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stieg aus der Ofenröhre und im Fenster glimmte eine Laterne.

      Ich hoffe stark, dass er 'ne Flasche mit was Warmem hat, dachte Curly.

      Er machte sein Pferd in der Scheune fest und wankte betrunken die Veranda hoch, nachdem er kurz zum Pinkeln innehielt. Er war schon fast auf der letzten Stufe, bevor er merkte, dass etwas nicht stimmte.

      Die Tür war herausgerissen und bestand nur noch aus Kleinholz. Lediglich ein paar abgerissene Stücke hielten sich an den Angeln fest; der Rest war als Splitter und Zerborstenes auf den Boden niedergeregnet.

      Curly griff nach seiner alten Armeepistole Kaliber .44.

      Das Metall in seiner zitternden Hand fühlte sich wie Eis an.

      »Nate?«, rief er mit schwacher Stimme.

      Als er keine Antwort bekam, ging er die letzten beiden Stufen hoch und hielt im Türrahmen inne. Der Tisch war umgeworfen und zerbrochen worden. Regale waren zusammengebrochen und ihr Inhalt lag überall verstreut. Ein Mehl- und ein Zuckersack waren aufgerissen worden. Alles war weiß bestäubt. Plötzlich blies eine kalte Windböe herein, brachte das alte Haus zum Knarzen und wirbelte Mehlstaub wie Geister vom Boden empor.

      Überall war Blut.

      Curly drehte sich der Magen um.

      Auf dem Boden standen ganze Pfützen davon, es war die Wände hochgespritzt und klebte in Tropfen am alten eisernen Herd. Der Blutgestank hing mit reifem, rohem Nachdruck in der Luft, in Curlys Nase, an seiner Haut. Er konnte es auf seiner Zunge schmecken.

      Er wartete nicht darauf, eine Leiche zu entdecken.

      Das brauchte er nicht.

      Im Laufschritt machte er sich davon, hetzte durch den Schnee, fiel, rutschte, aber schaffte es schließlich zur Scheune. Er war völlig nüchtern, als er seine Stute losband und aufstieg.

      Der Sturm begann erneut und wirbelte Schnee durch die Luft.

      Das Pferd begann zu wiehern und wild hin und her zu zucken. Es bewegte sich erst in eine Richtung, schnaubte, und sprang dann in die andere.

      »Los, verdammt noch mal!«, schrie Curly. Der Geruch eines gewaltsamen Todes durchdrang alles. Er zerrte an den Zügeln und gab der Stute die Sporen. »Los schon!«

      Die Scheunentür wurde vom Wind aufgerissen und wieder zugeschlagen. Drinnen wieherte Nates Pferd und riss wie verrückt an seinem Haltestrick. Irgendetwas stimmte nicht, und beide Tiere wussten es.

      Die Lampe im Haus flackerte und ging aus.

      Ein eisiger Schauder lief Curly den Rücken hinunter, der nichts mit dem fauchenden, bitterkalten Wind zu tun hatte. Und dann kam aus der Ferne noch ein anderes Geräusch: Ein tiefes, schreckliches Heulen, ein wahnsinnig gewordenes dumpfes Bellen, das sich im Wind immer höherschraubte und zerriss. Curly wurde kalt. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Dieses Geräusch … wie das Donnern eines Güterzuges, das durch einen Minenschacht hallte.

      Das Heulen erklang erneut.

      Näher.

      Mit einem Aufschrei riss Curly an den Zügeln, und die Stute galoppierte die Straße hinunter, warf ihn dabei fast ab. Sie raste wie verrückt in die falsche Richtung und Curly schaffte es nicht, sie wieder unter Kontrolle zu bringen. Sein Gesicht wurde durch die Kälte taub und seine Augen tränten. Panische Angst klopfte in seinem Herzen und seinen Ohren – dieses Heulen …

      Näher.

      Und noch näher.

      Kapitel 16

      »Big« Bill Lauters stieg von seinem Pferd und wartete darauf, dass Dr. Perry es ihm gleichtat. Der alte Mann brauchte dazu etwas länger.

      »Verdammt kalt«, sagte Perry. »Mir tut ganz schön der Rücken weh.«

      Lauters rieb sich die Hände. »Gehen wir«, sagte er. »Bringen wir's schnell hinter uns.«

      Er betrat das Haus als Erster und sah so ziemlich das Gleiche, was Curly Del Vecchio in der vorigen Nacht gesehen hatte: Alles im Haus war auseinandergerissen und es sah aus, als wäre ein kleiner Tornado hindurchgeweht.

