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das ihr in fliegender Hoffnung schlug.

      Oda hatte von Albrechts Gespräch mit Jutta wenig oder nichts gehört, wohl aber die Blicke erhascht, die er zuletzt mit ihr wechselte, und so viel Lust sie der einen erregten, so viel Leid fügten sie der anderen zu. –

      Die alte Schaffnerin Ursula hatte große Sorge in der Herrenküche, ein würdiges Mahl für den vornehmen Besuch herzurichten, und als die Tafel gedeckt war, so gut es der einfache, fast dürftige Haushalt des Burgherrn ermöglichte, mußten die verwöhnten Damen doch sehr fürlieb nehmen. Der Graf entschuldigte sich deshalb, als sich die kleine Gesellschaft zu Tisch setzte, und fügte, zu Oda gewandt, hinzu: »Das hättet Ihr bei unserer gnädigen Frau von Quedlinburg besser gehabt, liebe Oda.«

      »Nun, Eure schöne Gefangene sieht nicht danach aus, als hättet Ihr sie darben lassen,« sprach die Äbtissin.

      »Hungern lasse ich meine Gefangenen nie,« erwiderte er gut gelaunt.

      »Ihr müßt uns nachher Euer Gefängnis zeigen, Gräfin Oda,» sagte die Kanonissin.

      »Und die Ketten, mit denen Ihr nachts an Händen und Füßen gefesselt werdet,« fügte Florencius den Scherz weiter treibend hinzu.

      »An Händen und Füßen wohl nicht,« neckte die Äbtissin. »Auch sind die Ketten, mit denen Gräfin Oda hier gehalten wird, wenn auch unzerreißbar, so doch von so feiner Art, daß man sie weder sieht noch klirren hört.«

      Oda fühlte den Stich und suchte sich mit den Worten zu wehren: »Ihr habt ganz recht, gnädige Frau, die Dankbarkeit schmiedet starke Fesseln, und ich werde sie niemals abstreifen.«

      Juttas Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln, das Oda nicht entging. Aber die Äbtissin erwiderte nichts, um in Albrechts Gegenwart jeden Mißklang zu vermeiden.

      Der Platz zu Odas Linken war leer, denn Albrecht hatte ihn für Siegfried bestimmt, und der war noch immer nicht zurück. Zwischen ihr und der Gräfin Adelheid saß der Ritter Bock von Schlanstedt.

      Bock führte gewöhnlich an der langen Tafel der Dienstmannen den Vorsitz und das große Wort und war dabei durch Beispiel und Winke bemüht, den Knechten Anstand und höfliche Sitte beizubringen, mit welchen Bestrebungen er leider keine großen Erfolge aufzuweisen hatte. Von Zeit zu Zeit aber durfte er im Palas mit den Herren speisen, und das war dann immer ein Festtag für ihn, nicht der besseren Kost, sondern der Auszeichnung wegen, auf die sich der also Bevozugte den anderen gegenüber nicht wenig zugute tat. Für solche Gelegenheiten hielt er sich ein besonderes, etwas fremd aussehendes Gewand aus zimmetbraunem Tuch, das sogar bestickt und mit gestepptem Leder besetzt war, ein altes, aber noch gut erhaltenes Beutestück, das auf seinen langen, hageren Leib vortrefflich paßte und in dem er sich dann und wann sehr gern sehen ließ. Niemals auch erschien er ohne Schwert und ohne seinen höchsten Stolz, den Rittergurt. Übrigens wußte er sich bei Tische stets tadellos zu benehmen, saß mit einer feierlichen, gezierten Würde stocksteif auf seinem Stuhle, befleißigte sich der gemessensten Bewegungen und bediente sich beim Sprechen der gewähltesten Ausdrücke. Auch heute schlug er die Ehre, mit so vornehmen und schönen Frauen der Tischgast seines Herrn zu sein, hoch an, zumal sie ihm seiner Meinung nach auch in Eilikas Augen einen besonderen Glanz verleihen mußte.

      Die liebenswürdige, rosig blühende Kanonissin, die ihrer jugendlichen Domina, wie sie ihr an Jahren ziemlich gleichstand, auch an sprudelnder Lebhaftigkeit nichts nachgab, hatte ihren Spaß an der angenommenen Wichtigkeit ihres drollig ernsten Nachbars zur Linken, und Bock, durch die ihm erwiesene Huld der Übermütigen geschmeichelt, ging auf ihre Fragen und Scherze mit geflissentlicher Gründlichkeit ein und suchte eine angenehme und belehrende Unterhaltung mir ihr zu führen, was sie ungemein belustigte. Sie füllte ihm fleißig den Becher mit dem würzigen und schweren Weine, der in hohen Kannen auf der Tafel stand, und dem alle, außer Oda, wacker zusprachen. Auch die Äbtissin, die den Grafen mit verführerischer Gunst überhäufte, und Albrecht, der wie bezaubert davon war, kamen in eine immer gehobenere Stimmung und ergötzten sich an Florencius' sinnreichen Bemerkungen, die er oft keck und vorwitzig in das munter schwirrende Gespräch hineinwarf. Nur Oda nahm, Albrecht und Jutta heimlich beobachtend, an der lauten Fröhlichkeit geringen Anteil. Die anderen reizten sie auch nicht dazu, denn sie dachten, Siegfried fehle ihr nur, und wenn der käme, würde sie schon auftauen. Albrecht warf auch zu ihr manchmal einen Blick hinüber; aber wenn er dann zufällig dem tief bekümmerten ihrigen begegnete, so mußte er schnell wegsehen, als hätte er kein reines Gewissen gegen sie.

