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ein Pilgerkragen um Nacken, Wangen, Hals und Schulter, so daß kaum das Gesicht frei blieb. Die Kniekacheln liefen in spitze Eisendornen aus. Geschiente Handschuhe und unmäßig lange Sporen vervollständigten Die Rüstung. Außer Schwert und Dolch am Wehrgehänge führte er eine Lanze mit scharfer Spitze und den kleinen dreieckigen Reiterschild. Ein schmales, wettergebräuntes Gesicht mit ein paar bald unruhig umherspähender, bald zudringlich bohrender Augen, einer großen Habichtsnase und einem lang herabhängenden Schnurrbart schaute keck aus der umschließenden Helmbrünne und ließ das Alter des Mannes auf vierzig und einige Jahre schätzen.

      Es war der Ritter Bock von Schlanstedt, ein Vasall des Grafen Albrecht von Regenstein und ein in der ganzen Umgegend bekannter Stoßvogel, der mit einem steten Gefolge von sechs reisigen Knechten, ausgesucht wilden Gesellen, das Land durchstreifte und überall auftauchte, wo man ihn am wenigsten vermutete. Weil dieses erlesene Fähnlein aber selten Gutes, sondern meist Schaden stiftete, wo es erschien, so hatte es den Namen ›die böse Sieben‹ erhalten.

      Als er den beiden Quedlinburgern nahe genug gekommen war, um sie zu erkennen, setzte der Ritter seinen hochtrabenden Schecken in langsamere Gangart, schwenkte die Lanze und rief: »Gruß und Ehr' Euch zu Roß und zu Fuß, Herr Willekin von Herrkestorf! und Euch, wackerer Florencius!«

      »Allen Dank zum Gegengruß!« erwiderte der Stiftshauptmann. »Tut mir leid, Herr Ritter Bock von Schlanstedt, daß unseretwegen Euer braver Schecke die Sporen fühlen mußte; es war der Mühe nicht wert, ihn in Trab zu setzen.«

      »Gott gibt mir ein andermal mehr Glück,« lachte der Ritter, lenkte sein Roß an Herr Willekins Seite und winkte seinen zwei Knechten, worauf auch die vier anderen aus dem Steinholz herauskamen und sich dem Zuge anschlossen.

      »Habe Euch hoch im Verdacht, daß Ihr nach Halberstadt wollt und dort etwas Namhaftes zu schaffen habt,« sprach er dann im gemeinschaftlichen Weiterreiten.

      »Euren Scharfsinn habe ich stets bewundert, Herr Ritter,« gab der Stiftshauptmann schelmisch zur Antwort.

      »Wüßte freilich nicht, wohin dieser Weg sonst noch führte,« warf Florencius ein.

      Bock zeigte geradeaus nach einem vor ihm liegenden großen Gehört und sagte: »Dort liegt ein schönes Tafelgut unserer gnädigen Frau. Sollte Euch verborgen sein, Herr Stiftsschreiber, daß sie auf dem Münchenhofe ein fürtrefflich starkes Bier brauen? ein fast lieblich Getränk an staubigen Frühlingstagen!«

      »Was Ihr sagt!« lächelte Herr Willekin.

      »Wir wollten eben dorthin,« bemerkte Bock, »müssen dort futtern.«

      »So! Ihr habt dort Euren Hafer liegen?«

      »Stiftshafer ist der beste weit und breit«, erwiderte Bock mit ganz unschuldig ernstem Gesicht.

      »Und billig!« meinte Florencius.

      Jetzt bekam der Stiftsschreiber einen jener bohrenden Blicke vom Ritter, auf die stillzuschweigen für einen nicht ganz Sattelfesten das geratenste war.

      Bald entspann sich zwischen den dreien ein lebhafter Meinungsaustausch über den Streit des Grafen von Regenstein mit der Stadt Quedlinburg um die Gerichtsbarkeit und über die Anmaßung des Bischofs, auf den der Ritter übel zu sprechen war.

      Bock von Schlanstedt verteidigte den in seinem Rechte Gekränkten auf das entschiedenste, denn für seinen Grafen ging er durchs Feuer. Überhaupt hing der seltsame, aus mancherlei Gegensätzen zusammengefügte Mensch an dem Regensteinschen Grafenhause mit einer grenzenlosen Hingebung. Er hatte die sechs Brüder wie auch den verstorbenen siebenten nicht nur unter seinen Augen aufwachsen sehen, sondern selber erziehen helfen, hatte sie alle auf Armen getragen und vor sich auf dem Pferde gehabt, war ihr Wärter und geduldiger Spielkamerad und dann ihr Lehrmeister im Reiten, Fechten und Stechen gewesen, auf welche Künste er sich wie einer verstand.

