ТОП просматриваемых книг сайта:
Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
So ganz Unrecht hatten die Bedenklichen nicht, denn Jutta schien zum Herrschen geboren. In ihren Adern rollte das heiße Blut ihres Vaters, und ihre heftige, leidenschaftliche Natur trug ungern die Fesseln eines fremden Willens. Als sie mit der unumschränkten Gewalt im Stifte bekleidet war, trat sie sofort als gebietende Herrscherin auf, die ihren Winken und Befehlen überall Gehorsam zu verschaffen wußte.
Der einzige, bei dem ihr dies nicht immer gelang, war Graf Albrecht von Regenstein. In seiner freimütigen, zuweilen etwas derben Kraft und in seinem hellen, weitschauenden Geiste trat ihr etwas entgegen, das ihr überlegen war, dem sie mit aller Gewalt ihrer fürstlichen Stellung nichts anhaben konnte, und an dem ihre schnell wechselnden Launen machtlos abprallten. Dabei machte auch die äußere Erscheinung des in schöner, fester Männlichkeit erblühten Grafen und sein ritterliches Wesen einen Eindruck auf sie, dem sie auf keinerlei Weise zu wehren versuchte. Vielmehr strebten Herz und Sinne der jungfräulichen Äbtissin mit starken Gefühlen zu dem Helden hin, und ihre Gedanken beschäftigten sich viel mit ihrem noch unvermählten Edelvogte. Anwesend oder abwesend übte er auf ihre Entschließungen einen nicht geringen Einfluß, und auch in dem vorliegenden Falle, angesichts der bischöflichen Einladung, die zweifellos auch ihm zugegangen war, hätte sie gern seine Meinung gehört.
Darum schaute sie beinahe mit Sehnsucht, als könnte ihr Blick den tapferen Grafen herbeiziehen, in das Land hinaus nach Westen, wo sich der Regenstein mit seiner hohen, schroff abstürzenden Felswand klar und scharfkantig am Horizont zeigte.
Zweites Kapitel.
Während die Pröpstin und der Stiftshauptmann sich in vertrautem Gespräch zueinander neigten und die Äbtissin träumerisch in die Ferne blickte, trat eine Kammerjungfrau ein, nahte sich der Fürstin und sprach nach einer halben Kniebeuge leise Worte zu ihr.
Eine freudige Überraschung strahlte aus Juttas Antlitz, und nachdem sich auf einen Wink die Kammerfrau wieder entfernt hatte, rief die Äbtissin schier jubelnd den anderen beiden zu: »Was meint ihr, welche Meldung ich soeben erhielt? – Graf Albrecht von Regenstein ist im Schloßhof vom Pferd gestiegen. Nun bin ich begierig zu hören, ob er nach Halberstadt zum Bischof reiten wird.«
»Da komm' ich schnurstracks her, gnädigste Domina!« klang es augenblicks von der offenen Tür, und auf der Schwelle erschien Graf Albrechts hohe Gestalt, von Kopf zu Fuß im Panzerhemd, das aus lauter kleinen Eisenringen geflochten war, und über welches sich ein kurzer, ärmelloser Waffenrock von dunkelroter Farbe schmiegte.
»Habt Ihr ihm zugesagt oder abgesagt?« frug die Äbtissin dem Eintretenden lebhaft entgegen.
»Keines von beidem war nach der Zwiesprach, die ich mit ihm hatte, noch vonnöten!« erwiderte der Graf.
»Hattet Ihr Streit mit dem Bischof?«
»Man könnte es fast so nennen!« lachte er, indem er auf eine Handbewegung der Äbtissin ihr gegenüber am Tische Platz nahm. »Denkt Euch, Domina, wie mir der Gesalbte des Herrn in die Wolle gegriffen hat! Vor etlichen Monden bietet er mir Burg Schwanebeck zum Tausch gegen Schloß Emersleben, weil jenes allernächst bei Halberstadt und dieses unserem Hause Crottorf bequemer liegt. Ich war es zufrieden, und wir wechseln die Handfesten darüber aus. Wie er mir die seinige schickt, sehe ich nur nach der Unterschrift des Bischofs und werfe das Ding ungelesen in den Kasten. Jetzt fordert er mich auf, als sein Lehensträger zur Inthronisation zu kommen. Lehensträger? denk' ich und reibe mir die Augen, du des Bischofs Lehensträger? Da fährt mir's wie ein Blitz durch den Kopf, ich hole die Schwanebecker Schrift hervor, und meiner Seele! es ist kein Kaufbrief, sondern nur ein Lehensbrief über die Burg. Ich springe in den Sattel, jage hinüber und stelle den Bischof zur Rede. Da antwortet er mir: er wäre nicht geständig, etwas Verbindliches Kaufs halber mit mir verhandelt zu haben; Kirchengut wäre ihm nicht feil, das könnte er nur zu Lehen geben; ich hätte es ja schwarz auf weiß. Solcher Untreue hatte ich mich nicht versehen, wollte den Tausch rückgängig machen und meine sechshundert Mark Wersilber heraus haben, die ich ihm noch darauf gegeben hatte. Aber der ehrsame Herr lachte mich aus, er hätte meinen gesiegelten Kaufbrief, und Schloß Emersleben wäre in guten Händen. – Was sagt Ihr zu dem Stücklein, Domina?«
»Ein Schelmenstück ist es!« erwiderte die Äbtissin.
