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Willekin verstand und sprach darauf noch mehr gereizt: »Dann vergeßt Ihr, hochwürdiger Herr, daß ich nicht bloß Stiftshauptmann, sondern auch altangesessener Bürger meiner Stadt bin. Übrigens plant Ihr ja in Eurem Bunde nichts Ungebührliches gegen meine gnädige Frau, die Äbtissin, in welchem Falle ich allerdings nicht den Boten und Bringer so heimlicher Kunde machen würde.«

      »Ich danke Euch, Herr!« erwiderte der Bischof kühl. »Nimmt der Rat meine Bedingungen strikt an?«

      »Mit den meisten Eurer – Vorschläge ist er einverstanden, wünscht aber eine deutlichere Bestimmung der in gewissen Fällen von Euch zu erwartenden Hilfeleistungen und verlangt einen Austausch bindender Schriftstücke.«

      »Also nochmalige Verhandlung!« murrte der Bischof. »Nun meinetwegen; so sendet mir Eure Bevollmächtigten.«

      »Hierher, nach Halberstadt? Das würde nicht ohne einiges Aufsehen, nicht ohne Wissen desjenigen geschehen können, gegen den unser Schutz- und Trutzbündnis eigentlich gerichtet ist. Der Regensteiner hat überall seine Kundschafter, erst heute, auf dem Ritt hierher, haben sie mich umstellt.»

      »Ihr habt recht; aber wie könnte es anders geschehen?«

      »Schickt uns Eure Schrift durch einen unverdächtigen Boten und empfanget dagegen die unsrige auf demselben Weg und an demselben Tage zurück.«

      »Mag es sein, wie Ihr sagt,« sprach der Bischof nach kurzem Bedenken und erhob sich. »Also, Herr Stiftshauptmann, das Bündnis zwischen mir und der Stadt Quedlinburg ist geschlossen.«

      »So gut wie geschlossen, hochwürdigster Herr!« erwiderte der Stiftshauptmann und schlug in des Bischofs dargebotene Rechte.

      »Überbringt den wohledlen Herren im Rate meinen freundlichen Gruß, Herr Willekin von Herrkestorf,« sagte der Bischof, »und vergeßt nicht, was Ihr Eurer gnädigen Frau von mir bestellen sollt.«

      Dann winkte er dem Gaste, der ihm eine so widerwärtige und eine so willkommene Botschaft gebracht hatte, gnädig Entlassung.

      Als der Stiftshauptmann den bischöflichen Palast mit seinen drückenden Mauern und dumpfigen Wölbungen hinter sich hatte und aus der tiefen Dämmerung des Außentores in den hellen Sonnenschein hinaustrat, wo gegenüber die Türme des wunderherrlichen Domes, noch unvollendet zwar und mit Baugerüsten umgeben, schon hoch und schlank zum blauen Himmel empor ragten, atmete er erleichtert auf. Gedankenvoll, aber nicht unbefriedigt von der Unterredung ging er dahin. Er hatte seinem Gegner, dem Grafen Albrecht, beim Bischofe etwas eingeheizt, brachte seiner gnädigen Äbtissin eine wohlverdiente Rüge für ihren Wankelmut heim, hatte dem Stolze des Bischofs das Selbstbewußtsein des Städters entgegengesetzt und endlich das von beiden Teilen erwünschte Schutzbündnis seinem Abschluß näher geführt. Je mehr er sich diese Erfolge klar machte, je heitere wurden seine Mienen und je schneller auch seine Schritte zur Kurie seines Freundes, des lebenslustigen Domherrn.

      Kaum war der Bischof allein, als der junge Kleriker wieder erschien und auf einen Wink des ersteren einen älteren geistlichen Herrn eintreten ließ, dessen faltiges Gesicht den Ausdruck eines verschlossenen, nachdenklich nach innen gekehrten Wesens trug. Es war der Dompropst Jordan von Donfuß, ein dem Bischof sehr ergebener Prälat, den dieser selbst erst zum Lohn für seine erfolgreiche Tätigkeit bei der Bischofswahl zur obersten Würde im Domkapitel erhoben hatte.

      Der Bischof ging ihm mit dem Ausruf entgegen: »Jordanus, sie kommt nicht!«

      »Wer war es doch, hochwürdiger Herr,« erwiderte der so Begrüßte ruhig, »der Euch das vor sechs oder sieben Tagen schon sagte?«

      »Aber den Grund, warum sie nicht kommt, den wißt Ihr nicht.«

      »Der Dompropst dachte mit gesenkten Wimpern einen Augenblick nach und sagte dann: »Ausflüchte wüßt' ich genug für sie, aber nur einen Grund, und der heißt – Graf Albrecht.«

      »Wie räch' ich mich, Jordanus?« frug der Bischof zornblitzend.

