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etwas zu sagen, wartete er.

      Er konnte hören, wie sie durch den Schnee zu den Kiefern in seine geschützte Schlucht stolperten. Sie machten viel Lärm. Es mussten Weiße sein. Sie stapften voran, redeten und stritten.

      Longtree nahm seinen messingbeschlagenen Colt Peacemaker Kaliber .45 in die Hand und zog seine Winchester aus der Sattelrolle. Nun kamen sie die Schlucht herunter. Er setzte sich so, dass ihn der Lichtschein des Feuers nicht traf, und lehnte sich gegen die Felsen, wo ihn die Dunkelheit verdeckte.

      Sie kamen. Sechs Männer in schweren Wollmänteln. Sie trugen Schrotflinten und Pistolen, und einer sogar ein uraltes Hawken-Gewehr. In einer engen Gruppe pflügten sie sich durch den Schnee auf ihn zu. Sehr unprofessionell. Es wäre ein Leichtes, sie alle zu erschießen.

      »Was habt ihr hier zu suchen?«, rief Longtree aus der Dunkelheit.

      Sie wirkten überrascht, als sie eine Stimme widerhallen hörten, die sie nicht orten konnten und schwenkten die Waffen in alle Richtungen. Longtree grinste.

      »Sagt, wer ihr seid, oder ich schieße«, rief er.

      Die Männer drehten sich um und rempelten sich an.

      »Bill Lauters«, rief ein großer Mann. »Sheriff von Wolf Creek.« Er tippte mit dem Finger auf ein Abzeichen, das an seinem Mantel steckte.

      Longtree seufzte. Er wusste, wer Lauters war.

      Er trat aus der Dunkelheit und bewegte sich lautlos auf sie zu. Er war schon fast bei ihnen, bevor sie ihn sahen, und dann wurden alle Waffen auf ihn gerichtet.

      »Wer zum Teufel bist du?«, fragte einer von ihnen.

      »Immer mit der Ruhe, Dewey«, sagte Lauters.

      »Longtree, Deputy U.S. Marshal«, antwortete er mit ruhiger Stimme und zeigte seine eigene Dienstmarke. »Man hat Ihnen ein Telegramm wegen …«

      »Ja, ja, das hab ich bekommen. Ich weiß, wer Sie sind und warum Sie hier sind«, erwiderte Lauters in einem Ton, als fände er schon die reine Vorstellung unerträglich. »Von mir aus können Sie gleich wieder zurückreiten. Wir brauchen hier keine gottverdammte Bundesunterstützung.«

      »Dennoch werden Sie sie haben, Sheriff.«

      »Wo zum Teufel ist Benneman?«, fragte der Mann, der Dewey hieß. »Der ist hier der zuständige Federal Marshal.«

      »John Benneman ist angeschossen worden«, erklärte Longtree. »Der ist für eine Weile nicht einsatzfähig.«

      Lauters spie einen Strahl Tabaksaft in den Schnee. »Und wir haben richtig Glück, Jungs, denn wir haben hier einen ganz besonderen U.S. Marshal«, sagte er sarkastisch. »Ich glaube, jetzt können wir unsere Gewehre alle einmotten.«

      Longtree lächelte dünn. »Ich übernehme nicht Ihre Untersuchung, Sheriff. Ich bin lediglich hier, um zu helfen.«

      »Am Arsch«, meinte einer.

      »Nichts als Ärger«, sagte ein anderer.

      Lauters nickte. »Wir brauchen Ihre Hilfe nicht.«

      »Nein?«

      »Reiten Sie zurück. Machen Sie sich, verdammt noch mal, aus dem Staub.«

      »Werde ich nicht«, versicherte Longtree.

      Die Waffen waren nicht gesenkt worden und schienen jetzt höher gehoben zu werden.

      »Ich bin hier, um zu helfen. Sonst nichts.« Longtree fischte eine Zigarre aus seinem Bündel und zündete sie sich am Feuer an. »Aber wenn ihr Jungs hier lieber wie dumme Bengel rumstehen und euch streiten wollt, während noch mehr Menschen getötet werden, ist das natürlich eure Sache.«

      »Was zum Teufel bilden Sie sich ein, mit wem Sie reden?«, schnappte Lauters und trat einen Schritt auf ihn zu.

