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wollte Juttas Hand ergreifen, ihr ein treuer Gatte sein und mit Oda als guter Schwager in herzlicher Freundschaft leben, wie er es mit der Frau seines Bruders Bernhard tat. Denn unbeweibt wollte und durfte er als Haupt der Familie nicht bleiben; er war es seinem Stamme schuldig, der Grafschaft Regenstein eine Herrin zu geben. Daß die Äbtissin ihm grollte, brachte er dabei gar nicht in Anschlag; von ihrer Liebe hatte er Beweise genug. Ihre Leidenschaftlichkeit reizte ihn, ihre hohen Geistesgaben und ihr verführerisches Äußere wirkten so stark auf ihn, daß er sich die Kraft zutraute, sein Herz, wenn auch mit bitteren Schmerzen, von Oda loszureißen und Jutta zuzuwenden.

      So war er in der Waldeinsamkeit doch endlich zu einem Entschlusse gekommen, der ihm ebenso den Forderungen der Pflicht und des Gewissens zu genügen schien, wie er davon auch Ruhe des Herzens erhoffte, um sich mit kaltblütiger Besonnenheit nun den Angelegenheiten zu widmen, die seine Sorge dringend erheischten.

      Er ritt nach dem Regenstein zurück und fand hier Reginhild bei Oda. Wie ein Blitz durchfuhr es ihn, die Schwägerin, die er wie eine Schwester liebte und vor deren sicherem Gefühl und hellem Verstande er eine hohe Achtung hatte, beiseite zu nehmen, in alles einzuweihen und von ihr Rat und Beistand zu verlangen. Aber als sie ihn forschend ansah, als suchte sie seine Gedanken zu lesen, da brachte er es nicht über sich, denn er schämte sich des knabenhaften Geständnisses, daß er, der reife Mann, in denselben Fesseln läge wie der Jüngling Siegfried.

      Ihm sollte das Erröten vor der feinsinnigen Frau erspart bleiben, denn sie gab ihm ungefragt einen Rat, zu dessen Erteilung sie nach dem Regenstein gekommen war.

      Odas Neigung zu Albrecht, die Reginhild selbst entdeckt hatte, machte dieser Siegfrieds wegen bange Sorge, und als Bernhard ihr nach der Rückkehr von der Lauenburg erzählte, daß Albrecht dort Siegfried als Burgvogt eingesetzt und seinen Vorschlag, Oda nach dem Schlosse zu Quedlinburg oder nach der Heimburg zu überführen, wieder schroff abgewiesen hatte, fürchtete sie, daß Odas Gefühle für Albrecht während ihres Alleinseins mit ihm an Innigkeit noch zunehmen und Siegfried gänzlich in Vergessenheit bringen würden. Ja, sie schloß sogar aus Albrechts beharrlicher Weigerung, sich von Oda zu trennen, daß er selber zu der jungen Gräfin eine Neigung gefaßt habe, an deren Beständigkeit Reginhild nicht glaubte, weil sie Jutta von Kranichfeld als die künftige Lebensgefährtin Albrechts betrachtete. An einem flüchtigen Wohlgefallen aber, das der ältere Bruder vielleicht an der schönen bleichen Lilie fand, sollte die Hoffnung des jüngern nicht zugrunde gehen. Daher hielt sie es für das ratsamste, das Alleinsein der beiden durch Siegfrieds Rückkehr auf den Regenstein abzukürzen, und um diese herbeizuführen, hatte sie sich mit Bernhards Zustimmung zu Albrecht auf den Weg gemacht.

      Nach freundlicher Begrüßung des Schwagers begann sie wie im Auftrag ihres Gatten: es wären ihnen auf der Heimburg beunruhigende Gerüchte über die drohende Haltung des Rates und der Bürgerschaft von Quedlinburg zugegangen, die auf feindselige Absichten, wahrscheinlich auf den baldigen Versuch einer Eroberung der Lauenburg hinwiesen. Bernhard gäbe dem Bruder zu bedenken, ob Siegfried bei allem feurigen Mut doch in seinen jungen Jahren nicht der nötigen Erfahrung ermangelte, in so schwieriger Lage die Burg zu halten; er riete daher, ihn vorläufig durch einen älteren Lehensmann, vielleicht den Vogt von Derenburg, zu ersetzen und Siegfried nach dem Regenstein zurückzuberufen.

      Reginhilds Worte drangen gleich einer Sonde in die Herzen der beiden Zuhörenden, und die kluge Frau gab nun acht, welchen Eindruck ihr Vorschlag auf Albrecht sowohl wie auf Oda machen würde.

      Dem Grafen kam es sehr überraschend und ungelegen, aber so schnell Albrechts kriegskundiger Sinn die ausgesprochenen Bedenken als richtig erkannte, so schnell fand er auch heraus, daß ihm der Fall als Prüfstein für die Gefühle Odas dienen konnte. Wenn sie Siegfried liebte, so mußte sie ihre Freude über seine Rückkehr zu erkennen geben, und dann wußte er, was er zu tun hatte.