      Endlich kam Siegfried. Ein stummer Dankesblick auf Oda und Albrecht bei seinem Eintritt in den Saal deutete ihnen an, daß er mit der ihm nachgesandten Botschaft, hoffen zu dürfen, zufrieden war und nicht mehr erwartet hatte. Nach höflicher Begrüßung der Gäste nahm er an Odas Seite Platz, und wirklich schien der Frohsinn, der die anderen belebte, nun auch bei ihr einzukehren; hatte sie nun doch einen in dem Kreise, von dem sie wußte, daß er sie von Herzen liebte.

      »Nun, wie sieht es draußen aus, Siegfried?« frug Albrecht leichthin.

      »Ein Gewitter ist im Anzuge; es kommt von Halberstadt,« erwiderte er, seinen Bruder bedeutungsvoll ansehend und auch die Äbtissin mit einem forschenden Blicke streifend.

      Aber Albrecht, von Juttas berückender Nähe in Anspruch genommen, gab nicht acht auf den Doppelsinn der Auskunft und verstand nur wörtlich, was Siegfried sagte.

      Der Himmel hatte sich in der Tat mit schweren Wolken bezogen, was die im Saale nun erst gewahrten.

      »Von Halberstadt!« lachte Graf Albrecht, »natürlich! von da kommt alles, was Schaden stiften kann, selbst ein Gewitter.«

      »Es sei willkommen mit seiner Blitze Saat und Segen!« sprach die Äbtissin, »aber wenn es losbricht, Herr Graf, und bis in die Nacht währt – habt Ihr Losament für uns?«

      »Platz haben wir schon,« erwiderte Albrecht, »aber ob Ihr hier so sanft ruhen werdet wie auf Eurem prächtigen Schlosse –?«

      »Herr Graf! bei unserem edlen Schirmvogte?« versetzte sie schalkhaft.

      »Aber was würde unsere geliebte Pröpstin Kunigunde denken, wenn wir nicht heimkehrten?« meinte Adelheid.

      »Daß man uns hier gefangen hielte,« lachte Florencius.

      »Oh, es lebt sich gewiß auch als Gefangene recht lustig hier,« sagte Jutta, »nicht wahr, Gräfin Oda?«

      »Das kommt auf die Ketten an, mit denen man hier gefesselt wird,« entgegnete die Gefragte.

      Alle, außer Siegfried, der diese Anspielung auf eine früher gefallene Äußerung nicht verstehen konnte, lachten über Odas schlagfertige Antwort; selbst die Äbtissin, auf die sie gemünzt war, stimmte gezwungen mit ein; aber sie wollte sich's merken.

      Da flammte der blendende Schein eines Blitzes durch den etwas dämmrig gewordenen Saal. Adelheid schrie erschrocken auf; das Lachen war plötzlich verstummt.

      Das Gesicht der Äbtissin aber nahm den Ausdruck einer freudigen Verzückung an, und mit stolz erhobenem Haupte frug sie: »Was ist, Adelheid? bangt dir vor dem Blitze? Mir war so dumpf, so heiß, jetzt naht die Befreiung und quillt über alle Schranken. Wie ein Feuerkuß des Ewigen auf Augen, auf Mund und Herz fährt die zuckende Lohe über mich hin, und von Kopf zu Fuß durchrieselt mich ein süßer Schauer, aus Furcht und Wonne gemischt!«

      Der Donner hub an und wuchs und schwoll und dröhnte, die Luft erschütternd.

      »Hört doch!« rief Jutta, »zittert euch nicht das Herz in der Brust, wie das knattert und rollt und um die Felsen hallt, als schlüg' es mit ehernen Schwingen dagegen? Das ist Grimm und Lust in einem mit wilder, unerschöpflicher Kraft!«

      Die anderen schauten sie verwundert an, als sie so aufgeregt sprach.

      Graf Albrecht sagte: »Domina, noch nie sah ich ein Weib, dem bei Donner und Blitz wohlig zumute war.«

      »Es steckt einmal in mir,« erwiderte sie rasch, »daß ich jauchzen muß in Sturm und Gewitter. Und wißt Ihr, was ich möchte? – – donnern können!«

      »Das könnt Ihr! das könnt Ihr, Domina!« lachte der Graf. »Ich

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