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so daß er sich für lange Zeit einem nachdenklichen Schweigen ergab.

      Plötzlich aber hielt er an und sagte zu den beiden mitgefangenen Reisigen: »Sitzt ab und schert auch zum Kuckuck! Euch wollen wir nicht füttern, denn auch löst niemand aus, aber eure Gäule behalten wir.«

      »Wir bleiben, wo unsere Herrin bleibt,« sprach einer der beiden.

      »Habt keine Widerworte und seid froh, wenn wir auch das Leben lassen; eure Kettenhemden wären eigentlich auch noch des Mitnehmens wert. Aber lauft hin!« entgegnete Bock. »Flink! abgesessen!«

      Die Reisigen mußten gehorchen, und Bocks Knechte nahmen die ledigen Rosse samt den zwei Packpferden an die Zügel, während die aus dem Sattel Gedrängten sich zu Fuß auf den Rückweg machten.

      »Ihr könnt meinetwegen den lieben Oheim in Quedlinburg von mir grüßen,« höhnte Bock den Mißmutigen nach.

      Die anderen alle ritten fürbaß. Nicht weit mehr vom Regenstein begegnete ihnen ein fahrender Mann, der am Wege stehen bleibend sich den Zug betrachtete. Er mußte wohl die entführten Frauen kennen, denn er rief: »Viel Glück zu dem Fang, Ritter Bock von Schlanstedt! Daß dich ein Donnerstreich erschlage, wird das ein Lösegeld geben!«

      »Der Satan vergelt' dir's, alter Höllensack, auf den sich alle Raben freuen!« erwiderte Bock vergnügt im Weiterreiten; »die Quedlinburger haben's ja dazu!«

      Am Nachmittage ritt die böse Sieben mit ihren Gefangenen über die Zugbrücke und durch das Fallgatter am Tore der Burg Regenstein.

      Sechstes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      An demselben Tage waren die sechs Brüder Grafen von Regenstein alle beieinander versammelt. Ulrich, der dritte in der Reihe und Domherr zu Hildesheim, war bei Bernhard, dem einzigen Verheirateten, auf der Heimburg abgestiegen; Poppo, der in dem für unüberwindlich geltenden Crottorf befehligte, hatte sich mit Günther auf dem Regenstein einquartiert, wo auch der Jüngst, Siegfried, noch sein heimatliches Obdach hatte.

      Wohl hatten sie über die kürzlich im Harzgau vorgefallenen Ereignisse schon gesprochen, aber das war es nicht, was die getrennt hausenden Brüder heute vereinigte. Das Friedvollste, was es auf Erden gibt, eine Totenfeier, führte sie zusammen. Sie wollten den Todestag ihres Vaters, des Grafen Ulrich, der ihnen allen ein Vorbild ritterlicher Tugend und Tapferkeit gewesen war, zu seinem ehrenden Gedächtnis festlich begehen, wie sie es alljährlich auch zum Andenken der früher verstorbenen Mutter zu tun pflegten.

      Ziemlich in der Mitte zwischen der gewaltigen, steil aufragenden Felsmasse des Regensteins und dem die Heimburg tragenden Bergkegel, aber seitwärts als dritter Punkt eines fast gleichseitigen Dreiecks lag in einem stillen, lieblichen Waldtal lauschig und versteckt Kloster Michaelstein. Es war von der Äbtissin Beatrix von Quedlinburg vor zweihundert Jahren gegründet, und vor etwa sechzig Jahren war ein Graf Ulrich von Regenstein Abt des Klosters gewesen, in dessen gottgeweihtem Frieden schon ganze Geschlechter dieses edlen Grafenhauses im ewigen Schlafe ruhten.

      Dort in dem steingrauen Kirchlein hatte der würdige Abt heut eine feierliche Seelenmesse für den seligen Grafen gelesen, und nun knieten die sechs Brüder mit Reginhild, Bernhards Gemahlin und Tochter des Grafen Burchard von Mansfeld, im Kreuzgang vor den Grabsteinen ihrer Eltern. Hinter ihren Herren, in gebührlichem Abstand, lagen die vertrautesten ihrer Dienstmannen auf den Knien, und weit zurück stand der greise Abt vor der Schar seiner Mönche, mit gefalteten Händen der stillen Andacht der kleinen ritterlichen Gemeinde regungslos zuschauend.

      Die beiden Grabsteine des gräflichen Elternpaares standen über der Gruft aufrecht an der Mauer nebeneinander, mit dem ihres jungen Sohnes Otto die letzten in der Reihe von zahlreichen ähnlichen ihrer Ahnen. Jeder zeigte das in Stein gehauene Lebensgroße Bild des Abgeschiedenen, eingefaßt von einer am Rande hinlaufenden Inschrift.

      Graf Ulrich war in voller Rüstung mit Wehr und Waffen dargestellt, im rechten Arme den hohen Stechhelm mit Kleinod und Helmdecke, zur Linken den kleinen dreieckigen Schild mit der vierendigen Hirschstange, und ebenso wie seine Gemahlin auf einem Hunde stehend. Gräfin Bia, eine geborene Gräfin von Kefernburg, war in ein lang herabfließendes Gewand und einen weiten, faltigen Mantel gehüllt, trug um Haupt und Kinn das Gebände geschlungen und hielt in den auf der Brust zusammengelegten, mit den Fingern nach oben gekehrten Händen einen Rosenkranz.

