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sicheres Geleit dazu ersuchen lassen wie auch um die Erlaubnis gebeten, seinen Bruder sprechen zu dürfen. Beides wäre ihm verweigert mit dem Bedeuten, daß man sich auf keinerlei Verhandlungen einlassen könnte, weil sich der Rat über sein Verfahren gegen den Gefangenen noch nicht schlüssig gemacht hätte. »Aus der in der Bürgerschaft obwaltenden Stimmung zu schließen,« fügte Bernhard hinzu, »schwebt Albrechts Leib und Leben in der höchsten Gefahr, und ich bin gekommen, gnädigste Domina, Euch inständigst um Eure Vermittlung und Hilfe zu bitten.«

      »Alles, alles, was ich vermag, Herr Graf!« erwiderte die Äbtissin in großer Bestürzung über die sehr trübe lautende Nachricht, die Oda in eine unbeschreibliche Angst versetzte. Dann warf die Äbtissin das Haupt zurück und frug: »Aber wo sind denn Eure Verbündeten, Herr Graf? Wenn Ihr Eure Streitkräfte wieder sammeltet und sie mit denen der Grafen von Mansfeld, Stolberg, Hohnstein vereinigtet, –«

      »Die Fehde mit Quedlinburg ist aus,« unterbrach er sie. »Ich habe den Freunden sagen lassen, sie sollten heimziehen, denn beim ersten Sturmlauf würden wir meines Bruders abgeschlagenes Haupt auf den Mauern erblicken.«

      Die Damen erblaßten. Oda fühlte, wie sie wankte.

      »Laßt mich nur erst mit Bürgermeister und Rat verhandeln,« sagte die Äbtissin; »mir müssen sie Rede stehen. Dann sollt Ihr von mir hören, Herr Graf. Sind Eure drei Brüder, die hier mit gekämpft haben, unversehrt geblieben?«

      »Meine drei Brüder?« wiederholte Bernhard erstaunt. »Wie, gnädige Frau, so wißt Ihr nicht –?«

      »Was?«

      »Daß nur noch zwei von ihnen leben. Siegfried ist gefallen.« Er sprach es mit einem dumpfen und bitteren Tone, und vielleicht ungewollt und unbewußt streifte er dabei mit einem finsteren Blicke Oda, die sich schaudernd davon getroffen fühlte.

      Mit eisiger Gewalt packte sie in diesem Augenblick die Erinnerung an Siegfrieds Abschied. »Wir sehen uns nicht wieder,« hatte er gesagt. Hatte er geahnt, daß es ein Abschied auf ewig wäre? oder hatte er es gar – gewollt?! – o der Gedanke war nicht auszudenken... Aber so heftig war sie davon erschüttert, daß sie alle Fassung verlor und, das Gesicht mit ihrem Tuche verhüllend, in heiße Tränen ausbrach.

      Auch die anderen beiden waren tief bewegt und sahen mit dem Ausdruck herzlichen Mitleids auf Oda. »Siegfried tot!« sprach die Äbtissin leise, »in all seiner Kraft und blühenden Jugend! Erzählt uns: wie ist er gefallen?«

      Bernhard berichtete: »Albrecht hatte ihn der feindlichen Reiterei entgegen in den Hohlweg der Weinberge geschickt mit dem strengen Befehl, sich dort bis auf den letzten Mann zu halten und keinen Feind hindurchzulassen. Siegfried hat den Befehl wörtlich befolgt; aber es war auch ein Ritt, von dem wiederzukehren niemand hoffen durfte.«

      »Und solchen Befehl konnte der Bruder dem Bruder geben?« sagte die Äbtissin.

      »Ich war nicht zugegen, als es geschah,« erwiderte Bernhard.

      Die Äbtissin sah den Graf scharf forschend an; dann sprach ihr Blick, wie einem schnellen Gedankengange folgend, mit einem eigentümlich strengen Ausdruck zu Oda hinüber. – »Wann wollt Ihr ihn zur Ruhe bringen?« frug sie endlich.

      »Übermorgen mittag wollen wir ihn in Kloster Michaelstein bestatten und seinen Schild und Helm vergraben,« antwortete Bernhard.

      »Wir werden dabei sein, wir drei,« sprach die Äbtissin, »nicht wahr?«

      »Gewiß!« sagte Adelheid.

      Oda nickte stumm.

      Bernhard dankte den Damen und nahm Urlaub.

