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waltete.

      Und diesen guten Geist sollte Graf Albrecht aus seiner Behausung verbannen? nimmermehr! Wie Waldvogelgesang, wie sanfte, süße Saitenklänge schmeichelte seinem Ohr ihre Stimme; aus ihren Augen grüßte ihn der lachende Morgen am freudigsten; nach ihrem Verschwinden am Abend sank ihm die schweigende Nacht willkommen hernieder und schenkte ihm friedlichen, wohligen Schlummer.

      Immer aber sah er Oda neben Siegfried und Siegfried neben ihr. Die beiden waren ihm in seiner Vorstellung schon so untrennbar voneinander, daß er sich ihre Vereinzelung nicht mehr denken konnte. Er war überzeugt, daß jeder in dem andern sein höchstes Lebensglück finden würde, und dieses gönnte er von Grund der Seele ebenso seinem Liebling Siegfried, der ihm von klein auf unter seinen schützenden Händen an die Augen herangewachsen war, wie dem holden Mädchen, das er erst seit wenigen Wochen kannte und doch schon wie ein trautes Schwesterlein von Herzen lieb gewonnen hatte.

      Der Auftritt mit der Äbtissin hatte ihn erregt und beunruhigt, beunruhigte ihn jetzt noch. Sie glaubte nicht an seine selbstlose Absicht mit Oda, sondern hatte ihn in dem Verdacht, daß er nur seinetwegen die junge Gräfin bei sich festhielte, daß er sie liebte und selber zu besitzen begehrte. Er und Oda! die bleiche Lilie seine Gattin! ein wunderlicher, ein närrischer Gedanke! nicht im Traume wäre ihm der gekommen und gewiß noch weniger dem unschuldsvollen Mädchen; der konnte nur in Juttas eifersüchtigem Herzen entstehen.

      Ein größerer Gegensatz von Weib und Weib wie zwischen den Zweien, die beide jetzt unter seinem Schutze standen, war kaum denkbar. Jutta von Kranichfeld liebte ihn mit Leidenschaft, mit herrschsüchtiger, unduldsamer Gewalt. An ihre Launen, die wie Wund und Wellen umschlugen, war er gewöhnt; aber mochte sie ihn nun mit der warmen Sonne ihrer Gunst beglücken oder wie Sturm und Gewitter mit ihrem Zorn überfallen, immer blickte ihre Liebe durch und ihre Sehnsucht, ihn zu besitzen. Halb stieß ihn ihr ungestümes Wesen ab, halb zog es ihn an; er wollte nicht geworben und gewonnen sein, er wollte selber werben und erringen, sei es eine feindliche Burg oder ein geliebtes Weib. Widerstand reizte ihn, wo immer er ihn fand; hier aber war er es, der ihn leistete. Und doch war es ihm ein lockender Gedanke, dieses stolze, verführerisch schöne Weib sein zu nennen, diese ungebrochene Kraft, diesen launenhaften Trotz kampflich zu bezwingen und in ruhevolle Stetigkeit zu verwandeln, zu hingebender Liebe zu erziehen. Sein starker Arm, der Schwert und Lanze führte wie kein zweiter im Gau, würde gewiß auch weich und behutsam den Leib der Geliebten umfangen, und sollte der strenge Mund, der bis jetzt nur laute Befehle zu rufen verstand, nicht auch leichtes Geplauder und wonniges Kosen lernen können?

      Welcher Art und welchen Sinnes mußte die künftige Lebensgefährtin des Grafen Albrecht sein? Ein willenloses, schmiegsam unterwürfiges Kind, das mit zarter Hand seine umwölkte Stirne glättete, mit ängstlichem Blick ihm jeden Wunsch von den Augen las u seine Gedanken und Meinungen widerspruchslos als die höchste Weisheit auf Erden verehrte? Oder ein reisiges Weib, stahlhart wie er selber, das seinen eigenen Verstand und seinen eigenen Willen hatte, mit Rat und Tat ihm treu zur Seite stand, für ihn eintrat, wenn es galt, und ihm nicht nur bis an den Rand der Gefahr, sondern ohne Bedenken in sie hinein, durch sie hindurch zu jeder Stunde folgte?

      Nun denn, ein solches Weib saß auf der alten Kaiserpfalz zu Quedlinburg und wartete nur auf das eine Wort aus seinem Munde: Komm!

      Unter solchen Betrachtungen war Graf Albrecht ohne es zu merken vor der Feste Gersdorf angelangt; aber wie aufgescheuchtes Federwild flatterten ihm die Liebesgedanken davon, als ihn der Türmer von der Brustwehr herab mit einem frohlockenden Hornruf begrüßte. Er überdachte schnell noch einmal, was er mit Günther alles zu besprechen hätte, und da fiel es ihm plötzlich schwer auf die Seele, daß er ja ganz vergessen hatte oder vielmehr nicht dazu gekommen war, mit der Äbtissin über die Lauenburg zu reden.

