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sind?«

      »Die volle Liebe meines Bruders zur Gräfin Oda ist mir außer allem Zweifel,« entgegnete er, »und Siegfried ist unermüdlich, sie ihr ohne Worte zu gestehen und zu beweisen durch ritterlichen Minnedienst in Zucht und Ehren. Aber noch habe ich kein Zeichen von ihrer Liebe zu ihm bemerkt.«

      »So liebt sie einen anderen?!«

      Jutta stieß die Frage rasch und heftig heraus und blickte dem Grafen forschend ins Gesicht.

      »Ich weiß es nicht, Domina,« sagte der Graf, »und ich hoffe es nicht,« fügte er ernst hinzu.

      »Sie ist Eure Gefangene, Graf Albrecht!« sprach die Äbtissin. »Werdet Ihr sie zwingen, Eures Bruders Gemahl zu werden, auch wenn sie – auch wenn Ihr merkt, daß sie einen andern liebt?«

      »Domina! wie könnt Ihr so fragen!« erwiderte der Graf. »Das liebe holde Mädchen gegen ihren Willen, gegen ihres Herzens reine Neigung zwingen? niemals! Aber bedenket: echte Liebe sitzt tief verborgen wie Gold im Schachte und wächst langsam wie Kernholz, wenn sie fest werden und aushalten soll fürs lange Leben.«

      »Woher wißt Ihr denn das?« frug sie erstaunt.

      Albrecht schwieg, betroffen von dieser Frage, erschrocken von seinen eigenen Worten.

      »Graf Albrecht! – gebt mir die Gräfin! bei mir ist sie so sicher wie bei Euch.«

      Jutta hatte das wieder in einem so überstürzten, gebieterischen Tone gesagt und ihn dabei mit einem so eigenen, halb ängstlichen, halb drohenden Blicke angesehen, daß es ihn mißtrauisch gegen ihre Absichten machte.

      Er schüttelte langsam das Haupt und sagte bedächtig und bestimmt: »Nein, gnädige Frau!«

      »Ich will sie halten und hegen wie eine, die bestimmt ist, Eures Bruders Gemahl zu werden,« sprach Jutta. »Ich will sie vor allen bevorzugen und ihr jeden Wunsch erfüllen. Kommt mit Eurem Bruder herüber, so oft Ihr wollt; Ihr sollt mir jeden Tag, jede Stunde willkommen sein, und Siegfried soll Oda ohne Zeugen sehen können. Sie sollen frei und vertraut miteinander reden, wie wir hier, Graf Albrecht, und kein Merker soll lauschen, was von Mund zu Mund, von Herzen zu Herzen geht.«

      Der Graf schüttelte das Haupt und schwieg.

      »Damit wäre der Wille des Grafen Hoyer erfüllt, und Ihr könntet in Frieden und Freundschaft über das Weitere mit ihm verhandeln, wenn Euer Bruder hier um sie würbe, sie hier vom Schlosse aus als sein Weib heimführte,« fuhr Jutta immer dringender fort. »Auch dem Bischof wäre jeder Vorwand genommen, Euch zu drohen, und was ich kann und vermag, Graf Albrecht, daß die Grafschaft nicht sein wird, sondern als Odas Ehesteuer Eurem edlen Hause zufällt, das soll geschehen; mein fürstliches Wort und Ansehen will ich beim Grafen und beim Bischof dafür einlegen, ja beim Kaiser und auf dem Reichstage dafür in die Schranken treten.«

      Juttas Wangen röteten sich höher im Eifer des Sprechens, ihr Atem flog wieder, und in ihrer Stimme zitterte eine zunehmende Erregung.

      »Ich danke Euch, Domina!« erwiderte der Graf, »aber Eure Mühe wäre umsonst; der Streit muß mit Schwert und Lanze ausgefochten werden, und ich hoffe damit schneller und sicherer zum Ziele zu kommen.«

      Jutta sah ihn unwillig an und schien eine Wallung des Zornes niederzukämpfen. Sie nagte an der Lippe und sann und suchte ungeduldig nach Worten.

      »Bedenket noch eins, Herr Graf!« sprach sie, nun doch wieder in Heftigkeit und Bitterkeit verfallend. »Ist es schicklich, daß die Jungfrau allein unter Euch Männern auf dem Regenstein weilt? Hier bei uns Frauen ist die Stätte für ein verstoßenes, sittsames, hochgeborenes Fräulein. was könnt Ihr dagegen sagen?«

      »Sie hat ihre Gürtelmagd bei sich,« versetzte Albrecht.