      Darauf sagte die Äbtissin zu Adelheid und Oda: »Laßt mich allein; ich muß mir mein Verhalten gegen den Rat überlegen.«

      Die beiden gingen, und Jutta blieb, von einer tiefen Unruhe erfaßt, allein. Bernhards kurzer Bericht über Siegfrieds Tod hatte ihr einen Eindruck hinterlassen, von dem sie sich in einer völligen Verwirrung der Gedanken nicht freimachen konnte. Ein fürchterlicher Verdacht war wie ein einschlagender Blitz vor ihr niedergefahren, aber sie hatte ihn mit einer wahren Angst von sich abgewehrt, weil er einen, den sie liebte, mit einer grausigen Schuld belud. Dennoch war ihr, als stünde sie vor einer unglückseligen Verknüpfung von Menschenlosen, die sie vergeblich zu einer natürlichen, vorwurfsfreien Klarheit aufzulösen suchte. Wie gläubig sie sich auf dem unerforschlichen Walten der Vorsehung oder des Schicksals beugte, und eine wie große Macht sie auch dem unberechenbaren Zufall einzuräumen bereit war, der gegen Wunsch und Willen der Menschen sein tückisches Spiel mit ihnen treibt, immer blieb doch die Tatsache in Wirklichkeit bestehen: durch Siegfrieds Tod war Odas Hand frei geworden. Sollte – um diese Hand für sich selber frei zu machen, der Bruder den Bruder – –? nein! nein! nein! fort! fort mit diesem gräßlichen Gedanken.

      Wenn aber nun etwas Wahres an dem war, was sie in früheren Tagen geargwöhnt und geglaubt hatte, wenn zwischen Albrecht und Oda eine gegenseitige heimliche Neigung bestand, was hinderte dann die beiden noch, diese Schicksalsfügung oder diesen traurigen Zufall zu benutzen und den Bund fürs Leben zu schließen? Und wenn sie Albrecht aus dem Kerker befreite, tat sie es dann für sich oder für Oda? Er war durch kein Versprechen an sie gebunden; sie wußte nicht, ob seine Liebe zu ihr stark genug war, um auch ohne ein solches an ihr festzuhalten, und ebensowenig wußte sie, ob nicht Oda ihn liebte und darauf bedacht war, statt des jüngsten nun den ältesten der Regensteiner an sich zu fesseln. Sie beschloß, das Herz ihrer nunmehrigen Konventualin daraufhin zu prüfen, und ersann Gelegenheit und Plan, die zwar lieblos und grausam, aber ganz dazu angetan waren, ihr darüber Gewißheit zu verschaffen.

      Für Albrechts Befreiung wollte sie alle Hebel in Bewegung setzen, auch jedes Opfer, ihre Ansprüche auf ihn selber ausgenommen, dafür bringen, aber auch dieselbe, wenn sie glückte, womöglich so gestalten oder wenigstens in seinen Augen so erscheinen zu lassen, als wenn er sie einzig und allein ihren Anstrengungen zu danken hätte.

      Mit Ungeduld erwartete sie den Besuch des Bürgermeisters, den sie durch den Stiftshauptmann hatte zu sich bescheiden lassen. Erst am zweiten Tag kam er in Begleitung des Ratsherrn Werner Scheerenschmid. Auf die Frage der Äbtissin, unter welchen Bedingungen sie den Graf Albrecht freigeben würden, antwortete der Bürgermeister mit Festigkeit: »Unter keinen Bedingungen, gnädige Fürstin! Der größte Teil der Bürgerschaft und auch viele von den Ratsherren fordern den Tod des Grafen. Die übrigen aber die ihm das Leben lassen wollen, verlangen wenigstens, daß er in ewiger Gefangenschaft bleibe, damit die Stadt in Zukunft Ruhe vor ihm hat.«

      Die Äbtissin war empört; aber sie bezwang sich und sagte: »Wenn Ihr ihn nun Urfehde schwören ließet?«

      Herr Nikolaus von Bekheim schüttelte das Haupt. »Solche Schwüre sind schon gebrochen worden, gnädige Frau. Wenn wir den Grafen am Leben lassen, so müssen wir ihn auch in Haft behalten, um eine Geisel gegen seine Brüder und Verbündeten in Händen zu haben, denn mit seinem Kopfe muß er uns für den Frieden bürgen.«

      »Könnte ich nicht zwischen Euch und ihm einen Frieden aufrichten und die Sache vergleichen?« frug die Äbtissin in ängstlicher Spannung.

      Wir haben die Entscheidung über Leben und Tod des Grafen bereits in andere Hände gelegt,« erwiderte der Bürgermeister. »Das Gericht unter dem hohen Baume wird darüber das Urteil finden.«

      »Das Gericht unter dem hohen Baume? nimmermehr!« rief die Äbtissin. »Was fällt Euch ein? wie könnt Ihr es wagen, von dem Gericht unter dem hohen Baum zu reden? Darüber habe ich zu bestimmen, nicht Ihr!«

      »Wißt Ihr einen andern Weg, achtbare Fürstin?« frug der Bürgermeister. »Der Stadtschultheiß kann über den Grafen nicht Recht sprechen.«

      »Was Recht! er ist im Recht und Ihr im Unrecht!« wetterte die Äbtissin. »Das Glück hat ihn nur verlassen, und Euer Verrat hat ihn ins Elend gebracht.«

      »Über Recht und Unrecht werden die fürstlichen Schöffen unter dem hohen Baume entscheiden.«

      »Da ist der Stab so gut wie gebrochen über ihn. Aber das wollt Ihr ja!«

      »Ihm wird Gerechtigkeit werden,« sprach der Bürgermeister.

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