      »An der Äbtissin durch Vergessen, daß sie in der Welt ist; am Grafen –«

      »– durch einen Kampf auf Leben und Tod!« brauste der Bischof.

      »Nein,« entgegnete der Dompropst gelassen, »dazu ist er zu mächtig. Wir müssen ihn in feinen Schlingen fangen, alle seine Schritte kreuzen, alle seine Pläne hemmen und hindern, ihn langsam, Schritt vor Schritt zurückdrängen, bis er klein geworden ist.«

      Der Bischof schüttelte das Haupt: »Das geht mir zu langsam, Propst! ich will ihm rasch Schlag auf Schlag versetzen. Den Kauf von Wegeleben und Schneitlingen schließen wir morgen ab. Dazu ließ ich Euch rufen. Mein Schneitlingen faß' ich Fuß im Schwabengau, und der Wegelebener Bezirk schiebt sich so recht wie ein Keil in das Regenstein'sche Gebiet zwischen Crottorf und Quedlinburg.«

      Der Dompropst nickte still vor sich hin und sagte dann: »Freilich, wenn Ihr es nicht nehmt, so nimmt es Graf Albrecht, wie er Burg Gersdorf genommen hat.«

      »Hat er sie schon?« fuhr der Bischof auf.

      »Wohl möglich, keinesfalls entgeht sie ihm,« erwiderte der Propst.

      »So müssen wir weiter denken, Jordanus! müssen Land und Leute gewinnen, unsere Macht zu mehren,« sprach der Bischof immer heftiger werdend. »Ich will nicht ruhen und rasten, bis ich den Grafen von Regenstein zu meinen Füßen sehe. Er allein ist schuld daß die Äbtissin nicht kommt, und das, Jordanus, soll er mir büßen!«

      »Es ist ein leidiger Fall, des Erzbischofs wegen,« nickte der Propst.

      »Nun freilich! was soll er denken, wenn die Äbtissin von Quedlinburg und die Grafen von Regenstein fehlen?«

      »Und die andern, die Grafen von Mansfeld, Hohnstein, Stolberg –«

      »Haben die auch abgesagt?« frug der Bischof finster.

      »Noch nicht, aber Ihr glaubt doch nicht, daß sie kommen werden, wenn die Regensteiner ausbleiben?«

      Der Bischof stampfte mit dem Fuße. »Und das alles um den einen!« rief er wutbebend. »Aber ich zwing' ihn, ich zwing' ihn, Jordanus!«

      »Dann macht Euch auf einen heißen Kampf gefaßt, hochwürdiger Herr!«

      »Das bin ich, Propst!« erwiderte der Bischof und reckte die schlanke Gestalt mit dem feinen Kopf stolz empor; »es geht um die Herrschaft im Gau. Nur einer kann Herr darin sein, und das will ich sein!«

      »Wenn Ihr der Städte sicher wäret –,« sagte der Propst.

      »Osterwiek ist mir treu, mit Quedlinburg sind wir im reinen, nur unserem lieben Halberstadt ist nicht recht zu trauen,« erwiderte der Bischof nachdenklich, »indessen gegen den Regensteiner wird es mich nicht im Stich lassen.« Dann fügte er mit einer entlassenden Handbewegung hinzu: »Sendet morgen in der Frühe einen Boten mit einem Schreiben an den Fürsten von Anhalt, ich nähme seine Bedingungen an und betrachte mich von Stund an im Besitz von Wegeleben und Schneitlingen.«

      »Es ist wenigstens ein Anfang,« sagte der Propst sich verneigend.

      »Ja,« sprach der Bischof, »der Anfang zum Kampf mit dem Grafen, zum Kampf um die Herrschaft im Gau!« –

      Als der Bischof seinen vorsichtigen Dompropst mit den verhängnisvollen Worten verabschiedete, dachte er nicht, daß der erste Schlag in diesem Kampfe bereits gefallen war, und nicht von einem bischöflichen Schwerte. Aber noch der heutige Tag sollte ihn darüber aufklären.

      Gegen Abend erschreckten den einsam Grübelnden sein Kammerknecht durch die mit verstörter Miene vorgebrachte Meldung: »Hochwürdigster Herr, draußen ist Glefing, der Vogt von Emersleben, und will Euch sprechen; er ist verwundet.«

      Der Bischof schnellte empor, als wäre er in die Ferse gestochen. »Was sagst du?« rief er, »Glefing verwundet? bring' ihn her!« Eine heftige Unruhe erfaßte ihn, und die kurze Spanne Zeit, bis der Angemeldete erschien, dauerte ihm schon zu lange.

      Der Reisige trug den rechten Arm in einer Schlinge und war bleich und matt vom Blutverlust und von der Anstrengung des trotz seiner Verwundung zu Fuß zurückgelegten

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