen und über die Erfüllung ihres Wunsches so unverhohlen frohlockt. Hatte sie denn seine geheimsten Entschlüsse erraten, jenen Vorsatz, den er im Tale des Goldbaches gefaßt hatte, und der ihm jetzt, bei dem Gedanken an Jutta, mit einem Male wieder in Erinnerung kam? Wenn er sich von Odas Liebe zu Siegfried überzeugte, – hatte er sich damals gelobt – dann wollte er seine eigene zum Schweigen bringen und sich in Juttas sehnende Arme retten.

      Er befand sich in sehr unbehaglicher, unzufriedener Stimmung. Nichts war ihm mehr zuwider, als ein unmännliches Wanken und Schwanken. Dem mußte ein Ende gemacht werden. Er hatte Wichtigeres zu tun, als unter den blauen Augen eines Mägdleins, das ihn nicht liebte, sich tatenlos auf seiner Burg zu verliegen, während rings um ihn drohende Wolken aufzogen. Er wünschte sich Kampf mit seinen Feinden, um dem Kampfe in seiner Brust zu entfliehen; er war ärgerlich auf die Blankenburger, daß sie mit ihrem Angriff zögerten, und hatte Lust, sie zu reizen und herauszufordern; er hätte gern einen neuen Streit mit dem Bischof vom Zaune gebrochen oder den Quedlinburgern in ihrem Geschrei nach der Lauenburg und der Befreiung von seiner Schirmvogtei die großen Mäuler gestopft, nur um etwas zu tun zu haben, sich herumzuschlagen und sein törichtes Minnen zu vergessen.

      Aber um sich rundum nach außen seiner Haut zu wehren und seine Feinde bestehen zu können, mußte er erst innen in seinem Hause reine Bahn haben. Darum drängte er zur Entscheidung. Siegfried sollte offen um Oda werben. Es war nicht denkbar, daß sie ihn abwies; tat sie es aber dennoch, – nun, so sollte deshalb der Bischof die Grafschaft Falkenstein doch nicht haben, aber Oda sollte dann in Frieden als Kapitularin nach dem Quedlinburger Schlosse ziehen und Jutta als Herrin auf den Regenstein. Vielleicht wurde Oda später einmal Äbtissin und er selber dann der Schutz- und Schirmvogt derer, die er einmal mit ganzer Seele geliebt hatte, seiner einstigen Gefangenen. Er mußte selber den Kopf schütteln über diesen absonderlichen Gedanken, aber er ging ohne Zaudern ans Werk.

      »Siegfried,« sprach er zu dem Bruder, den er zu einer Unterredung in sein Gemach beschieden hatte, »wie stehen die Dinge zwischen dir und Oda? Daß du die Gräfin liebst, weiß ich, aber ich frage: liebt sie dich wieder? will sie dein Weib werden?«

      Siegfried, nicht im mindesten vorbereitet, erschrak über die kurz angebundene Weise und die etwas geradezu tappende Frage seines Bruders und konnte in der Verwirrung darüber nichts anderes antworten als: »Ich weiß es nicht.«

      »Du weißt es nicht? weißt es immer noch nicht?« herrschte ihn der Ältere an. »Höre, Brüderlein, dieses Hoffen und Harren hab' ich satt; wir müssen damit zu Rande kommen. Geh hin zu deiner Lilie, biete ihr offen und ehrlich Herz und Hand und frage sie rund heraus, ob sie dein eigen werden will. Und wenn sie, wie ich hoffe und vermute, ja sagt, so macht ihr Hochzeit, und dann ziehen wir Regensteiner mit unserem Volk zu Roß und zu Fuß ins Selketal und nehmen deinem edlen Schwager Hoyer die schöne Grafschaft, die er nicht wert ist, ohne langes Federlesen über seinem fromm grüblerischen Kopfe weg, ehe er selber und sein Freund und Erbschleicher, der Bischof, sich's versehen. Dann mag Graf Hoyer mit seiner bußfertigen Margarethe sich in eine Halberstädter Kurie einnisten, und du hausest mit deinem jungen Weibe auf dem Falkenstein im Schwabengau. Was meinst du dazu?«

      Siegfried hatte diese Rede mit wachsender Verwunderung und Freude angehört. Albrechts Vorschlag, die Art, wie er von Oda als von seinem, Siegfrieds jungen Weibe sprach, und die höchst lockende Aussicht, mit ihr in Liebe vereint auf dem Falkenstein horsten zu sollen, hatte ihm das Herz in der Brust entflammt. Darüber war es ihm vollständig entgangen, wie seltsam bewegt Albrecht selber beim Sprechen gewesen war, der sich mit Mühe zu einem entschiedenen und heiteren Tone gezwungen hatte, während ihm doch recht schwer dabei zumute war.

