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wurde wieder ein leidlich gutes, wenn sie auch immer noch auf einem mehr neckischen, als erbitterten Kriegsfuß miteinander blieben.

      Heute morgen tat Bock außerordentlich wichtig und machte sich möglichst bemerkbar. Er rannte mit einer eilfertigen Geschäftigkeit auf dem Burghof hin und her, lief von Palas oder Rüsthaus bald zu den Weichhäusern, bald nach den Ställen, schalt und schrie Befehle und schielte dabei stets nach dem Palas, ob sich Eilika nicht sehen ließe, die sein auffälliges Tun und Treiben längst mit Verwunderung und Neugier heimlich beobachtete. Und als sie ihm endlich den Gefallen tat, aus dem Palas auf den Hof zu kommen, stürzte er förmlich auf sie los, ein Beil in der Faust schwingend, daß Eilika erschrocken zurückwich. Mit furchtbar ernstem Gesicht und wütigen Gebärden sprach er abgerissen dunkle Worte zu dem Mädchen, sprach von Abschiednehmen, kühnem Vorhaben, sie sollte in der nächsten Nacht an ihn denken, da würde sich etwas ereignen, was nicht alle Tage geschähe, sie möchte ihm etwas von sich mitgeben, ein Busentuch oder ein Strumpfband, ganz gleich was, er könne alles brauchen, was von ihr käme, zu seinem Heil und Schutz in großer Gefahr.

      »Nun, so haut mir mit dem Beil eine Locke ab, Herr Ritter!« lachte sie, »aber es darf nicht weh tun.«

      Bock nahm den Spott für Ernst und prüfte mit dem Daumen die Schneide des Beiles. »Gutdünkel!« schrie er dann erbost, »das Beil ist ja stumpf wie ein Pferdehals! gleich schärfen!«

      Gutdünkel zog brummend mit dem Beil ab.

      »Wann kommt Ihr denn wieder, Herr Ritter?« frug Eilika vergnügt.

      »Wiederkommen? ach, das weiß Gott!« rief Bock. »Gebt mir den Scheidekuß, liebste Jungfrau! Es ist vielleicht ebensogut der letzte, wie es leider der erste wäre.« Und er strich sich schon den Schnurrbart von den Lippen.

      »Huhu!« kreischte das Mädchen, hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und schwirrte in schneller Flucht davon.

      Bock stand da und sah ihr verblüfft nach wie einer, dem ein schon gefangener Vogel wieder entschlüpft, und die Knechte hatten seinen Verdruß zu entgelten.

      Im Laufe des Vormittags verließ die böse Sieben den Regenstein; aber sie ritten nicht zusammen auf einmal, sondern zu zweien und dreien, zu verschiedenen Stunden und auf verschiedenen Wegen von dannen.

      Nach ihrem Wegritt war es viel ruhiger auf dem Regenstein. Aber die Ruhe war nur eine äußere. Eilika zwar bangte nicht um das gefährdete Leben und glaubte nicht recht an die großen Taten ihres prahlerischen Verehrers. Oda jedoch las in den stummen Blicken Siegfrieds einen geheimen Kummer, den sie sich nicht zu deuten wußte. Das Schwermütige, das sich seit einigen Tagen in seinem Wesen zeigte, konnte sie nicht auf eine mattherzige Furcht vor Kampf und Gefahr schieben, die seiner jungen Feuerseele völlig fremd war, und eben weil sie das wußte, kam sie auf die Vermutung, daß es sich bei der kriegerischen Unternehmung der gräflichen Brüder vielleicht um die Entscheidung ihres eigenen Schicksals handelte. Sie ahnte ja nicht, daß Siegfried nichts anderes bedrückte, als das Leid über seine bevorstehende Trennung von ihr. Wenn nämlich der für die Nacht geplante Streich gelang, und die Lauenburg in die Hände der Regensteiner fiel, hatte Graf Albrecht angeordnet, sollte Siegfried vorläufig als Vogt auf der Burg bleiben, womit also seine Entfernung vom Regenstein auf unbestimmte Zeit ausgesprochen war.

      Bald nach dem Mittagsmahle nahm er Abschied von ihr, hatte dabei Mühe seine innere Bewegung zu verbergen, sagte aber nichts von Scheiden und Meiden. Er wollte sich am Fuße des Regensteins mit Bernhard treffen und mit ihm nach dem Kloster Wendhusen reiten, das ebenso wie die Lauenburg im Gebiete des Stiftes Quedlinburg und also auch in der Schirmvogtei des Grafen von Regenstein lag.

      Albrecht selber wollte, um jedes Aufsehen zu vermeiden, ihnen erst am Abend nachfolgen und blieb bis dahin mit Oda allein.

      Er leistete ihr Gesellschaft und stieg mit ihr zu einer auf der Höhe befindlichen Felsbank empor, von wo sie einen weiten Blick über den Wald, nach dem Gebirge hin und in das offene Land hinaus hatten.