      Der stille Klostergarten, mit Kreuzen bepflanzte Friedhof der Mönche, lag halb noch im Schatten, halb schon in der Morgensonne, die mit ihrem goldenen Lichte die Säulen und Säulchen der Hälfte des Kreuzganges beschien, schräge und rundbogige Schatten auf seinen Steinboden werfend. Aus dem Garten duftete der Frühling in die kühle Wölbung hinein, die Sträucher hatten junge Blätter, und zwischen den Gräbern blühten die Veilchen. Tiefes Schweigen herrschte; man hörte nichts als dann und wann das leise Klirren einer Schwertfessel oder eiserner Sporen eines der Betenden.

      Endlich machte Graf Albrecht eine Bewegung. Er bot der neben ihm knieenden Reginhild die Hand, und sich darauf stützend erhob sich die Gräfin von dem ausgebreiteten Teppich, welchem Beispiel alle übrigen folgten. Die Mönche stimmten einen Gesang an und geleiteten mit dessen sanften Klängen die den Kreuzgang langsam hinabschreitenden Herren und Mannen mit vor die Pforte des Klosters. Dort wurden die von Knechten gehaltenen Rosse bestiegen, und der Reiterzug begab sich auf den Regenstein, wo die Familie den Feiertag mit einem gemeinschaftlichen Mahle würdig beschließen wollte.

      Als mittags die sieben den gastlichen Tisch des Ältesten von ihnen umringten, erhob sich dieser und weihte dem Andenken des geliebten Vaters einen Minnetrunk in Sankt Johannis Segen. Dann sprachen sie von dem Geschiedenen und wurden seines Ruhmes nicht müde, wie sie sich einzelne Züge seines tatenreichen Lebens erzählten und sich von ihm gesprochener Worte erinnerten. Dabei gelobten sie sich laut und leise, in seinen Fußstapfen zu wandeln, die von ihm hinterlassene Macht zu verteidigen und zu halten und in Lust und Leid zusammen zu stehen bis in den Tod.

      Die kleine Tafelrunde in dem gepflasterten Saale, dessen Wände Hirschgeweihe und andere Jagdstücke, Waffengehänge und Rüstungen verstorbener Ahnherren schmückten, bot ein herzerfreuendes Bild. Da saßen um eine einzige, vornehme und liebliche Frau sechs hochgewachsene, heldenkühne Männer, denen ein wagelustiger Sinn auf der Stirn geschrieben stand und aus deren Blicken eine selbstbewußte, trotzige Kraft sprach. Bernhard, der Zweitälteste, stand dem Erstgeborenen in der Regierung der Grafschaft treu zur Seite, und seine zügelnde Gemessenheit, sein stets bedachtsamer Rat war dem ungestümen Tatendrang des Ältesten gegenüber von großem Wert. Auch der Dritte, Ulrich, der nicht aus freier Wahl in den geistlichen Stand getreten, sondern nur der frommen Meinung der Mutter, von sieben Söhnen wenigstens einen dem Dienste der Kirche widmen zu sollen, gefolgt war, konnte in dem Gewande des Domherrn doch nicht das Blut des Ritters verleugnen, wie er denn auch den von Jugend auf gewöhnten und geliebten ritterlichen Übungen nicht ganz zu entsagen vermochte. Die drei Jüngsten, Poppo, Günther und Siegfried, waren junge Reckengestalten, denen die Kämpfe, die sie schon gesehen oder selber mitgeführt, eine früh ausgeprägte Selbständigkeit und Reife verliehen hatten. Nur Siegfried war mit seinen zwanzig Jahren fast noch ein Jüngling, blühend schön, stark und feurig, der Liebling aller, die ihn kannten, insonderheit der Frauen. Ein warmer, sonniger Glanz lag auf seiner ganzen Erscheinung; wen er nur anblickte, und zu wem er sprach, der fühlte unwillkürlich, daß in dieser jungen Brust ein tapferes, stürmisches, kühn hoffendes Herz schlug.

      Nach beendetem Mahle griffen Poppo und Günther zum Schachbrett, während sich Reginhild und Siegfried zu einem heiteren Geplauder in die tiefe Fensternische zurückzogen und die drei ältesten Brüder noch bei einem Nachtrunk am Tische sitzen blieben und über ernste Dinge sprachen.

      Ulrich berichtete, daß ihm kürzlich bei einem Besuch in Halberstadt von einem befreundeten Domherrn eine Warnung vor der Rachsucht des Bischofs zugegangen sei, der zum Dompropste bedrohliche Äußerungen getan und weitgehende Pläne zur Bekämpfung der Regenstein'schen Macht verraten habe.

      »Das glaub' ich wohl,« sprach Albrecht. »Der Handel mit Emersleben liegt ihm

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