      Die Möbel lagen in Trümmern. Teller und Krüge waren zu kleinen Scherben zerbrochen, die unter den Schuhsohlen knirschten. Flaschen waren zersplittert. Alles schien auseinandergerissen worden zu sein. Und über allem klebte Mehl, Zucker … und Blut.

      »Heilige Mutter Gottes«, keuchte Perry. »Was zum Teufel ist denn hier passiert?«

      Lauters betrachtete den Tatort. Er war außer sich, wütend, aber seine Mimik veränderte sich nicht. Er sah auch sonst immer erbost aus. »Was denken Sie denn, was hier passiert ist, Doc?«, fragte er mit bissigem Unterton.

      Beide wussten, was sie vor sich sahen. Sie hatten es von dem Moment an gewusst, als sie die Nachricht erreichte, dass Nate Segaris am Morgen nicht in der Congregational Church erschienen war. Segaris war immer da. Er war ein Dieb und Betrüger, wie alle wussten, aber den Sonntagsgottesdienst verpasste er nie. Seine Mutter hatte ihn mit strengen moralischen und religiösen Grundsätzen erzogen. Und obwohl es ihm gelungen war, sich der Moral zu entledigen, klammerte sich die Religion hartnäckig an seine Seele. Oder hatte sich geklammert.

      »Was für ein Tier macht so was?«, fragte Lauters – zum hundertsten Mal, wie es schien. »Was für ein Biest dringt in das Haus eines Menschen ein und richtet so was an?«

      Perry sagte nichts. Er hatte keine Antworten. Die Tötungen waren mehr als nur das Resultat von Hunger, eher gewaltsame Verstümmelungen und Verwüstung. Und was für eine Kreatur tötet wie ein wildes Tier Menschen zum Fressen und zerstört dann wie ein Verrückter ihr Heim?

      Lauters betrachtete das Blut, das überall klebte. »Irgendwo hier muss er wohl sein.«

      Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die Verwüstung und zögerten vor der Tür zum hinteren Wohnzimmer. Gut einen Meter lange Krallenspuren waren daran zu sehen. Perry untersuchte sie. Sie waren mindestens einen Zentimeter tief ins Holz gedrungen.

      Er schluckte trocken. »Die Kraft, die dieses Monster haben muss, um so etwas zu tun …«

      Lauters stieß die Tür auf.

      Auch das hintere Zimmer lag in Trümmern. Segaris hatte alle Sachen seiner verstorbenen Frau darin aufbewahrt. Ihre Rüschenkissen waren aufgeschlitzt; Federn bedeckten den Boden. Ihre guten Porzellanschüsseln lagen zerbrochen in den Ecken. Ihre Porzellanpuppensammlung war in kleine Teile zerbrochen. Ein abgetrennter Puppenkopf starrte sie mit blauen aufgemalten Augen an. Ihre Kleider, die an einer Messingstange gehangen hatten, waren zu Konfetti zerfetzt. Selbst die Wände waren von Krallenspuren überzogen: Zerrissene Tapetenfetzen hingen wie spanisches Moos davon herab.

      »Das macht kein Tier, Doc«, sagte Lauters im Brustton der Überzeugung. »Kein gottverdammtes Waldtier dringt in eine menschliche Behausung ein und zerstört sie.«

      Perry betrachtete alles, was er sah, sehr genau, untersuchte es mit dem Blick eines Ermittlers. Er hielt ein Tapetenstück in den Fingern und untersuchte es, als sei es eine kostbare Antiquität. Er murmelte ein paar Worte vor sich hin und zog etwas hervor, das zwischen der Tapete und der Fußleiste steckte.

      »Aber kein Mensch hinterlässt so was«, sagte er und zeigte, was er gefunden hatte.

      Der Sheriff nahm es und zwirbelte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es schien verfilztes graues, grobes Fell zu sein. »Vielleicht irgendein Hund«, brummte er vor sich hin.

      »Glauben Sie?«

      Lauters machte ein finsteres Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich habe es mit fünf toten Männern zu tun und was nun nach einem sechsten aussieht … was zum Teufel soll ich dazu sagen? Was zum Teufel wollen Sie von mir?«

      »Immer mit der Ruhe, Sheriff.«

      Lauters ließ das Fellstück fallen und stakste zurück ins andere Zimmer. Fluchend, die eine Hand in sein Kreuz gedrückt, bückte sich Perry

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