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immer gehässigerer Ton, ihre verdächtigenden Worte reizten ihn in einer Weise, daß er nur mit Mühe noch an sich zu halten vermochte.

      »O ich glaub' es schon! – Warum auch nicht? – Ihr seid gewiß ein sehr fürsorglicher Wirt, Herr Graf, – gegen Eure zufällig irrtümliche Gefangene.«

      Sie brachte das abgerissen und stoßweise hervor, während ihre Brust sich in großer Erregung hob und senkte.

      »Ich kenne meine Pflichten als Burgherr, Domina!« sprach der Graf.

      »Gewiß! gewiß!« versetzte sie mit brennenden Wangen. »Und sie soll schön sein, Eure junge Gräfin, sagt mir der Stiftsschreiber. – Ihr habt es ja selber gesagt, habt ja selber gemeint, auf Eurem Felsen hätte noch keine solche – solche Lilie geblüht! Nun, ich wünsche Euch Glück dazu, Herr Graf von Regenstein!«

      Da sprang Graf Albrecht zornfunkelnd auf, stieß den Sessel zurück und rief mit seiner vollen Stimme, daß es hallte und schallte: »Domina! vergeßt nicht, mit wem und von wem Ihr redet! Was kümmert Euch mein Tun und Lassen? Bin ich ein Chorknabe, den Ihr abkanzeln könnt, weil er falsch gesungen hat? Ich bin hierher gekommen, nicht um mich zu entschuldigen, sondern um Euch zu erklären, daß und warum Ihr die Gräfin von Falkenstein nicht als Eure Konventualin sehen werdet. Übrigens bin ich Herr auf meiner Burg und Herr im Gau, und wen ich gefangen halten will, den halt' ich trotz Bischof und Euch! Mit einem Worte könnte ich Euren Verdacht entwaffnen, wenn ich mir die Mühe geben wollte, Euch dieses Wort zu sagen!«

      Er wandte sich ab und schritt im Zimmer heftig auf und nieder.

      Die Äbtissin war vor dem Zornausfall, vor der donnernden Stimme und den sprühenden Augen des gewaltigen Mannes erschrocken zurückgewichen. Bleich und zitternd stand sie gegen einen Tisch gelehnt, sich mit der Hand darauf stützend. Und doch erfüllte sie diese losbrechende, sie erschütternde und bändigende Kraft trotz ihrem Schreck mit einer Lust, einer heimlichen Wonne, die ihre ganze Seele in Leidenschaft erglühen machte.

      »Sprecht das Wort, Graf Albrecht!« sagte sie leise.

      »Es ist ein Geheimnis,« sprach er nun ruhiger, »es ist nur ein heißer Wunsch meines Herzens, aber ich will ihn Euch entdecken, Domina! Ihr werdet mein Vertrauen nicht mißbrauchen.«

      Er trat der in höchster Spannung Lauschenden näher, blickte ihr tief in die Augen und sagte: »Ich hege die stille Hoffnung, Domina, daß Gräfin Oda meines Bruders Siegfried Frau wird.«

      »Ah!! –« machte Jutta, aber der helle Ton sprang aus Herzensgrunde, und ein glückseliges Lächeln flog über ihr Antlitz.

      Sie suchte sich jedoch zu fassen, um dem Grafen den eigentlichen Grund erst ihrer Sorge und nun ihrer großen Freude soviel wie jetzt noch möglich zu verbergen. Er mußte gemerkt haben, daß es nichts anderes als Eifersucht gewesen war, was sie zu so scharfem Spotte hingerissen hatte. Aber Graf Albrecht, sagte sie sich, war so großmütig, zu tun, als hätte er das nicht gemerkt. Oder war es ihm schon nichts Neues mehr? hatte er sie schon früher, schon längst durchschaut? Unmöglich war das nicht; sie war in seiner Gegenwart nicht immer ganz Herr ihrer Sinne, und das heiße, verlangende Herz hatte sich wohl schon öfter zu wenig verschleiert auf die vorschnellen Lippen und in die großen, glühenden, verräterischen Augen gewagt.

      Aber wenn er es wußte, was sie nicht hehlen konnte, warum benutzte er es denn nicht? Beglückte es ihn nicht, schmeichelte es ihm nicht, geliebt zu werden von einem Weibe wie Jutta? Sie konnte sich in ihrer eigenen stolzen Schönheit dem blühenden Helden an die Seite stellen, und sie waren ein Paar Sterbliche wie Siegfried der Drachentöter und Brunhild von Isenland.

      Nach dem eben Vorgefallenen wollte sie wenigstens den äußeren Schein weiblicher Zurückhaltung retten, um nicht offen eingestehen zu müssen, daß sie zu weit gegangen war und sich vergessen hatte. Darum sagte sie, alle Kraft zur Besonnenheit sammelnd: »Verzeiht mir, Graf Albrecht! hätte ich Euren Wunsch und Eure Hoffnung auf eine Verbindung der Gräfin Oda mit Eurem Bruder gekannt, so würde ich Eure Maßnahmen von vornherein begriffen und gebilligt haben; aber die Gräfin war mir als Konventualin des Stiftes angemeldet, sie stand also unter meinem verantwortlichen Schutz, darum mußte ich als Äbtissin ihren Eintritt hier erwarten und fordern. Das liegt nun anders, und wir werden uns darüber verständigen.«

      »Wenn Ihr Brüder hättet wie ich, Domina, oder wenn Ihr meinen Siegfried kenntet,« erwiderte der Graf, –

      O ich kenne ihn ja!« fiel die Äbtissin ein, indem sie sich wieder setzte und auch den Grafen dazu einlud.

