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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auch bergan mußte das Roß seines Reiters Ungeduld fühlen, daß es prustete und schnaufte, und als Albrecht im Burghof abstieg, hätte Schatte beinah ein lautes Wort mit sich selber gesprochen, weil der Graf sein Pferd warm in den Stall brachte, was er sonst niemals tat, wenn ihn nicht Not und Gefahr zur Eile zwangen.
In dem Hohlwege, der sich zwischen Felsen durch Wald und Gebüsch an der sanft ansteigenden Seite des Berges hinaufzog, hatte Oda den Grafen nicht mit den Blicken verfolgen können, und früher, als sie erwartet, erfuhr sie seine Ankunft durch den Hornruf des Türmers.
Sie eilte den Felsen hinab, aber auf den unteren Stufen kam Albrecht ihr schon entgegen. Sprechen konnte sie nicht; sie war wohl zu rasch herabgestiegen, und ihre Wangen waren gerötet. Freudig und innig strahlten beider Blicke ineinander. Sie blieb stehen, so daß er ein wenig zu ihr aufschauen mußte, als er ihr die Hand reichte.
»Siegfried läßt Euch grüßen, Gräfin Oda!« begann Albrecht. »Und er will Euch jeden Abend bei Sonnenuntergang vom Bergfried der Lauenburg einen Gruß herüberwinken und dabei denken, Ihr stündet hier auf dem Felsen und grüßtet ihn wieder.«
Aber die blauen Augen blickten nicht heiter auf diese Botschaft, und die Rosen auf Odas Wangen machten wieder den bleichen Lilien Platz. Statt einer Antwort frug sie geschwind: »Seit Ihr unverwundet, Herr Graf?«
Albrecht lachte: »Weder empfangen noch geschlagen habe ich Wunden, das Schwert blieb in der Scheide, mit ein paar eisernen Maulschellen haben wir die Lauenburg erstürmt.«
»Waret Ihr auch bei der Äbtissin?« frug sie weiter.
»Ja freilich, da war ich auch,« erwiderte er.
»Und wie seid Ihr von ihr geschieden?«
»Nun – etwas stürmisch war der Abschied,« sprach er mit einem eigentümlichen Lächeln zur Seite blickend, »aber ich hoffe, wir werden bald wieder gute Freunde sein.«
Sie waren hinabgestiegen und hatten sich langsam dem Palas genähert, an dessen Tür jetzt die alte Schaffnerin erschien.
»Laß auftragen, Ursula!« rief ihr der Graf zu, »und sag' es mir, wenn alles bereit ist, mich hungert.«
»Wollt Ihr Euch nicht des Panzers entledigen?« frug Oda.
»Dann müßt' ich Euch ja schon wieder verlassen,« erwiderte er lächelnd, »und ich habe Euch doch heute den ganzen Tag nicht gesehen.«
»Ich will Eurer hier harren,« sprach sie sanft errötend. »Mittlerweile rüstet uns Ursula das Mahl.«
»Uns? Habt Ihr auch noch nicht gegessen?« frug er verwundert.
»Nein, ich wollte warten, bis Ihr wiederkämet,« sagte sie leise.
Seine Augen ruhten mit einem vollen Blick auf ihr, den sie mehr fühlte, als daß sie ihn sah, denn sie hielt die Wimpern gesenkt.
»Ich bin gleich zurück,« sprach er und ging in den Palas.
Die Sonne stand schon nahe der absteigenden Linie des Brockens. Der Schatten des Bergfrieds lag quer über dem Burghof und streckte sich weit hinauf an dem grauen Felsen. Oda wandelte darin wie auf einer körperlosen Brücke langsam auf und nieder, mit ihren Gedanken beschäftigt.
Als Graf Albrecht oben in sein schmuckloses Gemach trat, kam es ihm verändert vor. Es hatte jemand darin aufgeräumt. Das mancherlei Zeug, Geschirr und Gerät, das sich sonst lässig und wirr auf Tisch und Stühlen umhertrieb, stand oder lag jetzt geordnet und gefällig angebracht, jedes an einem schicklichen Platze. Der Graf runzelte die Brauen über den unbefugten Eingriff in sein Altgewohntes. Da gewahrte er auf dem Tische, mitten vor seinem Trinkgefäß und dem Schreibzeug, einen kleinen, schlanken Krug mit einem Sträußchen frischer Waldblumen darin. Das konnte niemand anders gewesen sein als Oda. Und so war es auch. Eben noch, ehe sie auf den Felsen stieg, hatte sie die Blumen gepflückt, in Albrechts Zimmer gestellt und hier mit herzklopfender Freude als wohltätige Fee ordnend und schmückend gewaltet.