      Dennoch gab der Jüngere keine Antwort, sondern blickte verlegen zu Boden.

      »Wie? Du besinnst dich? Du willst nicht?« rief Albrecht mit großen Augen.

      »Ich will wohl, aber ich kann nicht,« erwiderte Siegfried kleinlaut.

      Albrecht runzelte die Brauen. »Was kann Graf Siegfried von Regenstein nicht?« frug er finster, »nicht um ein Mädchen freien?«

      »Höre mich an, Albrecht!« bat der Jüngere. »Mehr als einmal habe ich versucht, der Vielholden meine Liebe zu gestehen; aber vergeblich, immer wich sie mir aus; ich konnte den Satz nie vollenden, denn sobald ich davon anfing, sah sie mich so erschrocken, so ängstlich flehend an, daß es mir ins Herz schnitt und ich nicht weiter sprechen konnte. Ich glaube, daß sie mich liebt, und neulich sagte sie einmal, daß sie am liebsten ihr Leben lang hier bliebe; aber sie ist viel zu schüchtern und zaghaft, mein Geständnis anzuhören, geschweige denn zu erwidern. Albrecht, – wirb du für mich! Du bist unbeteiligt, du kannst von ihr verlangen, was du willst.«

      »Siegfried!« sprach Albrecht betroffen, »du weißt nicht, was du forderst!«

      »Nichts, was ich nicht mit Freuden für dich tun würde, wenn du an meiner Stelle wärest und ich an der deinigen,« erwiderte Siegfried treuherzig.

      Albrecht schaute den Bruder mit einem tiefen, stummen Blick an, den dieser nicht verstand. Dann reichte er ihm die Hand und sagte sehr ernst: »Ich will tun, was du verlangst, Siegfried, und Gott gebe, daß es dir und mir zum Heile ausschlägt!«

      »Ich hoffe, Albrecht!« sprach Siegfried. »Ich werde morgen früh nach Gersdorf reiten zu Günther; dann bleibst du allein mit Oda und kannst mit ihr reden. Und wenn mein Wunsch Erhörung bei ihr findet, so laß den roten Wimpel vom Turme wehen, daß ich heimkehrend mein Glück schon von ferne winken sehe.«

      »Gut!« nickte Albrecht, »aber wenn sie –«

      »Wenn sie mich aber nicht will, so brauche ich auch kein Zeichen; ich will darum doch nicht den Mut verlieren, sie mir noch zu erringen.«

      »Reite nur,« sprach Albrecht, »und komm als Glücklicher wieder!«

      Damit war die Unterredung zu Ende. Siegfried ging erleichtert von dannen; auf Albrecht lag es bergeschwer. Mit einem bitteren Lächeln blickte er dem ihm fest Vertrauenden nach und wiederholte dessen Worte: »Du bist unbeteiligt, du kannst von ihr erlangen, was du willst!« Am Tische sitzend stützte er den Kopf auf beide Hände und flüsterte: »Ihm soll ich gewinnen, woran meine ganze Seele hängt! Herr Gott im Himmel, führe mich nicht in Versuchung! In meiner Hand liegt jetzt das Ja und das Nein; wie ich spreche, so kommt's und geschieht's; namenloses Glück und unsägliches Leid, sein ist es oder mein, wie ich es drehe und wende.«

      Dann sprang er auf und warf die argen Gedanken aus Kopf und Herzen heraus. »Nein!« rief er laut, »ich verrate dich nicht, mein Siegfried! Ich will für dich werben, als wenn ich für mich selber würbe!«

      Am nächsten Morgen – Siegfried war schon lange weggeritten – stieg Albrecht mit Oda zu ihrem Lieblingsplatze, der Felsbank empor, und jede Stufe, die er hinan mußte, um dort oben eine verhängnisvolle Frage zu tun, dünkte ihn heute noch einmal so hoch und beschwerlich zu überschreiten als sonst. Oda dagegen, ahnungslos heiter und in dem beglückenden Gefühl, mit Albrecht einmal wieder allein

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