      Bernhards Rat war in Ansehung einer gut geleiteten Verteidigung der Lauenburg unabweislich. Albrecht jedoch, im Schuldbewußtsein seiner Liebe, vermutete dahinter noch eine besondere Absicht Reginhilds und traf das Richtige. Er konnte Bernhards Gründen gegenüber die Rückberufung Siegfrieds nicht verweigern, ohne sich dem Verdachte auszusetzen, daß er Siegfried entfernt hätte, nur um mit Oda allein zu sein. Dennoch sann er auf eine verzögernde Ausflucht, die ihm Gelegenheit böte, sich Klarheit über Oda zu verschaffen.

      Mit demselben Unbehagen eines sich durchschaut fühlenden Gewissens vernahm auch Oda Reginhilds Vorschlag, lauschte mit Herzklopfen auf das entscheidende Wort aus Albrechts Munde, verriet indessen mit keiner Miene, welche Wünsche sie hegte. Alle drei befanden sich in diesem Augenblick, einander heimlich beobachtend, unter dem Druck einer gespannten Erwartung.

      »Bernhard hat recht,« sprach Albrecht nach kurzer Überlegung, »ich werde Harder von Derenburg zur Unterstützung Siegfrieds nach der Lauenburg schicken; an dem hat er einen waffenfesten Mann zur Seite, auf dessen erprobten Rat er sich bei Sturm und Ausfall verlassen kann. Aber ich möchte Siegfried nicht gern den kaum anvertrauten Befehl über die Burg schon wieder nehmen; er war so stolz darauf. Nicht wahr, Gräfin Oda, Ihr habt es ihm angemerkt?«

      »Bei seinem Abschied sagte er nichts davon,« erwiderte Oda; »aber welcher Ritter geböte nicht gern über eine Burg!«

      »Du kannst Siegfried nicht auf der Lauenburg lassen, wenn du Harder hinschickst,« bemerkte Reginhild. »Soll sich ein Graf von Regenstein den Anordnungen eines Lehensmannes fügen? Die Knechte dürfen nicht wissen, warum du den jungen Burgvogt durch einen älteren ersetzest; du mußt einen anderen, einen besonderen Grund für Siegfrieds Abberufung finden.«

      »Eine Kränkung bleibt es immer für ihn,« sagte der Graf. »Er wird nie zugeben, daß er die Burg nicht ebensogut verteidigen könnte wie ein anderer.«

      »Unzweifelhaft wird er das zugeben, Schwager, wenn du es ihm gehörig vorstellst,« erwiderte Reginhild. »Frage ihn selber, ob er nicht lieber auf den Regenstein zurückkehrt, statt nur dem Namen nach und nicht in der Tat den Befehl über eine Burg zu führen. Meint Ihr nicht auch, liebe Oda?«

      »Ihr mögt wohl recht haben, Gräfin Reginhild,« sprach Oda beklommen.

      Das mußte auch Graf Albrecht einräumen. Er hörte aber aus Reginhilds in einen kriegerischen Rat gehüllten Bitte für Siegfried zugleich die Stimme der Ehre und des Gewissens, und da war's entschieden. Mit einem raschen Entschlusse bezwang er alle Selbstsucht des Herzens und sagte: »Du hast mit überzeugt, Reginhild! ich werde Siegfried zurückrufen.«

      Kein Strahl der Freude aus Odas Augen blitzte ihm dankend entgegen. Sie wagte nicht aufzublicken, und Albrecht erfuhr nichts von dem, was in ihrem Innern vorging.

      Reginhild aber erkannte das Opfer, das er seinem Siegfried brachte, und kehrte beruhigt nach der Heimburg zurück, wie immer gut und groß von ihrem Freunde denkend.

      Als Albrecht später in seinem Gemach allein war, ärgerte er sich, daß er auf den so naheliegenden Gedanken, Siegfried als Schutz und Schirm zwischen sich und Oda zu stellen, nicht von selber gekommen war und sich erst von Bernhard und Reginhild dazu hatte bereden lassen müssen. Es war das erstemal im Leben, daß er sich irgendeiner Sache wegen vor den Geschwistern zu schämen hatte, und das wurmte ihn.

      Unzufrieden mit sich selbst ließ er den Ritter Bock kommen und sprach zu ihm: »Höre, Bock! unsere gnädige Frau, die Äbtissin, hat den Wunsch geäußert, daß kein Graf von Regenstein Vogt auf der Lauenburg sein sollte. Aus diesem Grunde, – hörst du, Bock? nur aus diesem Grunde will ich, daß Harder von Derenburg meinen Bruder Siegfried ablöst. Morgen früh reitest du mit drei Mann hinüber, bringst Harder meinen Befehl und geleitest ihn nach der Lauenburg, wo du Graf Siegfried dieselbe Bestellung ausrichtest. Am nächsten Tage kommst du mit Siegfried nach dem Regenstein zurück. Hast du mich verstanden, Bock? Warum soll Harder meinen Bruder ablösen?«

      »Weil unsere gnädige Frau wünscht, was wir alle wünschen, daß Graf Siegfried bei Gräfin Oda bleibt,« erwiderte Bock mit einem verschmitzten Lächeln.

      »Weil du nicht recht gescheut bist!« brauste der Graf, dunkelrot. »Weil sie keinen Regensteiner Grafen als Burgvogt haben will, hab' ich gesagt! Nun kaue das nach!«

      Bock sprach es Wort für Wort nach.

      »So!

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