Sie, sie war hier in seinem Zimmer gewesen, war hier mit leichten Schritten hin und wieder geschwebt, hatte gedacht und gesonnen, wie sie dies und jenes das Auge erfreuend stellen und legen sollte, ihre Hände hatten das Jagdhorn und die Sporen, dieses Weidmesser und jenen Krug, den Sachsenspiegel und alles, was sie fand und sah, berührt, getragen, gerückt, sie hatte sich für ihn im Gebüsch nach den Blumen gebückt, das Krüglein am Brunnen mit Wasser gefüllt und das duftige, zierliche Sträußchen hineingetan!
Albrecht nahm es, betrachtete es und stellte es wieder genau an denselben Fleck. Dann sah er sich lächelnd im Zimmer um und freute sich wie ein Kind über die Bescherung an der heiteren Ordnung seiner Habseligkeiten. Ihm war, als fühlte er noch ein Wehen von Odas Atem, als hörte er ihre leichten Tritte und das leise Rauschen ihres Gewandes, und ein fröhliches, seliges Gefühl schlich sich in die Brust des gewaltigen Mannes, der heute seiner schutzbefohlenen Fürstin eine Burg genommen und dem leidenschaftlichen Ausbruch ihres Zornes getrotzt hatte.
Er zog das Eisenkleid aus, warf es nicht wie sonst halb auf diesen, halb auf jenen Schemel, sondern trug es selber in sein Schlafgemach und hüllte sich in einen sauberen, wollenen Leibrock. Dann nahm er den Blumenstrauß aus dem Krüglein und ging hinab in den Burghof zu Oda.
Mit herzlichen, schlecht beredten Worten dankte er der tief Verlegenen. Aber aus dem Sträußchen zog er eine tiefblaue Glockenblume. »Erlaubt,« sprach er lächelnd, »die blauen Glocken müssen sich prächtig in Eurem dunklen Haare machen.« Zitternd und erglühend hielt sie still, als er ihr Haupt berührte und sorgsam mit ritterlichen Händen die Blume in ihrem Haar befestigte. Das Sträußchen steckte er sich selber vor die Brust an den Leibrock, und so gingen sie auf Ursulas schon wiederholten Ruf in den Palas.
Die Sonne sank. Fern dort auf dem Bergfried der Lauenburg stand Siegfried und blickte nach dem Regenstein; aber seine Lilie stand hier nicht oben auf der Felsenhöhe. Sie saß an demselben Tische mit seinem Bruder Albrecht, und fröhliche Blicke gingen hinüber und herüber, von ihm zu ihr, von ihr zu ihm. Er mahnte sie nicht, auf den Felsen zu steigen, und Siegfrieds sehnsuchtsvoller Gruß flog über den Regenstein hinweg wie ein abgeschossener Pfeil, der seines Zieles verfehlte und sich spurlos im Blauen verliert.
Sechzehntes Kapitel.
Als der Stiftshauptmann, den der Befehl der Äbtissin nicht in seiner Behausung angetroffen hatte, endlich auf dem Schlosse erschien, fand er die Insassen desselben in großer Erregung. Auf dem Hofe, auf Treppen und Gängen begegnete er bestürzten Gesichtern, und oben in einer der Vorhallen traf er die Pröpstin und die Dekanissin, umringt von einigen jüngeren Konventualinnen, in heftigem, halblaut geführtem Meinungsaustausch; aber sie konnten ihm nicht sagen, was eigentlich vorgefallen war.
Der Besuch des Grafen Albrecht von Regenstein zu ungewöhnlich früher Stunde, sein langes Bleiben und noch mehr sein ungestümes Weggehen war im Schlosse aufgefallen. Man hatte die Kammerfrau der Äbtissin ausgeforscht und war so lange in den Stiftsschreiber Florencius gedrungen, bis er gestand, daß er einen Lehensbrief für den Grafen über die Lauenburg hätte ausstellen und der Domina zur Unterschrift bringen müssen. Die Kammerfrau, die zögernd bekannte, daß sie gehorcht hatte, berichtete von einem heftigen Streit der Äbtissin mit dem Grafen, aber nur einzelne Sätze und abgerissene Worte, meist aus dem Munde der gnädigen Frau, wollte sie verstanden haben; Worte wie »schmachvoll« und »nicht ritterlich«, und die heftige Frage: »Wo ist Oda?« wollte sie deutlich gehört haben. Dann hatte sie, als die Äbtissin ihr geklingelt, ein zerrissenes Pergament auf dem Teppich liegen sehen, woraus man schloß, daß Graf Albrecht den Lehensbrief im Zorne zerrissen habe, ohne