      »Ihre Gürtelmagd! wirklich! o welch starker Ehrenwächter!« spottete Jutta. Und das genügt dem edlen Fräulein? dabei beruhigt sich die zarte Schüchternheit, die rührende Bescheidenheit? Ja, das ist wirklich rührend! Aber ich hätte einer Gräfin von Falkenstein mehr Zucht und Sitte zugetraut, als daß sie, statt unter ihresgleichen zu sein, lieber bei unvermählten Rittern auf einsamer Burg bleibt, von Reisigen und Knechten beschützt, beschützt – ich weiß nicht wovor, gegen Raub und Überfall oder gegen unerwünschte Störung.«

      »Wer sagt Euch, Domina,« brauste der Graf, sich erhebend, »daß sie lieber bei dem Ritter auf der einsamen Burg bleibt, der sich ihretwegen Feinde und Fehden auf den Hals zieht?«

      »Nicht? nicht lieber?« rief Jutta gleichfalls aufstehend. »Ah! – so haltet Ihr sie mit Gewalt, Herr Graf? und immer nur aus Mitleid? immer nur aus Liebe zu dem Bruder, nur zu dem Bruder, daß er die reiche Braut gewinne? o wie neide ich dem Bruder einen so bereitwilligen Helfer und Mundwalt! – Rollt nicht die Augen, Ihr könnt mir wenig erwidern. Meine Gründe sind erschöpft, und Ihr, Ihr habt keine, wenigstens keinen der Stich hält. Darum sage ich: gebt mir die Gräfin! laßt hier Euren Bruder, für den allein Ihr sie ja so fest und sicher bewahrt, in Ehren um sie werben, und wenn Ihr das nicht wollt, so laßt mich davon denken, was ich will!«

      Graf Albrecht biß die Zähne zusammen, und über sein Gesicht fuhr es wie Wetterleuchten. »Meinetwegen denkt, was Ihr wollt,« sprach er barsch, »ich tue, was ich will, und wenn Euch das nicht gefällt, Domina, – so kann ich Euch nicht helfen. Die Gräfin Oda bekommt Ihr nicht! und damit gehabt Euch wohl, bis Ihr wieder besserer Laune seid.«

      Klirrenden Schrittes ging er ab, schwang sich im Schloßhofe aufs Pferd und ritt nach Burg Gersdorf.

      Zwölftes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem Wege nach Gersdorf klang die Unterredung, die der Graf eben mit der Äbtissin gehabt hatte, mächtig in ihm nach. Immer noch hörte er Juttas heftige Rede: »Gebt mir die Gräfin, Ihr habt keinen Grund, sie zu halten!«

      Keinen Grund? Hatte er denn der danach Verlangenden nicht Gründe genug angegeben? hatte er ihr nicht gesagt, daß er Oda auf dem Regenstein für sicherer aufgehoben hielte, als irgend anderswo? Freilich, wenn erst die Fehden mit dem Bischof und den Blankenburgern ausgebrochen waren, so gab es keinen ungünstigeren Aufenthalt für die Gräfin als diesen. Mit Sorge dachte er daran, das liebe Mädchen den Wechselfällen und Schrecken des Krieges preisgeben zu müssen. Dem war sie allerdings auf dem Schlosse zu Quedlinburg nicht ausgesetzt; nirgends konnte sie dann besser geborgen sein, als unter der gefriedeten Obhut der Fürst-Äbtissin, die ja versprochen hatte, sie in ihren Schutz zu nehmen, und was Jutta versprach, das hielt sie.

      Aber Siegfried! was würde der sagen, wenn er die Geliebte missen sollte? Jutta hatte gut reden; aber so ungestört wie da oben auf dem durch seine steile Höhe weltentrückten Felseneiland des Regensteins oder unten in den bergenden Einsamkeiten des verschwiegenen Waldes konnten die beiden nimmer auf dem Quedlinburger Schlosse verkehren unter den beobachtenden Augen der Äbtissin und der übrigen Kapitularinnen. Wie sollten da ihre Herzen sich finden und den Bund schließen, den Albrecht so dringend wünschte!

      Und er selber! auch ihm würde es nicht leicht werden, sich von Oda zu trennen. Ihre Anwesenheit wirkte auf alle Bewohner der weiten Burg wie ein fortdauerndes, von Tag zu Tage sich erneuendes Wunder, und sie wußten nicht, hatte der Frühling als seine schönste Gabe sie, oder hatte sie den Frühling mitgebracht, der ihnen nach der Winters absperrender Einsamkeit und Öde noch niemals so sonnig, so blütenreich und duftig erschienen war wie dieses Mal. Seit dem vor einer Reihe von Jahren erfolgten Abscheiden der Gräfin Mutter hatte keine Frau vornehmer Geburt auf dem Regenstein geweilt und Mann und Magd zur Rücksichten gezwungen, die ein unvermählter, ritterlicher Kriegsmann wie Graf Albrecht von den Seinigen nicht verlangte. Er war zufrieden, wenn sie in Burg und Feld ihre Schuldigkeit taten und seinen Befehlen gehorchten; im übrigen ließ er ihnen jede Lust und jede Freiheit.

      Nun aber stieg eine edle Jungfrau, die Gefangene genannt und als Herrin gehalten wurde, die Treppen herab und herauf, wandelte auf dem Empor des Felsens, daß sich, von unten gesehen, ihre schlanke Gestalt am blauen Himmel zeichnete, schritt schwebenden Ganges

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