      »Ihr habt ihn ein paarmal gesehen, aber Ihr kennt ihn nicht,« sagte der Graf, »kennt ihn nicht wie ich, der ich ihm soviel Glück und Freuden auf sein blondes Haupt und in sein braves Herz hinein wünsche, wie – wie ich mir selber nicht bereiten konnte und vielleicht niemals kann. Ihr wißt es ja; in den letzten Jahren meines lieben Vaters – Gott hab' ihn selig! – lag das Regiment der Grafschaft mehr auf meinen Schultern als auf seinen. Bald hierhin, bald dorthin schickte er mich mit gewichtigen Aufträgen, zu Verhandlungen und Beratungen; meine sorglose Jugend wurde mir arg verkürzt, denn ich hatte den Kopf so voll von schweren Dingen, daß das Herz niemals zum Mitsprechen, geschweige denn zu seinem Rechte kam. Und seit ich selber Herr im Lande bin, liegt auf mir, dem Ältesten von uns sechst Regensteinern, allein alle Sorge und Mühe für Erhaltung des Errungenen. Wann komme ich denn zu Rast und Ruhe? Aus einem Kampf werde ich in den anderen getrieben, muß wachen und umschauen wie ein Türmer auf der Warte, überall Fährnis und Feinde, immer im Harnisch, immer im Sattel, immer meiner Haut mich wehrend muß ich für alle denken, für alle handeln, bald mit dem Worte, bald mit dem Schwerte dazwischen schlagen, kurz alles, nur nicht ruhen und träumen. Und doch möcht' ich es nicht anders, so lieb' ich das Leben! ein Reiter und Ritter will ich sein, anderen helfen, wo ich kann, und wo ich Fuß fasse, fest meinen Mann stehen! Begreift Ihr es nun, daß ich Gnade oder Ungnade wage, um meinen Bruder glücklich zu machen?«

      Sie hatte keinen Blick von ihm gewandt, mit durstigem Ohre jedes Wort ihm vom Munde getrunken, und eine friedliche, fröhliche Stimmung kam über sie. Das also war der Schlüssel seines Schweigens, seines Zauderns, – er hatte keine Zeit zum Lieben. Ihr schien, als hätte er ihr das alles recht absichtlich gesagt wie zum Troste, wie mit der ungesprochenen Bitte, Geduld mit ihm zu haben. Das wollte sie nun auch, wollte nie wieder heftig und begehrlich auf ihn einstürmen, sondern mit doppelter Rücksicht, mit hundertfacher Freundlichkeit ihm seines harten Lebens Lasten und Unruhe vergelten und versüßen, so oft er zu ihr käme, – sorgte und mühte er sich als ihr Schutzvogt doch auch für sie – und wollte in stiller, geduldiger Liebe treu an ihm hängen, bis bessere, freiere Tage ihm erlaubten, auch an sein eigenes Glück zu denken.

      Sie schwieg nach seiner Rede eine Weile still, hatte auf seine letzte Frage nur leise mit dem Kopfe genickt und sah ihn nun mit einem dankbaren Blicke an, weil er ihr einmal ein Stück von seinem Innern enthüllt hatte.

      Endlich frug sie mit aufrichtiger Teilnahme: »Geht Eure Hoffnung einer baldigen Erfüllung entgegen?«

      Der Graf zuckte die Achseln. »Das ist es, was mich sorgen läßt,« erwiderte er. »Die junge Gräfin umgibt eine so zarte Scheu und Schüchternheit, eine so rührende Bescheidenheit, daß das liebliche Mädchen sich schon damit alle Herzen gewinnt, aber auch jeden in gebührenden Schranken hält, der sich ihr etwa zu rasch nähern wollte.«

      Schüchternheit, Bescheidenheit, die sich alle Herzen gewinnt. Sagte er das auch wieder mit Absicht zu ihr, der Kühnen, Leidenschaftlichen?

      »Ist denn die Gräfin wirklich so ausnehmend schön, wie mir Florencius berichtet?« frug sie mit gekräuselten Lippen.

      »Kaum möchte ich sie wirklich schön nennen, die bleiche Lilie,« erwiderte lächelnd Graf Albrecht, »aber ein süßer, holdseliger Liebreiz, eine unaussprechliche Anmut ist über sie ausgegossen wie Morgentau und Blütenschmelz; ihr Gang und jede Bewegung ihrer schlangen Glieder, ihre Stimme und ihrer blauen Augen klarer, inniger Blick hat etwas zur stillen Anbetung Zwingendes.«

      Jutta hörte diese Beschreibung mit wachsender Unlust. Der böse Geist, der vorhin so wild in ihr getobt hatte und kaum zur Ruhe beschworen war, klopfte schon wieder vernehmlich an die Pforte ihres Herzens. So schildert doch nur einer

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