      Eine tiefe Ruhe schwebte über der weiten Burg; still lagen Häuser und Höfe, und nur selten drang ein gedämpfter Ton von unten zu der einsamen Felsbank hinauf, wo die beiden miteinander saßen. Oda war es ein wohliges Gefühl, mit Albrecht einmal ganz allein sein zu können und wie ihr die Seele – sie wußte selbst nicht wovon – so voll war, hätte sie sich am liebsten an den festen Mann ihr zur Seite geschmiegt, den Kopf an seine Schulter gelegt und sich mit geschlossenen Augen einem seligen Träumen überlassen.

      In ihre unbegrenzte, still glühende Verehrung mischte sich aber immer noch eine tiefe, fast heilige Scheu vor dem Ernst und der Kraft des Grafen. Wie sie seiner nur mit einer hingebenden Herzensdemut dachte, so begegnete sie ihm auch stets mit einer sanften Unterwürfigkeit, und wenn sie den Blick zu ihm zu erheben wagte, so hatte dieser etwas Rührendes, um Verzeihung Bittendes; sie fühlte sich dabei erröten und konnte das laute Klopfen ihres Herzens in Albrechts Nähe nicht zum Schweigen bringen.

      Dazu kam die fortwährende Angst, daß er sich ihretwegen Feinde machen und in gefährliche Händel einlassen möchte, eine Bangigkeit, die heute durch das ungewöhnliche Treiben auf der Burg und das geheimnisvolle Reiten der gräflichen Brüder neue Nahrung empfing und bis zu einer atemraubenden Beklemmung gesteigert wurde, so daß Oda ihre Furcht nicht länger verhehlen konnte.

      »Herr Graf,« begann sie zagend auf der Bank neben ihm, »mich erfüllt eine namenlose Unruhe, eine unbestimmte Ahnung von folgenschweren Dingen, mit denen Ihr Euch befassen wollt. Ich merke, Ihr habt etwas Gefährliches, Entscheidendes vor, das ich mit meinem Verweilen auf dem Regenstein in Zusammenhang bringe. Wenn ich es wissen darf, so sagt es mir, was Ihr plant; ich bitte Euch darum, Herr Graf! um meiner Ruhe willen.«

      Albrecht blickte sie freundlich an und sagte mit ruhigem Lächeln: »Wovor bangt Euch denn, Gräfin Oda? Doch nicht davor, daß wir, wie wehrhafte Männer es lieben, einmal ausreiten und mit fester Hand zugreifen nach dem, was wir haben müssen, um bleiben zu können, was wir sind?«

      »Ihr reitet nicht aus, Herr Graf, um auf der Straße einen Fang zu tun, wie Ritter, die sich aus dem Stegreif nähren,« erwiderte sie.

      »So? meint Ihr?« lachte der Graf, »ei, wißt Ihr denn nicht, Gräfin Oda, wie sie mich im Lande nennen? bin ich nicht der Raubgraf?«

      »Nein! das seid Ihr nicht!« rief sie mit hochrotem Antlitz. »Eure Feinde mögen Euch so nennen, aber die Armen, Unterdrückten, denen Ihr helft und wohltut und Zehnten und Gülten erlaßt, die preisen und segnen Euch und nennen Euch nicht so. Und sie haben recht, Ihr tut für andere alles, aber für Euch selbst nahmt Ihr nichts.«

      »Ich danke Euch für Eure gute Meinung,« lächelte er, »aber Ihr täuscht Euch, herzliebes Fräulein! Ich will's Euch nur gestehen: diese Nacht wollen wir uns nicht mehr und nicht weniger nehmen als eine ganze Burg mit allem, was darin und darum ist.«

      »Den Falkenstein?« frug sie erschrocken.

      »Nein, diesmal noch nicht den Falkenstein,« erwiderte er. Dann zeigte er mit der Hand etwas rechts von Quedlinburg nach dem Harze hin. »Seht Ihr das graue Gemäuer mit dem Turme da hinten im Bergwalde?« sprach er. »Das ist die Lauenburg; die muß morgen früh, wenn die Hähne krähen, unser sein.«

      Oda blickte ihn überrascht an. »Ist die Burg stark?« frug sie, »wird es einen harten Kampf kosten?«

      »Sorget nicht,« erwiderte er, »ich denke, wir werden lebendig wiederkommen. Das Fühlbarste werde wohl ich davon heimbringen, nämlich den Zorn der gnädigen Frau von Quedlinburg, denn die Burg gehört dem Stifte, und bei meinem Streit mit der Äbtissin morgen wird es heißer hergehen, als beim Ersteigen der Lauenburg.«

      »Ihr werdet doch die Fürstin zu versöhnen wissen, Herr Graf,« sprach Oda beklommmen.

      »Ich hoffe es,« erwiderte er, »denn ihre Heftigkeit schwindet immer bald wieder vor der besseren Einsicht ihres klaren Verstandes; sie ist ein starkmütig, hochherzig Weib.«

      Oda neigte das Haupt und schwieg.

      »Wir streiten stets, wenn wir zusammen kommen,« fuhr Albrecht fort. »Als ich sie neulich besuchte, waret Ihr es, Gräfin Oda, um die ich mit ihr kämpfen mußte.«

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