»Nicht wahr? Nun ich habe ihm den Hafer ausgedroschen und mir den Handel ins Achtbuch geschrieben,« sagte der Graf in aufloderndem Zorne.
»Als Andenken daran, daß Ihr es nicht vergeßt, habt Ihr ja nun auch Schwanebeck zu Lehen, Herr Graf,« spottete Kunigunde.
»Ich danke Euch für den Trost, gefühlvollste aller Pröpstinnen!« versetzte der Graf.
Die Äbtissin aber wandte sich zu ihrem Kanzler und sagte: »Nun, Herr Stiftshauptmann, heißt das Farbe halten?«
»Der hochwürdigste Bischof ist ein weltläufiger und gar geschwinder Herr,« erwiderte der also Gefragte. »Ihr habt ihn bei dem Tauschgeschäft wohl falsch verstanden, Herr Graf; denn er pflegt sonst vornehm und gering reinen Wein einzuschenken.«
»Hütet Euch, daß ein solcher Ehrentrunk nicht auch einmal an Euch gelangt, Herr Willekin!« warnte der Graf. »Ihr Herren Quedlinburger scheint zwar mit dem Bischof auf einem sehr guten Fuß zu stehen.«
»Warum sollten wir nicht? er hat uns nie ein Leids getan.«
»Aber er macht Euch Leute zu Feinden, die besser Eure Freunde wären!«
» Ad exemplum den edlen Grafen Albrecht von Regenstein. Ihr habt es uns merken lassen, Herr Graf!«
»Daß Euch das Wetter, Herr! Ihr sollt es noch anders merken!« brauste der Graf und stieß mit dem Schwert auf den Boden.
»Heia! was gibt es zwischen euch, ihr Herren?« frug die Äbtissin lachend.
»O ich habe noch einen anderen Span mit dem Bischof,« erwiderte der Graf finster. »Er ist meiner Gerichtsbarkeit ins Gehege gekommen, hat hier in der Stadt ohne mein Wissen und Willen ein geistlich Gericht bestellt, und der Rat scheint mit ihm unter einer Decke zu stecken, denn er läßt ihn gewähren und leistet ihm Vorschub mit seinem Aftergericht. Zwei Hintersassen waren vor meine Dingbank geladen, haben sich aber nicht gestellt, sondern hier in der Stadt vom Rektor an Sankt Ägidien Recht genommen. Da habe ich mir als Geiseln ein paar Quedlinburger gefangen und eingelegt.«
»Die aber ganz unschuldig sind«, warf der Stiftshauptmann ein.
»So liefert mir die Schuldigen aus, daß ich ihrem Beschulden nach mit ihnen verfahren kann. Bis dahin und so lange Ihr ein bischöflich Gericht in Euren Mauern duldet, will ich der Stadt Fein sein«, entgegnete der Graf mit großer Heftigkeit.
»Habt Ihr dem Bischof seinen Übergriff nicht vorgehalten?« frug die Äbtissin.
»Mit recht deutlichen Worten, gnädige Domina!« erwiderte der Graf und bewegte dabei zum größeren Nachdruck nickend das Haupt. »Wißt Ihr, was er mir darauf antwortete? – Geistlich Recht ginge vor weltlich Recht, sein Krummstab reichte weiter als mein Schwert!«
»Und Ihr?«
»Ich schlug mit der Faust auf den Tisch, daß er krachte, und schrie den Bischof an: Dann sehet zu, wie sich krumm und grade miteinander verträgt! Danach saß ich flugs auf, trabte hierher – und da bin ich!«
»Und dabei laßt Ihrs bewenden?«
»Daß ich ein Narr wäre!« lachte der Graf. »Ehe mein hinterlistiger Namensvetter auf seinem bischöflichen Throne sitzt, sitz' ich wieder in Schloß Emersleben, und wenn ich jeden einzelnen seiner eingenisteten Pfaffenknechte kopfüber von den Zingeln in den Graben werfen soll. Bin ich damit fertig, so kommen die Herren Quedlinburger an die Reihe. Ich will ihnen zeigen, wer hier Gerichtsherr ist, ich oder der Bischof!«
»Gräfin Kunigunde,« sprach die Äbtissin sich rasch erhebend, »wir gehen nicht nach Halberstadt!«
»Domina!!«