      Er war als junger Bursche seinem Vater, einem freien Bauern im Dorfe Schlanstedt, davongelaufen, weil er sich lieber als Reiterknecht durch die Welt schlagen, als hinter dem Pfluge hertreten wollte. Dicht bei Schlanstedt hatte nämlich die jungen Regensteiner eine Burg, bei deren Besatzung sich der junge, hoch aufgeschossene Bauernsohn durch manches ihr zugesteckte heimliche Beutestück aus seines Vaters Rauchfang sehr beliebt zu machen wußte. Von den Reisigen dort lernte er das Kriegshandwerk und fand so großen Gefallen daran, daß er nicht mehr davon lassen konnte und sich eines schönen Tages aus dem Staube machte. Er meldete sich auf dem Regenstein beim Grafen Ulrich, wo man ihn auf seine flehentliche Bitte in Dienst und Pflicht nahm und wo im Gang der Zeit aus dem Troßbuben auch wirklich ein tüchtiger Reiterknecht wurde, der sich durch Zuverlässigkeit und einen tollkühnen Mut allmählich die Gunst und das volle Vertrauen seines Herrn erwarb. In einer Fehde des Grafen Ulrich mit den edlen Herrn von Barby, die das Schnappen und Heckenreiten doch etwas zu arg und bin in den Harzgau hinein trieben, hatte sich Bock unter den Augen seines Herrn so glänzend hervorgetan, daß dieser ihm nach glücklich beendetem Strauß den Rittergurt verlieh.

      Diese große Auszeichnung erhöhte Bocks Selbstbewußtsein gewaltig, und er gewöhnte sich nach dem Vorbilde des Grafen ein ritterliches Benehmen an, ohne hoffärtig gegen das Gesinde und reisige Volk zu werden, mit dem er nach wir vor Mühen und Gefahren brüderlich teilte.

      Er hatte nichts. Sein Roß, sein Eisenkleid und Schwert und Schild waren und blieben, wie er es auffaßte, des Grafen, von dem er sie bekommen hatte, und als dessen unbeschränktes, jeden Augenblick nach Belieben zu nutzendes oder wegzuwerfendes Eigentum betrachtete er auch sein Blut und Leben. Ein Mann des Grafen von Regenstein zu sein, war seine Ehre und sein Stolz, und mit gleicher Treue wie früher dem Vater diente er jetzt den Söhnen, von denen Albrecht sein Stern und Spiegel, Siegfried aber sein Herzensliebling war.

      Der Ritter hielt Stadt und Stift Quedlinburg streng voneinander getrennt. Der ersteren war er feindlich gesinnt, weil sie die Rechte seines Herrn schmälern wollte; in der Äbtissin dagegen erblickte er als Dienstmann ihres Schirmvogtes eine Fürstin, die auf die Kraft seiner Lanze einen ebenso begründeten Anspruch hatte wie seiner Meinung nach er selber und sein Roß auf ihr Bier und ihren Futterhafer.

      Als die Reiter auf dem Münchenhofe ankamen, stieg Bock vom Pferde und rief einem seiner Knechte zu: »Hängt ab, Nothnagel! wir bleiben hier.«

      Willekin und Florencius taten einen Stegreiftrunk von dem kräftigen Bier, das sie dem darreichenden Meier loben mußten, und setzten sich wieder in Bewegung.

      »Ich wünsche Euch einen gnädigen Empfang bei dem hochwürdigsten Herrn Bischof, Herr Stiftshauptmann!» höhnte ihnen der Ritter nach. »Aber ich sorge, Ihr werdet mit Eurer Botschaft so viel Mühe haben, als wenn Ihr einem Tauben ein Märlein erzähltet.«

      »Ich denke, er wird es in beide Ohren nehmen, was ich ihm zu sagen habe,« entgegnete Herr Willekin sich im Sattel umwendend.

      »Und Euch zum Dank dafür zu Gaste laden, nicht wahr?«

      »Wartet es ab, Herr Bock von Schlanstedt, wer die Zeche zu bezahlen haben wird.«

      »O, wir leben bei ihm auf Kreide,« rief Bock lachend.

      »Und sitzt tief genug drin, das weiß ich!« gab der Stiftshauptmann ebenso zurück.

      »Dann machen wir einen Strich durch – hiermit!« sagte Bock und schlug mit der Hand ans Schwert.

      Aber die Reiter waren schon zu entfernt, um die Worte des Zurückbleibenden noch verstehen zu können.

      »Daß dich der Bock stößt! mich will bedünken, Ihr laßt Euch in seltsam krumme Händel ein, Herr Willekin!« murrte der hagere Recke mit einem mißtrauischen Blicke nach dem dahinreitenden Stiftshauptmann. »Wir zwei stehen nicht in einem Stall. – Weiter, Hasenbart!« sagte er dann zu einem anderen seiner Gesellen und hielt ihm den leeren Krug hin, um ihn wieder füllen zu lassen, »aber heute nicht mehr als drei für jeden! Bis wir die heruntergespült haben, sind die beiden Quedlinburgischen außer Sicht. Sie müssen denken, daß wir hier bleiben, darum sagte ich euch, ihr solltet abhängen. Nachher reiten wir ein bißchen scharf zu über Wegeleben und ziehen uns rechts an der Bode um Emersleben herum. Unsere Grafen kommen über Derenburg, und in der Gegend von Schwanebeck an der Holtemme sollten wir sie treffen;

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