      Longtree öffnete seinen Mantel und legte die Hand auf seinen Colt. Alle konnten es sehen, und das wollte er auch. »Ich bilde mir ein, mit einem Mann zu reden, der viel von sich hält.«

      Lauters' Gesicht wurde innerhalb eines Sekundenbruchteils schlaff und verzog sich dann wieder. »Pass mal auf, du Arschloch!«, brüllte er. »Ich brauch deine scheiß Hilfe nicht! Ich mache in dieser Stadt die Gesetze! Nicht du, und auch nicht das U.S. Marshals Office! Wenn du in meine Stadt kommst, dann machst du, was ich sage! Kapiert?«

      Longtree blieb ungerührt. »Alles, was ich kapiere, ist, dass Sie fünf tote Männer haben, Sheriff, und wenn Sie so weiter machen, werden das noch ein paar mehr werden. Vielleicht können wir diesem Morden Einhalt gebieten, wenn wir zusammenarbeiten.«

      Dagegen ließ sich nicht viel sagen.

      »Gehen Sie mir bloß aus dem Weg, Longtree. Ihre verdammte Hilfe brauche ich nicht.«

      Longtree nickte. »Das ist in Ordnung, Sheriff. Völlig in Ordnung. Ich werde meine eigenen Untersuchungen durchführen. Aber Ihre Hilfe würde ich sehr schätzen.«

      Lauters sah ihn finster an. »Vergessen Sie's. Wir brauchen keine Außenstehenden, die alles noch mehr durcheinanderbringen.«

      »Sheriff«, sagte Dewey. »In Gottes Namen, wir haben hier sechs Morde. Wenn er helfen kann …«

      »Halt's Maul, Dewey.« Lauters wandte ihnen den Rücken zu und machte sich auf den Weg die Schlucht hoch.

      »Wer ist der Sechste?«, fragte Longtree.

      »Nate Segaris«, gab einer der Männer zurück. »Ist in seinem eigenen Haus ermordet worden.«

      »In Stücke ist er gerissen worden«, sagte ein anderer.

      Longtree zog an seiner Zigarre. »Bevor ihr Jungs wieder zurück reitet«, sagte er, »solltet ihr wissen, dass es noch einen Siebten gibt.« Alle starrten ihn an.

      Und aus der Ferne klang ein tiefes, trauriges Heulen.

TEIL 2

      Kapitel 23

      Mit dem Schal eng um den Hals geschlungen kämpfte sich der brave Reverend Claussen durch den beißenden Wind zum Bestattungshaus vor. Er hielt auf der Straße vor einem Gebäude mit grauer abblätternder Farbe inne. Auf einem verwitterten Holzschild stand: J. SPENCE, BESTATTER. Man konnte es kaum lesen. Zu viele harte Winter und glühend heiße Sommer hatten die schwarzen Buchstaben zu einer bleiernen fahlen Farbe verblassen lassen.

      Claussen biss die Zähne zusammen und trat ein.

      Zielstrebig ging er in die Hinterzimmer, in denen die Leichen hergerichtet wurden.

      Dort waren Wynona Spence, Sheriff Lauters und Dr. Perry versammelt.

      Der Reverend betrachtete sie argwöhnisch. »Warum wurde mir nicht gesagt, dass noch jemand umgekommen ist?«, fragte er mit seinem nasalen New-England-Akzent. »Wieso muss ich davon im Ort durch Gerüchte erfahren?«

      »Regen Sie sich ab, Pater«, sagte Lauters. »Ich …«

      »Ich bin kein Katholik, Sir. Bitte reden Sie mich dementsprechend an.«

      Lauters blickte finster drein, fummelte einen Tabakpfropf aus seiner Tasche und steckte ihn sich in den Mund. »Was ich sagen wollte, Reverend: Es handelt sich um Curly Del Vecchio. Curly war nun nicht gerade das, was man einen tiefreligiösen Menschen nennen würde.«

      Claussen, dessen kurze stahlgraue Haare sich zu sträuben schienen, entgegnete: »Den Toten gewährt man eine gewisse Nachsicht, Sheriff. Um der Gnade Gottes willen – lassen Sie mich diesem armen Mann den letzten Segen geben.«

      Dr. Perry, der neben der mit einem Tuch bedeckten Gestalt am Tisch stand, zuckte die Achseln und zog das Leichentuch weg.

      Reverend Claussen wurde kreidebleich und wandte den Blick ab.

      »Nicht gerade ein schöner Anblick, was?«, sagte Wynona Spence, deren zusammengepresste Lippen zu einer dünnen lilafarbenen Linie verzogen waren, die vielleicht ein

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