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bezeugte ihr geharnischter Mann, der Roland auf dem Markte, der ihnen auch die bisher vom Grafen immer noch versagte Hegung des Blutbannes verhieß. Hier hätten Kaiser gewohnt und Reichstage gehalten, die Heinriche, die Ottonen, Barbarossa und Philipp von Schwaben, und nun sollten sie sich von einem Raubgrafen schuriegeln und brandschatzen lassen? Nimmermehr! Das müßte ein Ende nehmen. Sie stünden ihrer Nachbarin Halberstadt in nichts nach, und die wäre glücklich und zufrieden unter dem Krummstab ihres klugen Bischofs. Auch die Stadt Aschersleben führten sie als Beispiel an, die erst ganz kürzlich, allerdings durch eine kleine Überrumpelung, bischöflich geworden, aber auch sofort mit wichtigen Privilegien ihres neuen Herren begnadet worden wäre. Sie wollten gern, soweit es sich mit städtischer Freiheit vertrüge, ihrer gnädigen Frau hold und untertänig bleiben, wie sie geschworen, aber vor der Schutzvogtei des Regensteiners wollten sie sich fürderhin wohl bedanken.

      So klang es aus den Reden der Kauf- und Geschlechterherren auf der Ratsbank, und dabei schielten sie alle nach der Lauenburg, denn alle wünschten, daß die Stadt eine ritterliche Burg besäße oder auch nur zu Lehen trüge.

      Glücklicherweise hatte der Bürgermeister Einsicht und Einfluß genug, um die erregte Versammlung von übereilten Beschlüssen und waghalsigen Schritten zurückzuhalten. Er erinnerte die Hitzköpfe im Kollegium daran, daß die Lauenburg Eigentum des Stiftes wäre, daß man sie also nicht wider Willen und Erlaubnis ihrer Lehensherrin stürmen und besetzen könnte, ohne sich desselben Frevels schuldig zu machen wie der Graf von Regenstein.

      Darauf wurde denn der vorsichtige Beschluß gefaßt, die gnädige Frau um die Erlaubnis zur Erstürmung der Burg anzugehen, den Bischof von Halberstadt um einen namhaften Zuzug von reisigem Volk zu Fuß und zu Roß zu ersuchen, sich überhaupt nach städtischen und ritterlichen Bundesgenossen umzutun und erst, wenn dies alles geordnet und geglückt wäre, dem Grafen Albrecht den Handschuh hinzuwerfen.

      Damit schloß die Sitzung, die zwar eine geheime gewesen war, deren Gegenstand und Ergebnis man aber mit Absicht unter der Bürgerschaft verbreitete.

      Die ganze Stadt geriet darüber in Aufregung; die Friedliebenden erschraken, die Mutigen, Ehrgeizigen, für Freiheit Schwärmenden frohlockten und hätten am liebsten gleich zu Spieß und Kolben gegriffen, um die Lauenburg zu stürmen. Es dem Raubgrafen einzutränken, sich am Raubgrafen für jede zugefügte Unbill, jedes weggetriebene Stück Vieh, jede auferlegte Buße und all seine eiserne Strenge zu rächen, seine Burgen zu brechen, ihm die Tore der Stadt für ewige Zeiten zu verschließen, war ihr aller Wunsch und brennendes Verlangen. Der Name des Raubgrafen klang auf allen Gassen mit einer Schadenfreude, als hätten sie den Feind schon gehangen, ehe sie ihn hatten.

      Den nächsten Tag hielten die Gilden Morgensprache und einigten sich darüber, dem Rate Wehr und Waffen, Gut und Blut ihrer Werkbrüder zur Verfügung zu stellen und ihn zur schleunigen Eröffnung der Feindseligkeiten aufzufordern.

      Das hatten die hochedeln, wohlweisen Herren auf dem Rathause gerade gewollt. Nun, unter dem Drucke des einmütigen Willens ihrer Bürgerschaft, konnten sie zur Äbtissin gehen, ihr die allgemein geforderte Lossagung der Stadt vom Grafen Albrecht als Schirmvogt anzuzeigen und ihre Zustimmung zur Einnahme der Lauenburg erbitten. Daß sie ihr auch die gefangene Konventualin, Graf Albrecht von Falkenstein, von dem felsenhohen Regenstein herunterholen und aufs Schloß bringen sollten, hatten ihnen die Vertrauten des Stiftshauptmanns freilich noch nicht gesagt.

      Herr Willekin von Herrkestorf ließ sich in diesen zwei Tagen auf dem Schlosse nicht sehen, aber die Pröpstin Kunigunde von Woldenberg wußte in Erfahrung zu bringen, was sich unten in der Stadt zutrug, und ermangelte nicht, er Äbtissin diese Vorgänge in den lebhaftesten Farben zu schildern. Die letztere hatte sich anfänglich gesträubt, eine ihrer Dignitarien zu empfangen, allein die Pröpstin hatte sich mit anerkennenswerter Beharrlichkeit von den wiederholten Abweisungen der Domina nicht abschrecken lassen und war endlich zu ihr gedrungen, angeblich, um ihr in der schwierigen Lage mit Trost und Rat zur Seite zu stehen, in Wahrheit aber, um ihre Stimmung zu erforschen und sie gegen den Grafen aufzuhetzen.