      Auf dem Hinritt nach Quedlinburg hatte er sich vorgenommen, die Domina mit guten Worten um die Belehnung mit der Burg anzugehen, denn es war ihm doch lieber, wenn er sie mit allem Glimpf und Fug als ein rechtes Lehen erhielt, als wenn er sie durch einen Gewaltstreich nehmen müßte; aber haben mußte er sie, es koste, was es wolle, und es war Gefahr im Verzuge.

      Das Versehen war nicht mehr gutzumachen; wieder umkehren und zur Äbtissin zurückreiten konnte er nach dem eben stattgehabten Auftritt nicht. Darum blieb er bei seinem ersten Plane, den er Bernhard heute durch Siegfried hatte ankündigen lassen, nämlich die Lauenburg einfach zu nehmen.

      Er weihte Günther in alles auf dem Regenstein Vorgefallene ein und erteilte ihm ausführliche Weisung. Der Überfall sollte unter seinem Albrechts Befehl von den Reisigen der Gersdorfer und der Gunteckenburg unternommen werden, denn viel Mannschaft war dazu nicht nötig. Über die Zeit der Ausführung wollte Albrecht dem Bruder durch einen Reitenden Botschaft senden; dann sollte sich Günther mit den Seinigen unter dem Schutze der Dunkelheit an das Gebirge heranschleichen und an einem bestimmten Punkte mit Albrecht zusammentreffen.

      Günther versprach, treulich Panier zu halten, wie Albrecht befohlen, und dieser ritt mit seinem schweigsamen Schildknechte wieder hindan und auf dem kürzesten Wege nach Hause. –

      Siegfried hatte Oda den ihm von seinem Bruder gewordenen Auftrag, Bernhard eine geheime Botschaft zu bringen, mitgeteilt und ihr den Vorschlag gemacht, mit ihm zu Fuß nach der Heimburg zu gehen und die Pferde nachkommen zu lassen, um zurückzureiten, womit Oda gern einverstanden war.

      Sie machten sich auf den Weg, aber Oda war still und in sich gekehrt. Sie pflückte im frühsommerlichen Walde hier und da eine Blume und gab auf Siegfrieds Rede zwar freundliche, aber kurze, zuweilen etwas zerstreute Antworten. Endlich frug sie, im langsamen Gehen gedankenvoll ihr Sträußchen ordnend: »Wohin ist Graf Albrecht heute geritten?«

      »Nach Quedlinburg zur Äbtissin,« erwiderte Siegfried. »Nun, was erschreckt Ihr, Fräulein? Meint Ihr etwa, das sei eine Vorbereitung zu Eurer Entsendung ins Stift? Daran denkt Albrecht nicht.«

      »Aber die Äbtissin wird es verlangen,« sprach Oda; »sie hat ja ihren Schreiber schon darum gesandt.«

      »Das hilf ihr alles nichts,« lachte Siegfried. »Meinem Bruder widersteht niemand, nicht einmal die Äbtissin, die sonst viel über ihn vermag. Ihr kennt sie wohl nicht?«

      »Nein,« sagte Oda. »Kennt Ihr sie denn?«

      »Ja gewiß!« erwiderte er. »Sie ist herrisch und launenhaft; aber sie hat etwas Freudiges und Berückendes in ihrem Wesen, ist schön und stolz wie eine Königin und kann sich die Menschen untertänig und die Herzen gewogen machen, wenn sie nur will.«

      »Ich möchte sie wohl einmal sehen,« sprach Oda halb für sich.

      »Das braucht Ihr nur Albrecht zu sagen,« erwiderte er; »dann nimmt er Euch einmal mit, wenn er sie besucht. Aber dann reit' ich auch mit, damit sie Euch auf dem Schlosse nicht festhalten.«

      Oda seufzte leise und schwieg.

      »Ihr seid nicht fröhlich, Gräfin Oda,« begann Siegfried nach einer langen Pause. »Drückt Euch ein Leid?«

      Oda schüttelte das Haupt.

      »Da muß ich sehen, wie ich auch den anderen Auftrag meines Bruders erfüllt,« fuhr er fort. »Ich soll Euch aufheitern, soll Eure Gunst zu erwerben suchen, gebot mir Albrecht.«

      »Das hat Euch Euer Bruder geboten?« frug Oda.

      »Ja! denkt Euch!« lachte Siegfried. »Es war freilich nicht vonnöten, mir das noch besonders auf die Seele zu binden. Aber er hat noch mehr gesagt. Du mußt ihr Freund und Vertrauter werden, Siegfried! ich wünsche das, sprach er. Und wenn Albrecht sagt: ich wünsche das! – ja, Gräfin Oda, dann hilft nichts in der Welt, dann muß das geschehen; aber ich fange es gewiß recht dumm an.«

      Oda lächelte und sagte unbefangen: »Ihr seid schon mein Freund und Vertrauter, Graf Siegfried.«

      »Wirklich? bin ich das?« frug er mit freudeglänzendem Gesicht.

      »Ich bin die Gefangene Eures Bruders und muß ihm gehorchen,« erwiderte sie. »Aber es gehorcht sich ihm gut und leicht, und da will ich Euch nur helfen, seinem Befehle nach zu tun, damit wir nicht in Ungnade fallen,« schloß sie mit einem schelmischen Blick.

      »Seht Ihr wohl!«

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