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Leutfried liegt schwer danieder; wir werden bald einen neuen Burgvogt einsetzen müssen.«

      »Es ist ein wichtiger Platz, Domina! Die Lauenburg verlangt einen sicheren Mann,« bemerkte der Graf.

      »Den ich seinerzeit zu finden hoffe,« gab sie lächelnd zur Antwort und fügte einer Erwiderung ihm zuvorkommend, mit beredtem Blick hinzu: »Habt Geduld wie ich; nicht hinter Eurem Rücken geb ich die Burg in andere Hände.«

      »Dessen getröst' ich mich, Domina! Lebt wohl!«

      »Auf Wiedersehen, Herr Graf!«

      Sie reichte ihm die Hand, und Graf Albrecht ging.

      Die Äbtissin stand mitten im Zimmer und blickte ihm nach. »Die Lauenburg!« lächelte sie und drohte mit dem Finger nach der geschlossenen Tür.

      Der Graf ritt den steilen Weg vom Schloßberg vergnügten Sinnes hinab. Er hatte erreicht, weswegen er gekommen war: die Äbtissin fuhr so wenig zur Inthronisation wie er und seine Brüder. Er lachte sich ins Fäustchen, indem er dachte, wie der Bischof sich fuchsen würde, wenn die Ersten und Mächtigsten im Gau bei seiner Weihe fehlten. Mochten dann die lieben Vettern, die Grafen von Blankenburg, die ja den Regensteinern in allen Dingen das Widerspiel hielten, mitsamt den Wernigerödern sich dort breit machen und dem dünkelhaften Bischof Weihrauch streuen, so viel sie wollten. Ob die anderen Harzgrafen aus dem Schwabengau und Helmgau erscheinen würden, war immerhin sehr zweifelhaft; sicher nicht, wenn ihnen Albrecht eine abratende Botschaft sandte. Der Bischof sollte sich umsehen nach allen denen, die fehlten, und dem Grafen war es gerade recht, wenn jener von Willekin von Herrkestorf erfuhr, wie es nur sein, Albrechts Werk war, daß die Äbtissin von Quedlinburg mit ihren vornehmen Kapitularinnen ausblieb. Dann mochte der geistliche Herr nur an Schwanebeck denken und an seinen langen Krummstab, mit dem er dem Grafen von Regenstein zu drohen gewagt hatte.

      Und was die Lauenburg betraf, die mit ihrem Gebiet teils an den Stadtforst der Quedlinburger, teils an die großen Harzforsten der Blankenburger Vettern grenzte, – nun, die Äbtissin hatte ihm ja versprochen, nicht ohne seinen Rat den neuen Burgvogt zu wählen. Das wäre da oben in den waldumrauschten Bergen so ein Horst für seinen herzlieben Siegfried, den jüngsten, blühendsten, blondesten der sechs Regensteiner Brüder. Und Jutta? Welchen Wunsch würde sie ihm nicht erfüllen? Hatte er doch heute wieder recht deutlich gesehen, wie sehr sie ihm gewogen war. Ja, er war überzeugt, daß die schönheitsstolze, sehnsuchtsdurchglühte Domina ihren reichsunmittelbaren Fürstenthron lieber heute als morgen mit einem andern, weniger einsamen Platze vertauschte, wenn –

      »Ho! ho! ho! Brun! Brun! was ist denn?« sprach der Graf laut zu seinem Braunen und klopfte ihm den kräftigen Hals, um das scheuende Tier zu beruhigen. Es hatte, von einem Steinwurf getroffen, plötzlich ein paar heftige Sprünge gemacht, deren Ursache dem Reiter verborgen blieb, denn der Bube, der den Stein geschleudert hatte, der Sohn eines der vom Grafen gefangen gehaltenen Quedlinburger, hielt sich versteckt.

      »Das kommt davon, wenn man sich mit eitlen Gedanken trägt, statt sein Rößlein am Zügel zu haben,« sagte der Graf im Weiterreiten zu sich selber. »Wenn die das gesehen hätte, an die ich in dem Augenblick dachte!«

      Sie hatte es gesehen, auch den Steinwurf. Die Äbtissin folgte von ihrem Fenster aus dem langsam Dahinreitenden mit den Augen und hatte ihre Freude daran, wie sich die Sonnenstrahlen auf der blanken Eisenhaube des Ritters blitzend spiegelten. Als sie nun das kleine Abenteuer des im Sattel Träumenden gewahrte, rief sie empört: »O diese nichtswürdige Brut! Er hat ganz recht, dies Stadtvolk muß kurz gehalten werden, sonst schlägt es über die Stränge!«

      Bald sah sie, wie der Graf vor dem Zugange zur Gunteckenburg hielt, die zwischen dem Münzenberge und dem Wipertikloster lag. Er ließ sich den Vogt herausrufen und sprach lange mit ihm ohne vom Pferde zu steigen. Dann trabte er dem Kloster zu, und in den Hof desselben einreitend, entschwand er ihren Blicken.