      Jutta hatte schwache Stunden, in denen ihr Groll auf Albrecht in eine trübsinnige Schwermut, ja in eine dann und wann schon wieder aufsteigende Sehnsucht nach ihm zu versinken drohte. Da mußte, um die Glut des Zornes nicht verlöschen zu lassen, ein wenig nachgelegt und geschürt werden, und auf dieses Geschäft verstand sich die Pröpstin. Ihr Trost bestand darin, daß sie scheinbar den Grafen zu entschuldigen suchte, aber sie tat dies in einer Weise, die die Äbtissin nur noch empfindlicher an die ihr zugefügte Kränkung erinnerte. Daran knüpfte sie erst sanftere, dann schärfere Rügen, die in dem Vorwurf gipfelten: »Warum seid Ihr nicht meinem Rat gefolgt?!«

      Darauf hatte Jutta nur ein ungeduldiges Achselzucken zur Antwort.

      Weiter hieß es dann: »Ich habe es immer gesagt, Ihr verwöhnt und verzieht den Übermütigen. Er ist Euch über den Kopf gewachsen und nimmt sich Dinge gegen Euch heraus, die ihm nicht zukommen, und die Ihr Euch nicht von ihm gefallen lassen solltet.«

      Und die Scheltende wußte noch nicht einmal, was sich die Gescholtene zuletzt von dem Grafen hatte gefallen lassen müssen.

      »Wer schützt Euch nun vor dem Gewalttätigen?« fuhr Kunigunde fort. »Mit dem Bischof, dem einzigen, der ihm Widerpart halten könnte, habt Ihr es verdorben, weil Ihr nicht zu seiner Konsekration gegangen seid, so sehr ich es Euch auch riet, Euch darum bat. Das habt Ihr nun von Eurer Nachgiebigkeit gegen den Grafen, dem allein zuliebe – o ich habe es wohl gemerkt, wenn Ihr auch jetzt noch so sehr den Kopf schüttelt! – dem allein zuliebe Ihr die Einladung ablehntet, weil ihn der Bischof ein wenig auf den Fuß getreten hatte. Nur um Eures lieben, großen, edlen Grafen willen bliebt Ihr zu Hause; und was ist der Dank? – Daß er tut, was er will und Euch auslacht!«

      Die Äbtissin zuckte jäh zusammen bei diesen Worten, denn sie enthielten eine grausame Wahrheit. Hohnlachend war der Graf von ihr gegangen; er hatte die Lauenburg in seiner Gewalt, und sie das Brandmal seines Kusses auf ihrer Stirn. Sie biß die Lippen aufeinander; stieren Blickes bohrten sich ihre Augen auf den Teppich zu ihren Füßen. Denn sie mußte schweigen zu alledem, was die scharfzüngige Pröpstin ihr schonungslos vorhielt; sie, die Fürstin, mußte sich auszanken lassen wie ein törichtes Kind, und das um seinetwillen, um dessentwillen, mit dem sie es so gut gemeint hatte. O, auch das, auch das sollte er ihr büßen!

      Wenn sie aber wieder lange Stunden allein war und die Dämmerung herabsank, so wollte sie kein Licht haben und saß in Gedanken verloren. Und dann stieg aus dem Dunkel die leuchtende Gestalt, das glänzende Bild Albrechts vor ihrem inneren Blicke auf, daß sie verlangend fast die Arme nach ihm ausstreckte, ihm alles verzieh, ihm alles gönnte und gewährte. Selbst die Erinnerung an seine unerhörte Kühnheit jüngst beim Abschied war ihr dann nicht unlieb. Ein süßer Schauer durchrieselte sie, wenn sie daran dachte, wie sie drei Atemzüge lang an der Brust des geliebten Mannes gelegen und seinen Mund auf ihrer Stirn gefühlt hatte. Aber dahinein klangen wieder schrill sein Hohnlachen beim Fortgehen und rief ihr ins Gedächtnis zurück, daß Siegfried auf der Lauenburg hauste, und daß Oda mit Albrecht allein auf dem Regenstein war, und da die beiden vielleicht Arm in Arm die Einsame hier auf dem Schloß zu Quedlinburg verlachten. Dann kamen Grimm und Groll zurück und umpanzerten ihr die Brust gegen die Schwachheit weicher Gefühle.

      Aber Kunigunde sorgte schon dafür, daß die Äbtissin nicht zuviel allein war, und mehr als einmal wiederholte sich in den paar Tagen derselbe Auftritt. Die Pröpstin sang ihr Lied in demselben Takte und nach derselben Melodie immer wieder von vorne, und ihr verschrumpftes Gesicht drückte dabei mit großer Beweglichkeit der Mienen ihre Unzufriedenheit mit der tadelnswerten Domina und den höchsten Grad der Entrüstung über den Grafen Albrecht aus. Sie schloß ihren Sermon stets mit der Mahnung, daß die Äbtissin sich selber, dem Kapitel und dem Stifte die strenge Aufrechterhaltung ihrer Hoheitsrechte schuldig sei und diese ihrer einstigen Nachfolgerin ebenso unversehrt überliefern müsse, wie sie ihr von ihren Vorgängerinnen überkommen seien.

      Gerade zur Stunde einer solchen Heimsuchung aber war es, als Herr Willekin von Herrkestorf sich bei der Äbtissin melden ließ und von ihr für den ersten Bürgermeister und zwei Ratsherren der Stadt, die schon in der Vorhalle ihres Empfanges harrten, eine Audienz erbat.

      Die Äbtissin winkte dem Stiftshauptmann

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