      »Nun geht er doch wieder zu diesen argen ›Kindern unserer Liebe‹, – so pflegte die selige Bertradis die Mönche zu nennen, mit denen sie im steten Kampfe lag – oder will er dem sündhaften Prior nur unser zunehmendes Mißfallen verkünden?« sprach sie zu sich. »Geh nur, Heldenherz! Dir folg ich auf jedem Wege.«

      Im Klosterhofe sprang der Graf aus den Bügeln. Ein Laienbruder nahm ihm das Roß ab und frug: »Soll ich Brun abzäunen, Herr?«

      »Nein,« antwortete der Graf, »ich halte nur kurze Rast, um einen Vespertrunk zu tun und euch die Glatzen zu scheuern. Wo ist der würdige Bavo?«

      »Im – im –«

      »Im Refektorium natürlich!« lachte der Graf, »bei feuchter Abendmette; das konnte ich mir denken.«

      »Herr, morgen ist der Tag des heiligen Eustathius des Standhaften,« sagte der Bruder.

      »Und den müßt ihr ja feiern!« erwiderte Graf Albrecht. »Gut! helfen wir bei den Vigilien Eustathius des Standhaften!«

      Und er trat in das Klostergebäude.

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Pröpstin Kunigunde versetzte das ganze Kapitel darüber in Aufregung, daß die Domina mit den Konventualinnen nicht zur Bischofsweihe wollte. Die älteren Damen waren empört, daß das Stift bei der Feier nicht mit aller Pracht und Würde vertreten sein sollte, die jüngeren jammerten und klagten, daß sie von den glänzenden Feierlichkeiten fern bleiben sollten, und die Domina bekam in diesen Tagen kein freundliches Gesicht zu sehen, mit einer einzigen Ausnahme.

      Diese Ausnahme machte die Kanonissin, die schöne, lebensfrohe Gräfin Adelheid von Hallermund, die das Vertrauen der Äbtissin, wenn auch nicht einen unbedingten Einfluß auf sie besaß. Sie war dem ritterlichen Schirmvogte des Stiftes sehr gewogen und stimmte der Domina vollkommen zu, daß man dem edlen Grafen die Genugtuung schuldig wäre, die Einladung des Bischofs abzulehnen. Nun war Jutta vollends unwiderruflich fest entschlossen und ließ am zweiten Abend dem Stiftshauptmann den Befehl zugehen, mit der Überbringung ihrer Absage an den Bischof nicht länger zu zögern.

      Da mußte er gehorchen, und als am andern Tage die Sonne über die halbe Mittagshöhe hinaus war, befand sich Herr Willekin von Herrkestorf auf dem Wege nach Halberstadt. Neben ihm ritt der Stiftsschreiber Florencius, der um die Gunst gebeten hatte, seinen Vorgesetzten statt eines reisigen Knechtes begleiten zu dürfen.

      Dieser Florencius, ein frischer, klug dreinschauender Gesell aus einem alten, aber herabgekommenen Adelsgeschlechte stammend, hatte geistlich werden sollen, es aber vor lauter losen Streichen nicht einmal bis zu den untersten Weihen gebracht und war, der Studien und Exerzitien überdrüssig, aus der Klosterschule zu Sankt Gallen heimlich entwichen und fahrender Schüler geworden. Als solcher war er vor mehreren Jahren nach Quedlinburg gekommen und hatte unter anderen auch den Stiftshauptmann mit der Bitte um einen Zehrpfennig heimgesucht. Herr Willekin, dem er seine Herkunft und seine Schicksale anvertraute, hatte sich von den mannigfaltigen Kenntnissen und Fähigkeiten des Fahrenden überzeugt und ihm mit Bewilligung der Äbtissin Bertradis ein Amt und eine Wohnung auf dem Schlosse angewiesen.

      Stiftsschreiber hieß Florencius, damit das Ding doch einen Namen hatte, denn obwohl er in der höheren Schreibkunst außerordentlich geübt war und diese auch mit Vorliebe pflegte, so gab es doch im Stifte nicht viel zu schreiben für ihn. Er füllte aber seine müßige Zeit gern damit aus, daß er Köpfe und Anfänge von Urkunden und Briefen auf Vorrat schrieb. Eingangsworte wie z. B. »Wir Jutta, von der Gnade Gottes Äbtissin von Quedlinburg usw.« prangten auf einer ganzen Anzahl von Pergamentblättern mit großen buntfarbig gemalten und goldverzierten Anfangsbuchstaben, von Blumenranken und vielverschlungenen Schnörkeln umgeben. Er war auch der vertraute und verschwiegene Geheimschreiber der Konventualinnen, die ihm alle wohlwollten, weil er, obschon ihm zuweilen der Schalk im Nacken saß, von guten Sitten, gefällig und bescheiden war. Der Stiftshauptmann hatte ihnen seine Abkunft verraten, die er eigentlich verschwiegen wissen und durch einen angenommenen Namen vergessen machen wollte, und so betrachteten ihn die Damen als ihnen ebenbürtig und behandelten ihn mehr wie

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